„Cannabis-Legalisierung könnte zu mehr Psychose-Fällen führen“

„Cannabis-Legalisierung könnte zu mehr Psychose-Fällen führen“

Bild: Prof. Bernhard Baune spricht über die Cannabis-Legalisierung aus medizinsicher Sicht (Foto © rgbspace)

Münster (ukm/lwi.) – Nach langem Ringen und zuletzt einiger Ungewissheit steht es jetzt fest: Ab dem 1. April (Ostermontag) kommt die Cannabis-Legalisierung. Im Interview spricht der Direktor der Klinik für Psychische Gesundheit am UKM, Prof. Bernhard Baune, über Gefahren des Konsums und Auswirkungen auf den Klinik-Alltag.

Im Interview spricht der Direktor der Klinik für Psychische Gesundheit am UKM, Prof. Bernhard Baune, über Gefahren des Konsums und Auswirkungen auf den Klinik-Alltag.Herr Prof. Baune, wie bewerten Sie die Legalisierung von Cannabis?
Prof. Bernhard Baune: Cannabis kann Vor- und Nachteile haben. Vorteile in bestimmten medizinischen Bereichen, Nachteile vor allem bei bestimmtem psychischen Erkrankungen. Einerseits ist eine Legalisierung günstig, um zu entkriminalisieren, oder den Konsum in soziale Formen zu gießen – wobei das nicht heißen muss, dass er reduziert wird –, auf medizinscher Seite würde ich die Probleme für die psychische Gesundheit aber nicht unterschätzen.

Wann gilt der Konsum als gesundheitsgefährdend?
Baune: Gesundheitsgefährdend kann Cannabis generell immer sein. In der Regel ist das dosis- und konsumabhängig und es gibt natürlich auch Nebenwirkungen, die bei einer normalen Dosierung auftreten können: Das kann von Übelkeit oder Erbrechen zu anderen Nebenwirkungen führen wie Herzrasen, Blutdrucksteigerung, Blutdruckabfälle – also sehr konträre Wirkungen.

Wer ist besonders gefährdet?
Baune: Unsere Fachgesellschaft, die DGPPN (Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde) weist auf die Risiken hin, durch Cannabiskonsum Psychosen auslösen zu können, auf Konzentrationsschwierigkeiten, Müdigkeit und Schlappheit. Das ist für Menschen besonders gefährlich, wenn sie schon unter einer Psychose leiden oder ein hohes Risiko dafür haben. Auch bei Menschen mit einer Depression können psychotische Symptome auftreten. Häufig wird Cannabis ja auch eingenommen, um Angststörungen zu lindern. Dass Cannabidiol kann angstlösend wirken, gleichzeitig kann es aber auch Angst in Einzelfällen verstärken. Unruhe, Angstzustände, Schlafstörungen, das sind ja häufig Anlässe für junge Menschen, Cannabis einzunehmen – doch dafür ist es kein geeignetes Medikament.

Sie sprechen jungen Menschen an – was gibt es für die zu beachten?
Baune: Gerade beim jungen, sich entwickelnden Gehirn im Alter zwischen 14 und 25 Jahren etwa besteht eine erhöhte Anfälligkeit für die Entwicklung psychischer Erkrankungen. Da sehen wir auch die meisten Entwicklungen psychischer Erkrankungen im Entstehungsprozess. Wenn also schon konsumiert werden muss, dann nicht vor dem 25. Lebensjahr. Je höher das Lebensalter, desto weniger Nebenwirkungen wird man auf psychischer Seite haben.

