Bild: Prof. Barbara Suwelack ist kürzlich in den Vorstand der Deutschen Transplantationsgesellschaft gewählt worden ist. Sie ist zudem ehemalige leitende Oberärztin der Transplantationsnephrologie (Nierentransplantation) am UKM und Leiterin des in Münster ansässigen Deutschen Lebendspende Registers. (Foto © UKM)

„2024 wird ein wichtiges Jahr für die Transplantation und für die Lebendorganspende“, sagt Prof. Barbara Suwelack. Die Leiterin des Deutschen Lebendspende Registers, das 2019 in Münster entstanden ist, blickt gespannt auf mögliche Änderungen wie die Widerspruchslösung und die Aufhebung des „Verbundenheits-“ und des „Subsidiaritätsprinzips“.

Münster (ukm/lwi) – Wenig Spender, lange Wartezeiten für Betroffene. Wer in Deutschland auf ein Spenderorgan wartet, steht im europäischen Vergleich statistisch eher mittelmäßig dar. Die Gründe dafür sind vielseitig, doch einige der Stellschrauben könnten in diesem Jahr vom Gesetzgeber bewegt werden. „Nach 25 Jahren ist das Transplantationsgesetz in seiner jetzigen Form nicht mehr zeitgemäß“, sagt Prof. Barbara Suwelack, die im Oktober in den Vorstand der Deutschen Transplantationsgesellschaft gewählt worden ist. Die ehemalige leitende Oberärztin der Transplantationsnephrologie (Nierentransplantation) am UKM (Universitätsklinikum Münster), die vor zwei Jahren zum (eigentlichen) Ruhestand die Patientenversorgung an ihren Nachfolger Prof. Stefan Reuter übergeben hat, setzt sich in dieser neuen Vorstandsrolle, aber auch in ihrem Amt als Leiterin des Deutschen Lebendspende Registers, das seit 2019 in Münster ansässig ist, stark für eine Reform des Transplantationsgesetzes ein. Entsprechend gespannt blickt sie auf mögliche Gesetzesänderungen, die derzeit im Bundesgesundheitsministerium erarbeitet werden. Einen Bereich stellt dabei eine Umstellung von der Entscheidungs- auf eine Widerspruchslösung dar, die bedeuten würde, dass alle Menschen in Deutschland nach Feststellung des Hirntodes als potenzielle Organspender gelten, sofern sie nicht selbst aktiv zu Lebzeiten widersprochen haben, oder von den Angehörigen ein ihnen bekannter Widerspruch übermittelt wird. Das würde die Arbeit in den Kliniken vielerorts erleichtern. So sind allein am UKM viele Mitarbeitende als Organspendebeauftragte der jeweiligen Klinik, etwa in der Inneren Medizin, Chirurgie und Intensivmedizin, im Einsatz. Zudem gibt es mit Dorothee Lamann und Dr. Jan Englbrecht klinikübergreifende Transplantationsbeauftragte. „Im Idealfall gäbe es dadurch einen klareren Überblick über die Entscheidung von potenziellen Spendern“, sagt Suwelack. Heute müssen häufig die Hinterbliebenen entscheiden, weil nicht bekannt ist, ob und wie die Verstorbenen sich zur Organspende positioniert haben. In vielen Fällen lehnen die Angehörigen eine Spende in dieser schwierigen Situation dann ab.

Ein weiterer Wunsch: „Wir sehen insbesondere der Abkehr vom »Subsidiaritätsprinzip« hoffnungsvoll entgegen“, sagt Suwelack mit Blick auf die Versorgung nierenkranker Menschen. Derzeit ist die Lebendorganspende der Spende von Verstorbenen nachgeordnet. Betroffene müssen erst bei Eurotransplant, der Vermittlungsstelle für Organspenden, gelistet sein und eine Lebendnierenspende darf erst erfolgen, wenn es dort kein Organangebot eines Verstorbenen gibt. „Das Nachrangigkeitsprinzip sollte ursprünglich den Spendenden schützen, aber warum sollten Lebendspender nicht freiwillig und gegebenenfalls altruistisch spenden können und so die Eurotransplant-Warteliste und damit auch die Gemeinschaft entlasten?“, fragt Suwelack. Schließlich hätten nicht alle Erkrankten einen passenden Lebendspender. Zur Einordung: Von 10.454 Nierenerkrankten in der Warteliste haben im Jahr 2023 1514 Personen eine Niere von einer verstorbenen Person erhalten und 608 weitere Transplantationen sind nach Lebendspenden realisiert worden.

Erweiterung des Spenderkreises in vielen Ländern Europas schon üblich

Ein weiteres – und aus Sicht von Suwelack überholtes – Prinzip ist das der Verbundenheit: Wer hierzulande eine Niere spenden möchte, muss mit dem Empfänger in einem verwandtschaftlichen oder besonders nahen Verhältnis stehen. Zeichnet sich jedoch ab, dass das Spender-Empfänger-Paar immunologisch nicht zueinander passt und die erkrankte Person die Niere abstoßen würde, ist schnelle Hilfe auf diesem Weg nicht mehr möglich. Die Ablehnungsquote bei der Lebendspende ist daher hoch. Abhilfe könnten hier Über-Kreuz-Lebendspenden (Cross-Over-Spenden) schaffen. Eine Nierenspende ist dabei nicht nur unter sich nahestehenden Menschen möglich, sondern auch kreuzweise zwischen zwei fremden, passenden Paaren. Ziel sei eine Erweiterung des Spenderkreises und eine Erhöhung der Spendenzahlen bei der Lebendorganspende in Deutschland, so wie in den meisten EU-Ländern bereits üblich, betont Suwelack. Wie bei allen Lebendspenden entscheiden sich auch bei der Cross-Over-Spende alle Beteiligten bewusst, individuell und freiwillig dafür.

Lebendspender nicht vergessen

„Wir dürfen die Lebendspender nicht vergessen, müssen vordringlich ihren Schutz garantieren und eine gute Nachsorge gewährleisten“, erinnert Suwelack. Dazu trage vor allem das Deutsche Lebendspende Register bei. „Das Register bietet erstmals valide Daten zum Langzeit-Outcome und zu den Risiken der Lebendspende. Weltweit einzigartig ist, dass auch wichtige psychosoziale Aspekte der Lebendspende erfasst werden. Nur mithilfe dieser Daten können wir eine umfängliche individualisierte Aufklärung für Lebendspender bieten und Risiken vermeiden“, sagt Suwelack. Da die Förderung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung mit dem Jahr 2024 ausläuft, wird aktuell mit Hochdruck nach Verstetigungsmöglichkeiten gesucht.

Weitere Informationen zum Thema unter Organspende | Uniklinik Münster (ukm.de) und auf den Seiten des Deutschen Lebendspende Registers SOLKID-GNR Start (uni-muenster.de).