Bild: Nach einem längeren Aufenthalt auf einer Intensivstation brauchen Patientinnen und Patienten eine Anlaufstelle: Darum kümmern sich Prof. Melanie Meersch-Dini und Dr. Mahan Sadjadi in der UKM-Ambulanz für intensivmedizinische Nachsorge. (Foto: UKM)

Deutschlandweit gibt es bisher lediglich zwei Anlaufstellen dieser Art: Die Ambulanz für Intensivmedizinische Nachsorge am UKM ist auf die Behandlung von gesundheitlichen Langzeitfolgen nach einem längeren Aufenthalt auf einer Intensivstation spezialisiert. Denn ehemalige Dauer-Intensivpatientinnen und -patienten haben häufig nicht nur mit den psychischen Folgen einer Zeit zu kämpfen, in der sie selbst handlungsunfähig waren und ihr Überleben auf der Kippe stand, sondern auch mit organischen Langzeitfolgen. Viele Betroffene unterschätzen mögliche gesundheitliche Konsequenzen und verzichten auf weitere medizinische Behandlung.

Münster (ukm/aw) – Ein Herzinfarkt, ein Unfall mit Hirnblutung, eine Sepsis: Gründe dafür lange Zeit auf einer Intensivstation zu liegen, gibt es viele. Doch so sehr die individuell ursächlichen Diagnosen sich auch unterscheiden mögen – was Patientinnen und Patienten im Schnitt nach bereits einer Woche intensivmedizinischer Behandlung gemeinsam haben, ist die Gefahr, weiter abzubauen und danach nie wieder an den gewohnten gesundheitlichen Zustand anknüpfen zu können. „Die sozialen Kosten sind für diese Patientinnen und Patienten sehr hoch. Viele wollen einfach nur wieder nach Hause, können sich aber nur schwer oder gar nicht wieder in ihr gewohntes Leben integrieren. Oft bleiben sie erwerbsunfähig und erreichen das alte Leistungsniveau nicht auch nur annähernd“, sagt Prof. Melanie Meersch-Dini, Leiterin der Ambulanz für intensivmedizinische Nachsorge und Oberärztin der Klinik für Anästhesiologie, operative Intensivmedizin und Schmerztherapie am UKM (Universitätsklinikum Münster). „Unsere Patientinnen und Patienten liegen meist beatmet und sediert bei uns. Doch schon nach vier Tagen Aufenthaltsdauer zeigen sich alleine die körperlichen Auswirkungen, die unter anderem mit einem Abbau der Muskulatur verbunden sind“, sagt die Intensivmedizinerin.

Fast alle der Betroffenen klagten nach Abschluss der Behandlung aber auch über mittlere bis starke kognitive Einschränkungen, beispielsweise verbunden mit dauerhaften Konzentrationsstörungen oder dem gefürchteten Chronischen Fatigue-Syndrom (CFS). „Eine große Operation oder ein intensivpflichtiges Ereignis ist immer mit dem Risiko eines Delirs behaftet, vor allem bei Älteren. Das kann sich noch einige Wochen oder sogar Monate nach Abschluss der Behandlung in abgeschwächter Form fortsetzen“, sagt Meersch-Dini.

In der Folge kann einer schleichenden Demenzentwicklung Vorschub geleistet werden. Weitere körperliche Folgen eines langen Intensiv-Aufenthalts sind beispielsweise sich einstellendes chronisches Organversagen bei Niere oder Leber oder auch eine bleibende Herzinsuffizienz, entstehen kann ein sogenanntes Post Intensive Care Syndrom (PICS). Es fasst körperliche wie psychische Langzeitfolgen eines Aufenthalts auf einer Intensivstation zusammen und kann die Lebensqualität direkt beeinflussen.

Betroffene werden in der UKM-Ambulanz vollständig durchgecheckt und erhalten einen Fahrplan für die sich anschließende Behandlung. Dabei wird gegebenenfalls dann auch das familiäre Umfeld mitbehandelt: Die psychischen Folgen des Bangens um den geliebten Menschen haben nämlich auch Auswirkungen auf die Angehörigen.

Während in Deutschland PICS als komplexe Diagnose kaum hinterlegt ist, ist das Syndrom in Großbritannien anerkannt. Dort ist es etabliertes Konzept, die Patientinnen und Patienten nach einem Intensivaufenthalt von vier Tagen einer sich anschließenden ambulanten Weiterbehandlung zuzuführen. Dieses erfolgreiche Konzept greife man mit der Ambulanz für Intensivmedizinische Nachsorge auf. „Wir sind deutschlandweit neben der Charité das zweite Universitätsklinikum mit einer solchen Ambulanz“, sagt Assistenzarzt Dr. Mahan Sadjadi, der Meersch-Dini in der UKM-Ambulanz unterstützt. Beide Intensivmediziner glauben, dass der Behandlungsstandard von PICS sich langfristig durchsetzen wird, auch wenn PICS als Komplikation post-intensivmedizinische Behandlung derzeit noch gar nicht im deutschen Gesundheitssystem abgebildet ist. „Wir nehmen wahr, dass immer mehr Intensivmediziner unseren Ansatz teilen und auch selbst verwenden wollen. Nötig ist dazu eine breit aufgestellte medizinische Kompetenz, wie sie am UKM natürlich mit Fachabteilungen aller Art vertreten ist“, so Meersch-Dini.

Interessierte wenden sich unter der Telefonnummer 0251 – 83 44088 (Fr. Wessels) an die Ambulanz für Intensivmedizinische Nachsorge. Alternativ unter der Mailadresse: afin@ukmuenster.de