Vorbeugen ist besser als Heilen: Eine Vielzahl an unterschiedlichen Faktoren kann das Risiko für die Entwicklung einer Herz- oder Gefäßerkrankung erhöhen. Sie zu identifizieren und umfassend zu behandeln, ist das Ziel des neu gegründeten „Zentrums für Prävention von Herz- und Gefäßerkrankungen“, das am UKM an die Kardiologie angebunden ist, aber mit vielen Fachrichtungen zusammenarbeitet.
Münster (ukm/lwi) – Herzkreislauferkrankungen stellen in Deutschland die häufigste Todesursache dar – laut Statistischem Bundesamt ließen sich im vergangenen Jahr knapp 34 Prozent der Todesfälle auf sie zurückführen. Präventionsmaßnahmen können hier also Leben retten oder zumindest verlängern. Und mehr noch: Menschen mit erhöhten kardiovaskulären Risiken müssen bei umfassender Prävention weniger häufig behandelt werden. Doch die zahlreichen Risikofaktoren immer ausreichend im Blick zu haben, ist sowohl für die Betroffenen als auch für Ärztinnen und Ärzte nicht immer einfach. Um diesen „blinden Fleck“ sichtbarer zu machen, wurde das „Zentrum für Prävention von Herz- und Gefäßerkrankungen“ in der Klinik für Kardiologie I am UKM (Universitätsklinikum Münster) gegründet. Dafür haben sich Dr. Katrin Gebauer, Fachärztin für Innere Medizin und Angiologie sowie Lipidologin, und Prof. Hannes M. Findeisen, Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie sowie kardiovaskulärer Präventivmediziner, mit weiteren Kolleginnen und Kollegen zusammengeschlossen und eine Zertifizierung der „European Association of Preventive Cardiology“ als Präventionszentrum angestrebt – mit Erfolg. Seitdem arbeiten sie noch gezielter mit verschiedenen Einrichtungen des UKM zusammen. Darunter etwa die Medizinischen Kliniken B und D, das Institut für Sportmedizin, die UKM-Apotheke, Ernährungsmedizin oder die Geburtshilfe. „Durch die vielseitige interdisziplinäre Zusammenarbeit können wir ein breites Spektrum an Fachexpertise anbieten, um eine maßgeschneiderte Behandlung der kardiovaskulären Risikofaktoren zu ermöglichen“, fasst Gebauer die noch jungen Arbeitsstrukturen zusammen.
Wer also beispielsweise aufgrund eines Herzinfarktes oder peripherer arterieller Verschlusskrankheit (Verkalkungen der Schlagadern) vom Hausarzt überwiesen wird oder wegen fortbestehender Risikofaktoren – wie Diabetes oder Bluthochdruck – wiederkehrend in Behandlung ist, kann im Zentrum nicht nur speziell mit Blick auf seine Risiken untersucht, sondern dann auch fachübergreifend behandelt werden. „Die zahlreichen Risikofaktoren erfordern eine individuelle Behandlung, die wegen ihrer Komplexität gerade im ambulanten Bereich nicht immer sichergestellt werden kann“, erläutert Findeisen die Motivation hinter der Zentrumsgründung. „Viele der Patientinnen und Patienten, die wir hier sehen, sind dahingehend nicht optimal eingestellt. Gleichzeitig hat sich medizinisch sehr viel weiterentwickelt, die Optionen sind also vielfältiger geworden, so dass wir als Uniklinik mit unserer Expertise häufig gut weiterhelfen können.“ Alle Faktoren, die zu erhöhten Risiken für Herz und Gefäße führen, sollen gebündelt betrachtet und dann ganzheitlich weiter versorgt werden, um (erneute) kardiovaskuläre Ereignisse zu vermeiden – egal, ob etwa eine Nierenfunktionseinschränkung, eine Fettstoffwechselstörung oder Übergewicht ursächlich dafür sind. Präventiv selbstständig veränderbare Faktoren können durch Anbindung an die Ernährungs- oder Sportmedizin adressiert werden.
Junge Frauen im Blick: Patientinnen mit Schwangerschaftsvergiftung haben auch nach Geburt erhöhtes Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall
Ein weiteres Augenmerk liegt auf der Zusammenarbeit mit der Geburtshilfe, deren Notwendigkeit sich aus aktuellen Studienerkenntnissen ergibt: So wurde festgestellt, dass schwangere Frauen mit Präklampsie (umgangssprachlich auch „Schwangerschaftsvergiftung“) nach der Schwangerschaft ein erhöhtes Risiko für einen Herzinfarkt oder Schlaganfall haben. Auch für diese Patientinnen ist daher eine Beratung geplant. Zudem wird im Zentrum auch die medikamentöse Einstellung von Patientinnen und Patienten in den Blick genommen. Ist die Dosierung gut an die Organfunktionen angepasst? Gibt es ungewollte Interaktionen verschiedener Arzneimittel? Lässt sich eine Manifestation unerwünschter Nebenwirkungen vermeiden? Diese und weitere Fragen stehen dann im Rahmen einer strukturellen Arzneimittelanalyse in der UKM-Apotheke im Mittelpunkt.
„Die vielen Faktoren gemeinsam im Blick zu haben, Betroffenen eine nachhaltige Behandlung anzubieten und so wiederkehrende Interventionen zu minimieren, ist nicht nur für die individuelle Gesundheit, sondern auch aus sozio-ökonomischer Sicht sinnvoll“, fasst Gebauer die Vorteile des neuen Zentrums zusammen.