Gibt es Anzeichen, bei denen man seinen Konsum hinterfragen und sich Hilfe holen sollte?
Baune: Anzeichen könnten sein, dass sich die Wahrnehmung verändert. Dass man das Gefühl hat, jemand verfolgt einen oder dass man paranoides Denken entwickelt; dass Dinge passieren, die man nicht erklären kann, oder man denkt, gewisse Dinge passieren nur ganz spezifisch für einen selbst: Ein Auto fährt dort entlang, nur weil ich jetzt gerade hier bin – so eine Art von Wahnentwicklung. Das sind alles Beispiele, bei denen wir noch nicht von einer Psychose oder Schizophrenie sprechen würden, aber von ersten Anzeichen psychotischen Erlebens. Da ist es wichtig, diese Symptome wahrzunehmen und sich ärztlich vorzustellen.

Gibt es Anzeichen, die für Eltern relevant sind?
Baune: Gerade im etwas jüngeren Lebensalter, wenn die Kinder noch zur Schule gehen oder im Rahmen einer Ausbildung oder eines Studiums noch zuhause wohnen, kann es sein, dass sie sich zurückziehen, sozial isolieren, sich in ihrem Zimmer einschließen und häufig den Kontakt zu den Eltern reduzieren oder abbrechen, obwohl man noch zusammen lebt. Das kann Hinweise dafür geben, dass vielleicht eine psychische Nebenwirkung aufgetreten ist. Dann sollten Eltern versuchen, Hilfe zu bekommen, da sie in so einer Situation auch überfordert sein können.

Was ändert sich mit der Legalisierung im Klinik-Alltag?
Baune: Das medizinische Cannabis, das es seit 2017 in Deutschland legal auf Rezept gibt, wird dadurch in keiner Weise berührt – weder eingeschränkt, noch erweitert. Medizinisch kann Cannabis Menschen mit schweren chronisch Erkrankungen oder Schmerzerkrankungen im Rahmen von Tumorerkrankungen helfen, aber auch bei einigen neurologischen Erkrankungen wie bestimmten Nervenstörungen wird es in seltenen Fällen eingesetzt. Cannabis wird aber immer nur in Einzelfällen verschrieben. Es ist also nicht für die breite Masse gedacht und an medizinische Bedingungen geknüpft.

Daten von größeren Studien zeigen aber, dass eine Legalisierung dazu beitragen kann, dass Psychosefälle gerade bei jungen Menschen häufiger werden. Menschen, die bislang davor zurückgeschreckt haben, probieren Cannabis dann vielleicht doch mal aus, weil es auch leichter zugänglich ist. Dementsprechend gibt es auch eine höhere Wahrscheinlichkeit, dass sie dann hier in der Klinik vorstellig werden. Das ist auch ein Grund, warum wir uns in der Suchtambulanz, in unserer Suchtsprechstunde, auch auf Cannabis fokussieren.

Weitere Informationen zum Thema Cannabis finden Sie unter dem Artikel: Cannabis für die Gesundheit
Schober-Stiftung spendet 40.000 Euro für Palliativ-Versorgung

Schober-Stiftung spendet 40.000 Euro für Palliativ-Versorgung

Bild: 40.000-Euro-Spende fördert Studie zur Verbesserung der palliativen Versorgung. Vorstandsvorsitzender Univ.-Prof. Hugo Van Aken (4.v.r.) und Geschäftsführer Dr. Christian Lingg (4.v.l.) von der Stiftung Universitätsmedizin bedanken sich bei dem Ehepaar Dr. Anna und Univ.-Prof. Otmar Schober (Mitte) für die Unterstützung. Mit dabei: Prof. Philipp Lenz (2.v.l.), Direktor der Palliativmedizin am UKM, und der Leiter der UKM-Apotheke, Dr. Christoph Klaas (r.), sowie weitere Mitarbeitende aus der UKM-Apotheke und des Palliativnetzes Münster. (Foto © UKM/Heine)

Münster – Eine interdisziplinäre Studie der Medizinischen Fakultät der Universität Münster und der Zentralen Einrichtung für Palliativmedizin am UKM (Universitätsklinikum Münster) soll Palliativ-Patientinnen und -Patienten den Übergang von stationärer zu ambulanter Versorgung erleichtern. So soll den Betroffenen in ihrer letzten Lebensphase eine Rückkehr nach Hause ohne den bekannten „Drehtür-Effekt“, also die ständige Wiederaufnahme in einer Klinik, ermöglicht werden. Auf der anderen Seite sollen aber auch drohende Versorgungslücken abgewendet werden. Die Schober-Stiftung fördert das palliativmedizinische Projekt „EntMedPall“ mit einer Spende in Höhe von 40.000 Euro an die Stiftung Universitätsmedizin Münster.

