Akute Leukämie: Studie belegt den Stellenwert der zeitnahen Stammzelltransplantation

Akute Leukämie: Studie belegt den Stellenwert der zeitnahen Stammzelltransplantation

Bild: Prof. Matthias Stelljes, Leiter des Stammzelltransplantationsprogramm der Medizinischen Klinik A am UKM und Forscher an der Medizinischen Fakultät der WWU Münster – Foto (UKM/Wibberg).

Behandlungsergebnisse stellen weltweiten Therapie-Standard im Falle eines Rückfalls oder eines frühen Therapieversagen in Frage

Münster (ukm/maz) – Wenn zwischen einer Krebsdiagnose, Stammzelltransplantation und Beginn der Nachsorge nur wenige Monate liegen, werden Patientinnen und Patienten mit Akuter Myeloischer Leukämie (AML) nicht nur mehrwöchige, stationäre Chemotherapien erspart. In Zeiten von Ressourcenengpässen durch Personalmangel und Bettensperrungen profitieren auch die Kliniken und können wiederum anderen Patientinnen und Patienten schneller gerecht werden. Dass dieser Weg einer zeitnahen Stammzelltransplantation zukunftsweisend ist, zeigte jetzt eine bundesweite Studie* der Unikliniken Dresden und Münster, an der Prof. Matthias Stelljes aus Münster maßgeblich beteiligt war. Im Rahmen des von ihm geleiteten Stammzelltransplantationsprogramm der Medizinischen Klinik A am UKM (Universitätsklinikum Münster) werden Patientinnen und Patienten bereits nach der neuen Therapie-Strategie behandelt.

Herr Prof. Stelljes, aktuell sieht der weltweite Therapie-Standard bei Akuter Myeloischer Leukämie (AML) vor, dass Patientinnen und Patienten, die auf die erste Therapie nicht angesprochen haben, durch eine drei bis vierwöchige intensive Chemotherapie mit stationärem Aufenthalt eine Komplettremission – eine vorläufige vollständige Zurückdrängung der Erkrankung – erreicht werden sollte, bevor eine Stammzelltransplantation erfolgen kann. Sie sprechen sich nun gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen des Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen Dresden für eine sofortige Transplantation aus. Worauf basiert diese Empfehlung?
Wir haben eine Studie mit 281 erwachsenen AML-Patienten gemacht, die nach dem Zufallsprinzip in zwei Gruppen eingeteilt wurden. Bei Gruppe 1 wurde in Vorbereitung auf die Transplantation versucht, eine Komplettremission zu erzielen. Bei Gruppe 2 erfolgte bei Vorliegen eines Spenders eine zwölftägige vorbereitende Therapie und anschließende sofortige Stammzelltransplantation. Das leukämiefreie Überleben ein Jahr nach der Transplantation zeigte keine signifikanten Unterschiede zwischen beiden Gruppen (69 % vs. 71,5 %), ebenso wie das Gesamtüberleben ein Jahr (71,9 % vs. 69,1 %) und drei Jahre nach Studieneinschluss (54,2 % vs. 51 %).

Einmal ganz allgemein gefragt: Welchen Stellenwert hat eine Transplantation mit Blick auf die Therapieoptionen bei AML?
Die allogene Stammzelltransplantation ist die effektivste Behandlungsmöglichkeit bei Patienten mit therapieresistenter oder wiederkehrender AML. Die bislang angestrebte vorherige Komplettremission ist jedoch selbst mit intensiven Chemotherapien nur bei etwa 50 Prozent der Betroffenen überhaupt erreichbar. Ist die entsprechende Behandlung nicht erfolgreich, erhalten Patienten oft weitere Therapien mit ähnlich unbefriedigenden Erfolgschancen statt einer direkten Transplantation.

