„Die Einsamkeit wird mit der Zeit wirklich happig!“

Gerontopsychiatrische Beratung der Alexianer legt Jahresbericht 2021 vor. Bedarf an psychosozialer Unterstützung ist nochmals gestiegen.

„Corona hat deutlich beigetragen zur Verschlechterung meines Befindens. Corona hat mich isoliert, ich fühle mich sehr allein. Ich bin froh, dass ich bis jetzt ohne Depression durchgekommen bin.“ (88-jähriger alleinlebender Mann)

„Ich habe dreimal die Woche Sport gemacht vor Beginn von Corona. Und war regelmäßig wöchentlich beim Gedächtnistraining. Das ist jetzt alles weggefallen. Das fehlt mir sehr.“ (81-jährige alleinlebende Frau)

„Man kann ja nichts machen. Die Spannungsfelder zu Hause sind groß. Und mir fehlt der Ausgleich draußen in meinen Gruppen.“ (Ehemann einer 78-jährigen Frau mit Demenz)

Dies sind nur einige Beispiele, die aufzeigen, wie stark das Leben von älteren Menschen auch im Jahr 2021 noch durch die Pandemie geprägt war. Gleichzeitig bleiben die vorher bereits existenten Probleme und Herausforderungen bestehen und werden durch die sozialen Folgen der Corona-Maßnahmen oft noch potenziert.

So zeigt der jüngst vorgelegte Jahresbericht der Gerontopsychiatrischen Beratung der Alexianer in Münster, dass die Nachfrage nach Beratung und Unterstützung im Vergleich zum Vorjahr nochmals angestiegen ist: Insgesamt wurden 1.552 Einzel- und Gruppenberatungen durchgeführt, das sind genau 100 mehr als 2020.

Ein konkretes Indiz für den gestiegenen Bedarf ist auch die Zahl der Folgeberatungen: Waren es 2020 noch 812 Beratungskontakte, bei denen Angehörige, Erkrankte oder Bezugspersonen mehr als einmal Unterstützung erfuhren, so fanden im Berichtsjahr 931 Folgeberatungen statt, das bedeutet eine Steigerung um 15 Prozent. Dr. Birgit Leonhard, Mitarbeiterin der Beratungsstelle, macht den Hintergrund klar: „Dass etwa betreuende Angehörige zwei- und mehrmals eine Beratung in Anspruch nehmen, zeigt auch den Bedarf an psychosozialer Begleitung und Unterstützung: Die Themenvielfalt reicht von der Kommunikation mit einem erkrankten Familienmitglied über die Auseinandersetzung mit Schuldgefühlen bis zur Bereitschaft für die Annahme von Hilfe.“

Ein Großteil der mehrmaligen Beratungskontakte bestand in Telefonanrufen, die durch die Gelegenheit zum Gespräch mit einem vertrauensvollen Zuhörer oft zu einer psychischen Stabilisierung der Klient*innen beitragen konnten. „Durch regelmäßige Kontaktaufnahme versuchen wir sowohl Angehörige als auch Alleinlebende in dieser herausfordernden Zeit zu stützen und zu begleiten“, so Leonhard.

Auch bei der Zahl der fallbezogenen Beratungen von Betroffenen ist ein Zuwachs zu beobachten, und zwar von 223 im Jahr 2020 auf 264 im Jahr 2021. Als besonderes Angebot konnten im vergangenen Jahr auch etliche Klient*innen zu Hause beraten werden: 2021 wurden 34 Hausbesuche durchgeführt. „Hier handelt es sich überwiegend um alleinlebende ältere Menschen, die an einer Depression erkrankt sind oder an Einsamkeit, Trauer oder Ängsten leiden. Durch die lang andauernde Pandemie mit ihren vielfältigen Folgen steigt die soziale Isolation. Es fehlen ihnen Tagesstruktur, Ansprache sowie Sinngebung durch das Miteinander und den Austausch mit anderen Menschen. Diese Personen sind besonders in Gefahr, eine Verschlechterung ihres Zustandes zu erleben“, so Christiane Heymer, ebenfalls Mitarbeiterin der Beratungsstelle. „Mit unseren verschiedenen Formen der Kontaktpflege versuchen wir sie hier etwas aufzufangen.“ Die Hausbesuche und andere Maßnahmen wurden durch eine Projektförderung des Landesministeriums ermöglicht. Dank dieser Unterstützung, die insgesamt für 13 Monate bis Ende September 2021 gewährt wurde, konnte eine zusätzliche Fachkraft beschäftigt und unter anderem die aufsuchende Beratungstätigkeit ausgebaut werden.

Gerontopsychiatrische Beratung der Alexianer in Münster

Der Ausblick auf das Jahr 2022 ist einerseits von Hoffnung auf weitergehende Öffnungen, etwa für Kurse und Vorträge, geprägt. Andererseits gilt es, ein besonderes Jubiläum zu begehen: Die Beratungsstelle wird im Sommer 30 Jahre alt. Dazu ist ein Tag für Angehörige und interessierte Bürger*innen am 16. August 2022 im Franz-Hitze-Haus geplant. Für alle Anliegen und Fragen rund um psychische Erkrankungen im Alter sind die Mitarbeiterinnen der Beratungsstelle telefonisch oder nach Terminabsprache vor Ort zu erreichen: (0251) 5202-27671. [Gerontopsychiatrische Beratung: Bei Fragen sind wir für Sie da! ]