Nach einer stationären Behandlung im Krankenhaus besteht für Betroffene immer der Wunsch, möglichst schnell wieder in die vertraute häusliche Umgebung zurückzukehren. Das gilt insbesondere für Menschen mit fortgeschrittenen schwerwiegenden Erkrankungen, die eine stationäre palliative Versorgung erfordern. „Die meisten Patientinnen und Patienten möchten ihre letzte Lebensphase zu Hause verbringen und können die Entlassung kaum abwarten. Bei einer unzureichenden Planung besteht allerdings ein hohes Risiko von Versorgungslücken und einer ständigen Rückkehr in die Klinik“, erklärt Philipp Lenz, Leiter der Palliativmedizin im UKM.

Während dieser Übergänge von der stationären in eine ambulante Behandlung können sich immer wieder Hürden ergeben, die eine kontinuierliche Versorgung und damit die Gesamtsituation der Betroffenen erschweren, beispielsweise durch die fehlende Verfügbarkeit von Medikamenten. Arzneimittel dürfen von Krankenhäusern nicht für mehrere Tage mitgegeben werden, nicht alle Medikamente sind im ambulanten Bereich verschreibungsfähig und verordnete Medikamente können durch Lieferengpässe in den Apotheken auch einmal nicht vorrätig sein.

Die UKM-Apotheke bildet deshalb im Projekt „EntMedPall“ eine besondere Brücke, die einen lückenlosen Übergang in die ambulante Versorgung gewährleisten soll. „Durch eine interprofessionelle Abstimmung sollen Medikationspläne angepasst und mit den Patientinnen und Patienten sowie mit Angehörigen und Mitarbeitenden des Palliativnetzes besprochen werden, um so die bestmögliche Arzneimitteltherapie sicherzustellen“, erläutert Dr. Christoph Klaas, Leiter der UKM-Apotheke.

Die Schober-Stiftung sieht großes Potential in diesem Projekt und stellt dafür 40.000 Euro bereit. „Wir wollen mit der Unterstützung eine Brücke für Erwachsene mit lebensbegrenzenden Erkrankungen bauen und dazu beitragen, dass die Versorgungswege in der Palliativmedizin langfristig verbessert und gesichert werden“, betont Dr. Anna Schober von der Schober-Stiftung. Mit der Spende der Schober-Stiftung wird im Rahmen der Studie unter anderem über ein Jahr die Stelle einer Apothekerin finanziert.

Weiterhin wird der Entlass-Prozess von Palliativ-Patientinnen und -Patienten bezüglich der Arzneimitteltherapie standardisiert und umfangreich begleitet, wodurch weniger Rückfragen und Unklarheiten entstehen sollen. Hier erfolgt eine enge Zusammenarbeit und Abstimmung mit dem Palliativnetz Münster. Ziel ist es, mit der Optimierung der Arzneimitteltherapie auch das stationäre und ambulant tätige Personal zu entlasten. Vor allem aber sollen die Palliativ-Patientinnen und -Patienten profitieren: „Die Verbesserung der palliativen Versorgung ist eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe. Wir sind sehr dankbar für die großzügige Unterstützung der Schober-Stiftung und freuen uns, durch enge Zusammenarbeit die Verbindungen im palliativen Versorgungsnetz stärken zu können“, bekräftigt Univ.-Prof. Dr. med. Dr. h.c. Hugo Van Aken, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Universitätsmedizin Münster. Damit Betroffene in ihrer letzten Lebensphase nach einem Krankenhausaufenthalt reibungslos in das gewohnte Umfeld zurückzukehren können.