Ihre Empfehlung scheint damit nicht nur eine neue Chance für viele Patientinnen und Patienten zu sein, sondern klingt auch weniger belastend. Oder fällt die vorbereitende, wenn auch verkürzte Therapie stärker aus?
Nein, es ist quasi die gleiche vorbereitende Therapie, die die Patienten bisher auch direkt vor der Stammzelltransplantation im Nachgang der konventionellen intensiven Chemotherapie erhalten haben. Im Regelfall war diese sogenannte Konditionierungstherapie dann sechs bis sieben Tagen und nur, wenn der Patient nicht darauf angesprochen hat, haben wir sie auf elf Tage gesetzt. Bei einer sofortigen Transplantation, die wir aufgrund der Ergebnisse nun grundsätzlich empfehlen würden, setzen wir diese elf- bis zwölftägige Konditionierungstherapie direkt als Standard an.

Wie verhält es sich mit der Nachsorge? Ist der neue Ansatz tatsächlich eine Verkürzung der Therapie oder am Ende lediglich eine Verlagerung?
Patienten erhalten nach der Transplantation die übliche intensivere Nachsorge, mindestens für drei Jahre nach Transplantation, wie sonst auch. Die bisher vorangegangene zusätzliche Chemotherapie bei initialen Therapieversagen oder Rückfall der Leukämie entfallen gänzlich. Dies bedeutet, dass die Dauer der stationären Therapie um etwa vier Wochen verringert wird.

Wenn die Ergebnisse, wie Sie mit Ihren Kolleginnen und Kollegen sagen, weltweit die Therapie verändern werden: Wo wird es zu den größten Auswirkungen kommen?
Mit dieser Studie ist klar belegt, dass bei Chemotherapie-refraktärer AML (Akuter Myeloischer Leukämie) eine schnelle Transplantation angestrebt werden sollte und damit ist das Ergebnis höchst relevant für alle Kliniken und Zentren weltweit. In den USA wird sie zum Beispiel großen Einfluss haben. Dort werden Patienten derzeit nur selten transplantiert, wenn keine Komplettremission gelungen ist. Wir konnten jetzt zeigen, dass es falsch ist, betroffenen Patienten eine Stammzelltransplantation vorzuenthalten, die vielfach die einzige Chance auf Heilung bedeutet. Das wird zu einem Umdenken führen.

Und wie werden diese Auswirkungen generell in Kliniken spürbar sein?
Das Wichtigste ist in der heutigen Zeit, in der wir aufgrund diverser Faktoren im Krankenhaus begrenzte Ressourcen wie Fachkräfte und Betten haben, dass wir diese bestmöglich einsetzen, um dem Behandlungsbedarf aller Patienten gerecht zu werden. Wenn wir auf eine drei bis vierwöchige stationäre Chemotherapie verzichten können, wird eindrucksvoll klar, dass wir Betroffenen nicht nur viel Leid ersparen, sondern welche Kapazitäten sich daraus für die schnellere Behandlung anderer Patienten ergeben.

Apropos Schnelligkeit: Wie lange dauert eigentlich eine Spendersuche?
Wir in Münster kalkulieren mit zwei bis drei Wochen. Diese kurze Suchdauer ist dadurch möglich, dass wir am UKM eine eigene Sucheinheit haben. Deshalb ist meine klare Empfehlung: Die Spendersuche muss standardisiert mit der Erstdiagnose erfolgen, das wird aktuell vielerorts leider noch nicht gemacht.

Die vorbereitende Therapie beginnt aber dennoch erst, wenn der Spender gefunden ist.
Das ist richtig. Aufgrund der erfreulicherweise hohen Matching-Quote nach wenigen Tagen schaffen wir es mit den elf bis zwölf Tagen der vorbereitenden Therapie eine Transplantation innerhalb eines Monats ab Indikationsstellung. Das ist bei einer Krebsdiagnose nicht nur medizinisch gesehen sensationell, sondern vor allem auch für die Patienten ein nicht zu unterschätzender Vorteil, weil die schockierende Erstnachricht schnell von der Therapie und anschließenden Nachsorge abgelöst wird.

