Bild: Auf die künftigen Studierenden des Bachelor-Studiengangs Hebammenwissenschaft freuen sich zusammen mit den dafür verantwortlichen Mitarbeiterinnen (v.l.n.r.: Frauke Wagener, Sandra Kroner-Beike und Felizitas Dirkmann) auch der Dekan der Medizinischen Fakultät Prof. Frank Ulrich Müller (2.v.l.) und der Ärztliche Direktor des UKM Prof. Alex W. Friedrich (Foto: WWU/M. Heine).

Münster (mfm/sw) – Ob die Bezeichnung aus dem Althochdeutschen stammt und für „Großmutter“ steht oder ob sie auf die „Hebende“ zurückgeht, ist noch ungeklärt. Was allerdings klar ist: Hebammen kommen künftig aus Hochschulen. Eine EU-Richtlinie sieht die vollständige Akademisierung des Berufes bis Ende 2022 vor; an die Stelle der Hebammenschulen tritt ein Bachelorstudium mit hohem Praxisanteil. Das soll den Beruf attraktiver machen und die Ausbildung noch besser. Auch die Westfälische Wilhelms-Universität (WWU) Münster arbeitet an ihrem ersten Studiengang Hebammenwissenschaft: „Zum 1. Oktober soll es mit den ersten 24 Studierenden losgehen“, sagt die leitende Hebamme Sandra Kroner-Beike, die mit zwei Kolleginnen die inhaltlichen und organisatorischen Vorbereitungen trifft.

Die Premiere erfordert aufwändige Vorkehrungen, denn die Besonderheiten des neuen Studiengangs, der an der Medizinischen Fakultät der WWU angesiedelt sein und dual laufen wird, stellen die Zuständigen vor neue Herausforderungen. „Es muss nicht nur ein akademisches Konzept ausgearbeitet, sondern auch eine ausreichende Zahl von Praxispartnern gefunden werden. Diese müssen den gesetzlichen Vorgaben und beruflichen Ansprüchen gerecht werden – das braucht seine Zeit“, erläutert Kroner-Beike.

Als Kooperateur „gesetzt“ und damit zentraler Vertragspartner der Medizinischen Fakultät ist das Universitätsklinikum Münster (UKM). Es wird als Knotenpunkt eines Netzwerkes fungieren, das weit ins Münsterland hineinreicht und das neue Studium auch zu einer regionalen Angelegenheit macht. „Für jeden Studienplatz ist ein Praxisplatz für die notwendigen 2.200 Stunden pro Person erforderlich. Das UKM wird daher Kooperationsverträge mit weiteren Kliniken, vornehmlich Akademischen Lehrkrankenhäusern der WWU, sowie mit freiberuflichen Hebammen abschließen“, so Kroner-Beike. Die Suche danach sei kein Selbstläufer, denn durch die Akademisierung seien die Partner auch selbst gefordert: Die gesetzlichen Vorgaben – das Hebammengesetz und die zugehörige Prüfungsverordnung – sehen sogenannte „qualifizierte Praxisanleitungen“ vor. Das heißt: Die Praxispartner müssen teils Personal weiterqualifizieren und benötigen zusätzlich mehr Mitarbeitende. „Diesen Anforderungen in Zeiten des Personalmangels gerecht zu werden, gleicht einer Mammutaufgabe“, seufzt Kroner-Beike
Das UKM als verantwortliche Praxiseinrichtung plant eine Koordinationsstelle für alle Studierenden, um so viele Prozesse für die Beteiligten der berufspraktischen Ausbildung zu vereinfachen. Die Lehre liegt in der Hand der WWU. Zusammen mit Sandra Kroner-Beike treiben Frauke Wagener und Felizitas Dirkmann, beide ebenfalls akademisierte Hebammen und kürzlich für den Aufbau des neuen Studiengangs eingestellt, die Entwicklung des Curriculums voran. Parallel läuft mit Hochdruck das Berufungsverfahren für die ebenfalls neu eingerichtete Professur für Hebammenwissenschaft; die Probevorträge der Bewerberinnen und Bewerber haben bereits stattgefunden.

Der gesetzliche Rahmen grenzt die Medizinische Fakultät bei der Entwicklung des Curriculums eng ein – eine Herausforderung. Aber Freiraum für eigene Vorstellungen der Akademisierung bleibt trotzdem – und wird genutzt. So konzipierte Sandra Kroner-Beike ein fachübergreifendes und individuell wählbares Modul, in dem die Studierenden Erkenntnisse aus einer anderen akademischen Disziplin in die Hebammentätigkeit übertragen. „Zur Auswahl stehen zum Beispiel die Sport- und Erziehungswissenschaften“, sagt Sandra Kroner-Beike. Hebammen seien eng in die Familie eingebunden und mit unterschiedlichen sozialen und gesellschaftlichen Perspektiven und Herausforderungen konfrontiert, die über das Kerncurriculum hinausgehen. „Wir ermöglichen einen Perspektivwechsel und damit eine mögliche Weiterentwicklung des Hebammenberufes“.

Einen besonderen Fokus soll der Bachelor-Studiengang an der WWU auf die Forschung legen: „Den Studierenden das Rüstzeug mitzugeben, dass sie ihren Beruf – und das über den Studienabschluss hinaus – stets am aktuellen Stand der Wissenschaft ausrichten, ist die Kernkompetenz einer Universität“, betont der Studiendekan der Medizinischen Fakultät, Prof. Bernhard Marschall. Er sieht seine Fakultät hervorragend gerüstet für die Hebammenwissenschaft: „Wir haben langjährige Erfahrungen mit innovativen Lehrprojekten und mit einer integrativen interprofessionellen Ausbildung“, erläutert der Mediziner und verweist unter anderem auf das „Studienhospital Münster“.

Bevor es in einigen Monaten losgeht, muss Marschalls Studiengangs-Team noch viel curriculare Arbeit, aber auch Organisatorisches erledigen. So stehen neben der Akkreditierung und berufsrechtlichen Genehmigung des Studienprogramms derzeit die Beschaffung von Modellen und Materialien für die Praxisübungen im Simulations-Kreißsaal sowie der Aufbau einer hebammenspezifischen Fachliteratur-Sammlung oben auf der Agenda.

Infos für Studieninteressierte:
Bewerben können sich Interessierte für das kommende Wintersemester von Anfang Mai bis zum 15. Juli; das Verfahren läuft online. Bei Annahme des Studienplatzes wird von Seiten des UKM ein Vertrag über die akademische Hebammenausbildung reserviert, so dass die eigene Suche nach einem passenden Praxispartner entfallen kann. Mehr Informationen zum B.Sc. Hebammenwissenschaft gibt es auf der Website des Studiengangs sowie in Online-Info-Veranstaltungen (nächster Termin: 28.03.2022).