Seit rund drei Wochen werden bei Kindern weltweit Fälle von Leberentzündung (Hepatitis) beobachtet, die nicht auf eine Infektion mit Hepatitis-Viren zurückzuführen sind. Nach einem ersten auch in Deutschland nachgewiesenen Fall verschafft sich das Robert-Koch-Institut (RKI) nun einen Überblick, ob es weitere Fälle gibt. Eltern sollten sich aber trotzdem keine unnötigen Sorgen machen, so Dr. Thomas Kaiser, Oberarzt in der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am UKM (Universitätsklinikum Münster).
Münster (ukm/aw) – Weltweit sind bisher knapp 200 Fälle von schwerer Hepatitis mit unbekannter Ursache bekannt geworden, vor allem im angloamerikanischen Raum. In einigen wenigen Fällen führte die Leberentzündung bei den betroffenen Kindern zu akutem Organversagen mit der Notwendigkeit der Lebertransplantation. „Auch in Deutschland gibt es bislang wenige Verdachtsfälle“, so Kaiser, fügt aber einordnend hinzu, dass man den jeweiligen Ursachen aber zunächst auf den Grund gehen müsse.
Auf eine ungewöhnliche Häufung von schweren Leberentzündungen bei Kindern war man zunächst in Schottland aufmerksam geworden. Dort gibt es in normalen Jahren im Schnitt etwa acht Hepatitis-Fälle, bei denen nicht ursächlich Hepatitis-Viren, sondern andere Erreger der Auslöser sind. Seit Jahresbeginn waren es nun aber bereits 10 Fälle. Bei einer Fallerhebung für ganz Großbritannien stellte sich dann heraus, dass es in den ersten Wochen des Jahres insgesamt rund 120 Hepatitisfälle unklarer Genese gegeben hat – eine ungewöhnliche Häufung für so eine begrenzte Region.
Auch die Mediziner der UKM-Kinderklinik bekommen deswegen besorgte Rückfragen von Eltern. Kaiser sieht jedoch ausdrücklich keinen Anlass zur Besorgnis, plädiert allenfalls für Aufmerksamkeit. „Eine Leberentzündung ist in erster Linie ein Symptom und kann bei verschiedensten Erregern mit milden Symptomen typischerweise auftreten. Erst bei einer sich entwickelnden Gelbsucht mit Gelbverfärbung der Augen oder der Haut sollten Eltern das Kind bei ihrem Kinderarzt vorstellen.“
Nach der Ursache der unklaren Hepatitis-Fälle wird nun weltweit geforscht – der ursprüngliche Verdacht, die Häufung könnte in Zusammenhang mit dem SARS-CoV-2-Virus oder den Impfungen gegen das Virus stehen, wurde inzwischen weniger wahrscheinlich. Stattdessen gibt es Hinweise, dass ggf. eine Untervariante des Adenovirus, das normalerweise Magen-Darm-Erkrankungen oder Erkältungen verursachen kann, verantwortlich sein könnte. „Adeno-Viren sind eigentlich harmlos. Es kann sehr gut sein, dass einige der jetzt bekannt gewordenen Hepatitis-Infektionen deswegen so schwer verlaufen, weil wir in den letzten gut zwei Jahren der Pandemie sehr wirkungsvoll unsere Kontakte eingeschränkt haben. Das Immunsystem der Kinder, die sich normalerweise gerade in den ersten Lebensjahren ständig mit vielerlei Keimen auseinandersetzen, ist nicht mehr trainiert“, so Kinder- und Jugendmediziner Kaiser.
Durch die Lockerungen seien die Kinder jetzt einer Vielzahl von Keimen ausgesetzt, mit denen sie sich erstmals auseinandersetzen müssten und die dann im Einzelfall zu schweren Infektionen führen könnten. Etwas Ähnliches habe man im vergangenen Herbst mit dem RS-Virus erlebt. Damals mussten die Kinderkliniken, wie auch das UKM, viele Kinder mit schweren Atemwegsinfekten aufnehmen.