Da in einigen deutschen Krebszentren und auch in Münster nun bereits nach diesen Erkenntnissen gehandelt wird: Können Sie noch einen Ausblick geben, ab wann Patientinnen und Patienten flächendeckend von diesen Ergebnissen profitieren oder müssen noch weitere, möglicherweise größere Studien folgen?
Unsere Studie war ja nicht die erste Studie, wir hatten schon gute Belege, die auf eine gleichberechtige Wirksamkeit hingedeutet haben. Bisher lag aber noch keine randomisierte klinische Studie vor, also in der die allein zufallsbedingte Zuweisung der individuellen Therapie erfolgte. Es ist aber unter wissenschaftlicher Betrachtung keine weitere Studie notwendig, um das Ergebnis zu bestätigen, sodass davon auszugehen ist, dass die internationalen Therapie-Standards möglichst bald an die neuen Erkenntnisse angepasst werden.

* M. Stelljes et al.: In Patients with Relapsed/Refractory AML Sequential Conditioning and Immediate Allogeneic Stem Cell Transplantation (allo-HCT) Results in Similar Overall and Leukemia-Free Survival Compared to Intensive Remission Induction Chemotherapy Followed By Allo-HCT: Results from the Randomized Phase III ASAP Trial

Die Studie wurde vom Universitätsklinikums Carl Gustav Carus Dresden und am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen Dresden (NCT/UCC) geleitet, von der DKMS als arzneimittelrechtlicher Sponsor ermöglicht und organisiert und von der Studienallianz Leukämie (SAL) und der Kooperativen Deutschen Transplantationsstudiengruppe getragen.

UKM eröffnet Eltern-Baby-Tagesklinik

UKM eröffnet Eltern-Baby-Tagesklinik

Bild: Stehen im Team hinter der Eltern-Baby-Tagesklinik: (v.l.) Prof. Georg Romer (Kinder-und Jugendpsychiatrie), Martina Frankenberg (Pflege), Dipl.-Psych. Dr. Marius Janßen und Prof. Udo Dannlowski (Klinik für Psychische Gesundheit) – Foto (UKM/Wibberg).

Die Zeit nach der Geburt eines Kindes sollte für Familien eigentlich mit die schönste in ihrem Leben sein. Doch nicht immer gelingt ein harmonischer Start in das gemeinsame Familienleben mit dem Neugeborenen. Die Gründe dafür können vielfältig sein: Psychische Probleme insbesondere der Mutter oder auch Anpassungsstörungen auf Seiten des Kindes können zu einer frühzeitig gestörten Interaktion führen. Die neue Eltern-Baby-Tagesklinik am UKM will Eltern einen Ausweg aus dieser krisenhaften Situation bieten. Mütter wie Sarah B. hoffen auf Rat, der ihnen den Umgang mit ihrem Baby leichter macht.

Wege aus der familiären Anspannung

Münster (ukm/aw) – Felix ist ein Wunschkind. Lange haben seine Eltern auf ihn warten müssen und erst durch eine künstliche Befruchtung wurde Sarah Bauer* nach zwei Fehlgeburten wieder schwanger. „Von Anfang an war ich darauf bedacht, dass die Schwangerschaft auf jeden Fall erhalten bleibt und war extrem vorsichtig bei allem“, erzählt sie. Familiäre Streitigkeiten machten die Situation der werdenden Mutter nicht leichter. Es folgte ein überstürzter Umzug in eine als ungeeignet empfundene Wohnung, verbunden mit dem Gefühl, dem Kind nicht wie erhofft ein schönes Nest bieten zu können.

