Bild: Prof. Nicole Eter, Direktorin der UKM-Augenklinik, plädiert für ein allgemeines Seh-Screening von Schulkindern. (Foto UKM)

Münster (ukm/aw) – Eltern wollen das Beste für Ihre Kinder und wünschen sich für den ersten Schultag nach den Ferien, dass der Start in die Schule möglichst gut (wieder) gelingt. „Auch bei den Kleinsten kann gutes Sehen nicht unbedingt als gegeben vorausgesetzt werden“, sagt Univ.- Prof. Nicole Eter, Direktorin der Klinik für Augenheilkunde am UKM (Universitätsklinikum Münster). Sie befürwortet deswegen die Einführung eines allgemeinen Seh-Screenings beim Augenarzt vor der Einschulung.

Blickrichtung Schulstart: Warum gutes Sehen ein wichtiger Baustein zum guten Gelingen ist

Frau Prof. Eter, was müssen Eltern von Erstklässlern (aber auch von älteren Schulkindern) beachten, wenn es um die Gesundheit der Augen geht?
Wir haben in Deutschland zwar die Verpflichtung zu einer Schuleingangsuntersuchung, die unter anderem auch einen Sehtest enthält, aber die Durchführung ist Ländersache und deswegen haben wir ein heterogenes Bild. Zudem fallen Corona-bedingt derzeit in vielen Kommunen die Schuleingangstests aus. Eine augenärztlich durchgeführte Screening-Untersuchung bei Kindern im Schulalter gibt es in Deutschland nicht. Daher sollten Eltern, aber auch Lehrer darauf achten, ob Kinder gut an die Tafel schauen können oder ob Kinder eventuell Schwierigkeiten haben, Kleingeschriebenes an der Tafel lesen zu können. Schlechtes Sehen kann dazu führen, dass Kinder nicht richtig im Unterricht mitmachen, weil sie vielleicht sehr schlecht lesen können, was da vorne an der Tafel geschrieben steht. Wenn diese Dinge auffallen, sollte man natürlich den Augenarzt aufsuchen. Dann muss einmal abgeklärt werden, ob vielleicht eine Kurzsichtigkeit oder eine andere Fehlsichtigkeit bei dem Kind vorliegt.

Wie wichtig ist es, vor Schulstart einen Sehtest machen zu lassen?
Wir Augenärzte empfehlen, das Sehvermögen zumindest einmal zu überprüfen. Gerade, wenn Kurzsichtigkeit in der Familie vorliegt ist die Wahrscheinlichkeit, dass das Kind auch kurzsichtig wird, hoch. Das sollte man abklären lassen, damit frühzeitig eine Brille verordnet werden kann oder gegebenenfalls auch Kontaktlinsen. Meiner Meinung nach wäre es sinnvoll, ein augenärztliches Screening zu haben, spätestens zum Zeitpunkt der Einschulung.

Wenn ein allgemeiner Sehtest nichts Auffälliges ergeben hat, woran können Eltern im weiteren Verlauf vielleicht trotzdem merken, dass ihr Kind schlecht sieht?
Eine Fehlsichtigkeit zeigt sich nicht unbedingt nur darin, dass das Kind in der Ferne an der Tafel nicht lesen kann. Es könnte zum Beispiel auch über Kopfschmerzen nach langem Lesen klagen. Das würde dafürsprechen, dass das Kind weitsichtig ist, also eine sogenannte Hyperopie vorliegt. Diese kann das Kind in jungen Jahren noch gut ausgleichen. Das ist allerdings anstrengend und dadurch können Kopfschmerzen entstehen. In solchen Verdachtsfällen muss ein Sehtest gemacht werden, bei dem die Akkommodation durch Tropfen kurzzeitig ausgeschaltet wird – dann kann man auch eine Weitsichtigkeit feststellen.

Thema Kontaktlinsen: Ab welchem Alter und für welche Kinder?
Ich denke, dass Kinder im Schulalter schon genug Hygieneverständnis haben, um mit Kontaktlinsen zurecht zu kommen. Schulkinder sind schon in der Lage, Kontaktlinsen täglich morgens ins Auge zu setzen und abends wieder heraus zu nehmen. Das ist insbesondere bei sehr starken Fehlsichtigkeiten sinnvoll oder auch bei sehr aktiven Kindern – Stichwort Sport, wo eine Brille unter Umständen stören könnte.

Wie ist es bei Kindern um die Akzeptanz der Brille gestellt?
Heutzutage hat sich die Akzeptanz einer Brille im Kindesalter deutlich verbessert. Es gibt sogar „hippe“ Kinderbrillen, bunt, die dann auch recht stylisch aussehen. Trotzdem sollten Eltern und auch Lehrer darauf achten, dass die Brille auch wirklich im Unterricht getragen wird und nicht ganz schnell aus Eitelkeit in der Schultasche verschwindet. Kinderbrillen sollten natürlich besonders leicht sein. Sie sollten Bügel haben, die gut hinter dem Ohr sitzen, damit sie auch bei Bewegung, bei Sport und Spiel, nicht herunterfallen. Auch Kunststoffgläser sind wichtig, damit, falls etwas zu Bruch geht, sich das Kind nicht verletzt.

Welche Auswirkungen hat der Gebrauch von Handys und Tablets auf die Augen der Kleinsten? Muss man den Gebrauch begrenzen?
Die Einschränkung für Handys und Tablets fängt schon vor dem Schulalter an. Wir empfehlen als Augenärzte, dass Kinder im Vorschulalter maximal eine halbe Stunde auf ein Handy ein oder Tablet schauen sollten. Und dann im Alter von sechs bis zehn Jahren maximal eine Stunde. Grund ist, dass das Sehen in der Nähe, mit einem Abstand von weniger als 30 Zentimetern, die Kurzsichtigkeit fördert. Also sehr langes, nahes Lesen bedeutet, dass das Auge mehr in die Länge wächst. Das ist nicht mehr reversibel und diese Kinder werden deutlich kurzsichtiger. Deshalb sollten Eltern und Lehrer aufpassen, dass nahes Lesen auf Handy und Tablet eingeschränkt wird.

Warum ist es wichtig, dass Kinder sich oft draußen im Freien aufhalten?
Als Augenärzte empfehlen wir, mindestens zwei Stunden pro Tag draußen am Tageslicht spielen. Dadurch wird eine fortschreitende Kurzsichtigkeit vermindert. Sowohl „in die Ferne“ Schauen als auch helles Tageslicht verhindern Kurzsichtigkeit oder bremsen zumindest das Voranschreiten. Bei aller Konzentration auf den Schulalltag sollte man das auf keinen Fall vergessen, sondern die Kinder neben der Schule dazu animieren, nach draußen zu gehen.