Auch Felix‘ Start ins Leben war alles andere als bilderbuchhaft – während der schwierigen und langen Geburt wurden zwischenzeitlich seine Herztöne schlecht; nach der Geburt wurde bei dem Baby schnell eine Trinkschwäche diagnostiziert. Die Probleme schienen sich aufzuaddieren, als das Kind in den ersten Wochen kaum an Gewicht zunahm. „Felix wollte von Anfang an nicht richtig saugen“, sagt Sarah Bauer rückblickend. „Er hat immer den Kopf weggedreht. Am Ende habe ich ihn nur noch im abgedunkelten Raum gestillt, wenn er schlief. Ich fühlte mich auf die Ernährungsfunktion reduziert, ging nirgends mehr hin“ ergänzt sie. Eine Stillberatung habe zwar etwas geholfen – und trotzdem blieb das Gefühl, es insgesamt nicht alleine hinzubekommen. Sarah Bauer schildert die Situation zuhause mit dem ersehnten Baby „wie eine einzige große Krise“. In jedem Detail, das sie erzählt, spürt man die Anspannung, unter der sie auch jetzt noch – neuneinhalb Monate nach Felix‘ Geburt – steht.

„Mütter wie Frau Bauer machen sich selbst großen Druck, haben Versagensängste oder fühlen sich als schlechte Mutter“ weiß Univ.-Prof. Georg Romer, Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychosomatik und -psychotherapie. Aufgrund der permanenten Überforderungssituation mit dem Säugling kann es, insbesondere wenn dauerhafter Schlafmangel dazu kommt, auch zu ablehnenden oder aggressiven Reaktionen der Eltern gegenüber ihrem Kind kommen. „Die Scham, für das Baby vermeintlich nicht gut zu sein, egal, was man auch versucht, ist vornehmlich bei Müttern groß. In einer solchen Situation der gleichzeitig anhaltenden Erschöpfung und Dauerbeanspruchung wird eine behandlungsbedürftige Depression einer Mutter oft sehr lange nicht als solche erkannt – mit fatalen Folgen für Mutter und Kind“, so Romer. Die Mütter fühlen sich hilflos und diese Unsicherheit wirkt sich als Stressreaktion auf beiden Seiten aus. Ein Teufelskreis entsteht, mit der Gefahr, dass sich ein dauerhaft belastetes Eltern-Kind-Verhältnis über Jahre verfestigt und auch beim Kind zu psychischen Erkrankungen führt.

In dieser Situation steht Eltern – auch Väter können betroffen sein – ab Mai die Eltern-Baby-Tagesklinik am UKM zur Verfügung. Sie bietet zwölf Behandlungsplätze (sechs Eltern / sechs Kinder) für psychisch erkrankte Eltern mit Säuglingen und Kleinkinder im Alter von null bis drei Jahren.

„Unser Angebot richtet sich sowohl an Eltern, bei denen schon vor der Geburt eine psychische Erkrankung oder Belastung bestand, als auch an Eltern, bei denen die Geburt Auslöser für psychische Störungsbilder war“, sagt Univ.-Prof. Udo Dannlowski, Direktor der Sektion Transitionspsychiatrie der Klinik für Psychische Gesundheit. „Wir betrachten Mutter und Kind zusammen mit den Expert*innen der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie in einem multiprofessionellen Team aus ärztlichen und psychologischen Kolleg*innen sowie Ergotherapeut*innen und Pflegenden. Postnatale Depressionen, aber auch jegliche andere postpartale psychische Belastung auf Seiten der Eltern sowie Regulationsstörungen beim Säugling werden gemeinschaftlich in den Blick genommen. Behutsam versuchen wir, schwierige Verhaltensmuster aufzulösen und verbessern langsam die Eltern-Kind-Interaktion“, erklärt Dannlowski.

Ob exzessives Schreien, Schlafstörungen oder Fütterprobleme: Betroffene Familien können sich mit allen in Zusammenhang mit der Geburt stehenden psychischen Belastungen sowie sich manifestierenden Bindungsstörungen im Umgang mit ihrem Kind zunächst an die gemeinsame Sprechstunde wenden. „Wir geben in dieser weichenstellenden Lebensphase für das Familienleben Unterstützung und wollen Wege aus der Krise aufzeigen“, so Romer und Dannlowski unisono.

Bei Sarah Bauer wurde nach dem Besuch der Sprechstunde eine mittlere depressive Episode in Folge der schwierigen Begleitumstände der Geburt und der Fütterungsstörung bei Felix diagnostiziert. Eine leichte Ernüchterung klingt immer noch mit, wenn sie sagt: „Ich hatte mir das Stillen immer so schön vorgestellt. Dass das alles so schwer sein kann, das sagt einem niemand, damit hätte ich nie gerechnet.“

Inzwischen steht die junge Mutter mit Felix auf der Warteliste für das neue Tagesklinikangebot, das ab Mai greift. Dann will sie mit ihrem Erstgeborenen den Weg hin zu einer gelingenden Familie neu beschreiten.

Organspende: Bekannter Wille fördert Zustimmung von Angehörigen erheblich

Organspende: Bekannter Wille fördert Zustimmung von Angehörigen erheblich

Bild: Laut Repräsentativbefragung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) im Jahr 2020 würden 71 Prozent der Befragten, die bereits eine Entscheidung getroffen haben, einer Organspende zustimmen.

Die deutschen Organspenderzahlen sind im internationalen Vergleich gering. Der Frage, welchen Einfluss ein Entschluss zu Lebzeiten auf die Entscheidung für eine Organspende hat, gingen die Transplantationsbeauftragen der sieben NRW-Universitätskliniken Münster, Düsseldorf, Essen, Aachen, Köln, Bielefeld und Bonn nach. Bei einer schriftlichen Willensbekundung lag die Zustimmungsrate mit 70 Prozent deutlich höher, als wenn Angehörige allein nach eigener Wertvorstellung entscheiden mussten. Die Ergebnisse der Studie wurden kürzlich im Deutschen Ärzteblatt veröffentlicht.

Münster/NRW (ukm) – Laut Repräsentativbefragung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) im Jahr 2020 würden 71 Prozent der Befragten, die bereits eine Entscheidung getroffen haben, einer Organspende zustimmen. „Eine derart hohe Zustimmungsrate fanden wir bei den von uns analysierten Patienten nur dann, wenn sie sich schriftlich zum Thema Organspende, zum Beispiel mittels eines Organspendeausweises, geäußert hatten“, berichtet Prof. Dr. Martin Söhle, Transplantationsbeauftragter am Universitätsklinikum Bonn (UKB). „Insgesamt war die Zustimmungsrate zu einer Organspende an den NRW-Uniklinika mit 38 Prozent nur etwa halb so hoch wie in den Umfragen berichtet.“

Um der Ursache dafür auf den Grund zu gehen, wurden in der Studie 289 Todesfälle mit Hirnschädigung genauer angeschaut, die zwischen dem 1. Juni 2020 und 30. Juni 2021 in den Universitätskliniken Aachen, Bielefeld, Bonn, Düsseldorf, Essen, Köln und Münster identifiziert wurden. Dabei interessierten sich die sieben Transplantationsbeauftragten für die Zustimmungsrate zur Organspende und den Einfluss der Entscheidungsgrundlage darauf. Dazu erfragten sie Willensbekundungen der potentiellen Organspender bei Angehörigen, Betreuenden und Hausärzten und sichteten alle verfügbaren Dokumente. Eine Zustimmung zur Organspende gab es in 110 Fällen, davon 30 in schriftlicher Form.

Auch die Zahlen an der Uniklinik Münster belegen: Organspendeausweis fördert Umsetzung des eigenen Willens und hilft Angehörigen

Bei einer vorhandenen schriftlichen Willensbekundung ergab die NRW-Studie eine hohe Zustimmungsrate von 70 Prozent, ähnlich wie in Umfragen der BZgA. Die Zustimmungsrate sank auf 49 Prozent, wenn alle Personen mit schriftlicher oder mündlicher Willensbekundung berücksichtigt wurden. Ist der Willen eines möglichen Organspenders aber unbekannt, so müssen die Angehörigen allein entscheiden. Eine Situation, die auch der Transplantationsbeauftragte des Universitätsklinikums Münster (UKM), Dr. Jan Englbrecht, aus seiner täglichen Arbeit kennt. „Die wenigsten potenziellen Spender haben ihren Willen in Form eines Organspendeausweises zuvor festgelegt und wenn den Angehörigen der Wille unklar ist, lehnen diese eine Spende dann zumeist ab“, erklärt der Mediziner und plädiert gemeinsam mit seinen Kolleginnen und Kollegen dafür: „Den Entschluss für oder gegen eine Organspende sollte ein jeder für sich selbst treffen und dokumentieren, um dadurch seine Angehörigen, die ansonsten in dieser schweren Zeit des Abschiednehmens und Trauerns die Entscheidung für oder gegen eine Organspende treffen müssen, zu entlasten.“ In der NRW-Studie hatten jedoch nur 14 Prozent der potenziellen Spender einen Organspendeausweis. Gemäß der BZgA-Umfrage wäre dies jedoch bei 44 Prozent der Bevölkerung zu erwarten gewesen.

Für Englbrecht steht mit Blick auf die Studienergebnisse außer Frage, dass in Deutschland nochmals über die gesetzlichen Grundlagen und Anforderungen der Organspende diskutiert werden muss. „Die Maßnahmen aus dem Gesetz zur Stärkung der Entscheidungsbereitschaft haben offensichtlich bisher keinen positiven Effekt auf die Organspendezahlen und die Dokumentation einer Entscheidung zur Spende. Deshalb sehen auch wir es als notwendig an, die Einführung einer Widerspruchslösung erneut zu diskutieren.“

Publikation:
Englbrecht, Jan Sönke; Schrader, Daniel; Kraus, Holger; Schäfer, Melanie; Schedler, Dirk; Bach, Friedhelm; Söhle, Martin: Willensbekundungen und Zustimmungen zur Organspende in sieben NRW-Universitätskliniken; Dtsch Arztebl Int 2023; DOI: 10.3238/arztebl.m2022.0367 [Link]

Ergänzende Informationen:
Interview mit Dr. Jan Englbrecht vom 17.01.2023: Einbruch bei der Zahl der Organspenden in 2022: Pandemie sorgt für rückläufige Spendezahlen

UKM verleiht den ersten DAISY Award

UKM verleiht den ersten DAISY Award

Bild: Stehen im Team hinter der Eltern-Baby-Tagesklinik: (v.l.) Prof. Georg Romer (Kinder-und Jugendpsychiatrie), Martina Frankenberg (Pflege), Dipl.-Psych. Dr. Marius Janßen und Prof. Udo Dannlowski (Klinik für Psychische Gesundheit) – Foto (UKM/Wibberg).

DAISY Award: Anerkennung für ausgezeichnete Pflege

Anfang März wurde am UKM zum ersten Mal der DAISY Award – die internationale Auszeichnung für exzellente Pflege – verliehen: Erster Preisträger ist Gesundheits- und Krankenpfleger Martin Beerhorst von der onkologischen Tagesklinik. Der Überraschungsbesuch auf der Station 15 B West ist gelungen: Als die Geschichte, mit der eine Angehörige ihn „für sein außergewöhnliches Engagement“ in der Pflege nominiert hatte, vorgelesen wurde, war nicht nur der Preisträger selbst, sondern das gesamte Team zu Tränen gerührt.

Münster (ukm/ik) – Es herrscht normaler Betrieb in der onkologischen Tagesklinik, als Pflegedirektor Thomas van den Hooven zusammen mit Pflegedienstleitung Anna-Lena Reuter und den Kolleginnen aus dem DAISY-Team um 11 Uhr auf der Station 15 B West erscheinen. Gesundheits- und Krankenpfleger Martin Beerhorst weißt noch nicht, dass er heute für seine außergewöhnlichen Leistungen in der Pflege mit dem ersten DAISY Award am UKM (Universitätsklinikum Münster) ausgezeichnet wird. Es soll eine Überraschung werden.

(UKM/Heine): "Für sein außergewöhnliches Engagement" erhält Gesundheits- und Krankenpfleger Martin Beerhorst von der onkologischen Tagesklinik den ersten DAISY Award am UKM.

„Für sein außergewöhnliches Engagement“ erhält Gesundheits- und Krankenpfleger Martin Beerhorst von der onkologischen Tagesklinik den ersten DAISY Award am UKM.

Der DAISY Award ist ein internationales Anerkennungsprogramm, das die besondere Arbeit von Pflegenden auf der ganzen Welt ehrt und würdigt. Pflegedirektor Thomas van den Hooven freut sich, mit der Einführung dieser Auszeichnung am UKM die Wertschätzung für jede einzelne Preisträgerin und jeden einzelnen Preisträger auf diese Weise zum Ausdruck zu bringen: „Der DAISY Award ist ein Zeichen der Anerkennung und des Dankes für die exzellente Arbeit, die unsere Kolleginnen und Kollegen in der Pflege leisten. Tag für Tag stehen sie mit viel Fürsorge und Empathie allen Patientinnen und Patienten zur Seite und leisten einen enormen Beitrag zur hohen Qualität der Patientenversorgung am UKM. Das soll Gehör finden.“

Inzwischen hat sich das gesamte Team am Rondell versammelt, als Martin Beerhorst aus einem Patientenzimmer mit zwei leeren Kartons in der Hand herauskommt. „Was geschieht hier?“, fragt er sichtlich überrascht, als das gesamte Team anfängt, zu applaudieren. Pflegedirektor van den Hooven gratuliert als erster und übergibt ihm den Award – die aus Serpentin gefertigte Figur „Healer’s Touch“, die die besondere Verbindung zwischen Pflegenden und Patient*innen symbolisiert. Als die Geschichte, für die Pflegender Martin Beerhorst von einer Angehörigen nominiert wurde, vorgelesen wird, ist nicht nur er selbst, sondern das gesamte Team zu Tränen gerührt:

„Als mein Ehemann die Diagnose Krebs erhielt, war ich dankbar für die Zeit, die sich Herr Beerhorst für all meine Fragen genommen hat. Nicht nur das, denn er hat sich sogar bei Ärzten für mich kundig gemacht. Eine Brücke hergestellt, zu der ich mental gar nicht mehr in der Lage gewesen wäre. Sein Engagement war wirklich außergewöhnlich. Er redet nicht drum herum, er ist ehrlich und schafft es trotzdem, Zuversicht zu vermitteln.“

„Dieser Moment, als die Geschichte vorgelesen wurde, hat mich sehr berührt. Man hört zwar immer wieder Dankesworte von den Patienten, aber das hier ist eine ganz besondere Art, Danke zu sagen“, erzählt Martin Beerhorst. Der in Dülmen geborene 54-Jährige hat seine Ausbildung 1999 am UKM abgeschlossen und war seitdem auf unterschiedlichen Stationen im Einsatz, bis er vor fünf Jahren zur onkologischen Tagesklinik wechselte.

Seit Anfang des Jahres können sowohl Patient*innen und ihre Angehörigen als auch Kolleg*innen aller Berufsgruppen am UKM eine Pflegefachperson mit ihrer Geschichte für den DAISY Award nominieren. Um möglichst objektiv und neutral vorzugehen, werden alle eingegangenen Nominierungen zentral gesammelt und zunächst anonymisiert. Die Einreichungen werden von einem Nominierungs-Komitee bestehend aus Vertreter*innen verschiedener Bereiche der Pflege mit Hilfe eines Kriterienkatalogs begutachtet. Monatlich wird eine Pflegefachperson ausgewählt und diese erhält den DAISY Award am UKM.

Durch minimal-invasiven Mitralklappen-ersatz wieder leistungsfähig

Durch minimal-invasiven Mitralklappen-ersatz wieder leistungsfähig

Bild (v.l.n.r.): Herzchirurg Dr. Heinz Deschka und seine beiden Kollegen aus der Klinik für Angeborene Herzfehler (EMAH) und Klappenerkrankungen, Dr. Gerrit Kaleschke und Prof. Stefan Orwat, haben für Patient*innen mit Mitralklappen-Insuffizienz ein neues innovatives Verfahren im Einsatz. – Foto (UKM/Heine).

Mitralklappen – Mit einem minimal-invasivem Verfahren können undichte Herzklappen seit Ende des vergangenen Jahres am UKM (Universitätsklinikum Münster) ohne Operation am offenen Herzen wieder „abgedichtet“ werden. Mit Hilfe der Tendyne™-(Mitral)Klappenprothese kann eine Fehlfunktion der Mitralklappe zwischen dem linken Vorhof und der linken Herzkammer behoben werden. Die Spezialisten aus dem UKM-Herzzentrum implantieren die Mitralklappenprothese einfach per Herzkatheter – und Betroffene können im wahrsten Sinne des Wortes aufatmen.

Münster (ukm/aw) – Für Patientinnen und Patienten mit Mitralklappeninsuffizienz ist die größte Schwierigkeit im Alltag die anhaltende Luftnot. Ob bei körperlicher Anstrengung oder teils auch nur beim Sprechen: Durch die Fehlfunktion der Mitralklappe, die im Normalfall wie ein Ventil funktioniert, bleibt Betroffenen schnell die Luft weg. In der Folge sind sie nicht mehr recht belastungsfähig – es droht akute Sauerstoffunterversorgung bei körperlicher Belastung und auf lange Sicht die Entwicklung einer Herzschwäche.

Für Patienten mit einer solchen Fehlfunktion der Mitralklappe, für die jedoch aufgrund des zu hohen persönlichen Risikos eine Operation am offenen Herzen keine Option darstellt und eine kathetergestütze Reparatur technisch nicht möglich ist, bietet die Tendyne™-(Mitral)Klappenprothese jetzt die dringend benötigte alternative minimal-invasive Therapie. „Früher haben sich diese Patientinnen und Patienten einer Operation am offenen Herzen unterziehen müssen – mit allen dazugehörigen Risiken. Erst seit Kurzem steht uns Herzspezialisten das innovative Tendyne™-System zur Verfügung. Es schließt die derzeit bestehende Behandlungslücke zwischen der Transkatheter-Mitralklappenreparatur (MitraClip) und einem konventionellen herzchirurgischen Eingriff am Herzen“, sagt, Dr. Heinz Deschka, Oberarzt in der Klinik für Herz- und Thoraxchirurgie am UKM.

Über einen kleinen Schnitt auf der linken Seite des Brustkorbs wird diese neuartige, nur circa 1,5 Zentimeter große Prothese am schlagenden Herzen über einen Katheter direkt an der erkrankten Klappe eingesetzt. Insgesamt dauert dieser Eingriff etwa zwei Stunden und wird durch Klappenspezialisten des interdisziplinären Herzteams gemeinsam durchgeführt.

In spezialisierten Zentren wurden bisher weltweit etwa 1.500 Patienten mit diesem neuartigen Verfahren behandelt. Studienergebnisse zeigen eine deutliche Linderung der Symptome und eine nachhaltige Verbesserung der Lebensqualität. „Dieses neuartige Verfahren spiegelt die Philosophie der Herzmedizin am UKM gut wieder. Durch eine enge interdisziplinäre Kooperation können wir allen Patienten entsprechend ihres Krankheitsbildes eine individuell abgestimmte Therapie anbieten“, schließen Prof. Stefan Orwat und Oberarzt Dr. Gerrit Kaleschke, beide Oberärzte der Klinik für Kardiologie III: Angeborene Herzfehler (EMAH) und Klappenerkrankungen am UKM und Experten für interventionelle Therapie.