Therapietiere unterstützen die Behandlung von Kindern

Therapietiere unterstützen die Behandlung von Kindern

Bild: Die Therapietiere von Bianca Terhürne unterstützen die Behandlung von Kindern im Alexianer Clemenshospital Münster. Mit Pudel Lotti und Teacup-Schweinchen Peppa Wutz kuschelt ein Junge im Rollstuhl, der auf der kinderneurologischen Früh-Reha behandelt wird, am liebsten. (Foto: Clemenshospital)

Pudel und Schweinchen als tierische Therapeuten im Clemenshospital

Münster – Aufgeregt wuseln die Therapietiere: Pudel Flocke und Lotti durch das Spielzimmer der Station E2 im Clemenshospital. Die norwegische Waldkatze Feeli thront auf ihrem Kissen, das winzige Teacup-Schweinchen, Peppa Wutz, wartet in der Transportbox auf seinen Einsatz. Vier Meerschweinchen und zwei Kaninchen haben es sich auf dem Tisch gemütlich gemacht, den Bianca Terhürne mit Antirutsch- und Kuscheldecken präpariert hat.

Seit mittlerweile sechs Jahren gehört die tiergestützte Therapie einmal in der Woche zum Therapieprogramm der Kinderstationen im Clemenshospital. Auf der E2, der kinder-psychosomatischen Station und der kinderneurologischen Früh-Reha bringen die Vierbeiner von Bianca Terhürne Entspannung, helfen beim Abbau von Ängsten oder ermuntern zum Kuscheln.

Bianca Terhürne ist examinierte Krankenschwester und Fachkraft für Tiergestützte Intervention ISAAT (International Society for Animal Assisted Therapy). Das heißt, sie ist ausgebildet für Therapie, Pädagogik und Aktivitäten mit verschiedenen Tieren. Dazu verfügt sie über Sachkundenachweise nach dem Tierschutzgesetz. Auch die Tiere sind alle speziell ausgebildet und müssen ständig trainiert und weitergebildet werden, damit sie in der Therapie zum Einsatz kommen können. Terhürne betont: „Sie werden zu nichts gezwungen oder überredet – auch nicht mit Leckerli.“ Jedes einzelne Tier entscheide selbst, was es will und was nicht.
Karin Wrede, Heiltherapeutin im Clemenshospital, hat den Überblick, welche Kinder an diesem Tag für den Besuch der Tiere infrage kommen. „Dabei wird außer auf die medizinischen Aspekte selbstverständlich auch auf persönliche Vorlieben und Abneigungen Rücksicht genommen“, erklärt sie. Eine Information dazu geht vorab an Bianca Terhürne, damit sich die für den jeweiligen Tag geeignetsten Tiere auf den Weg zum Clemenshospital machen.

Die Kinder kommen mit ihren Eltern oder allein. Bevor sie das Spielzimmer für die Therapiestunde betreten, müssen sie einen Einmal-Kittel anziehen und sich die Hände desinfizieren. Die Therapie findet in Kleingruppen statt, immer zwei an einem Vormittag.

In der zweiten Gruppe sind heute zwei Jungen und ein Mädchen dabei. Während der jüngere Junge mit Pudel Lotti begeistert Leckerli-Suchen spielt, hat das Mädchen ihre anfängliche Scheu vor Tieren ganz allmählich, mit den Meerschweinchen überwunden. Sie macht lockende Geräusche vor deren Holzhäuschen-Versteck und streichelt, wenn sich eines der Tiere zeigt.

Der ältere Junge im Rollstuhl genießt derweil sichtlich die Nähe von Pudel Flocke und Teacup-Schweinchen Peppa Wutz (Therapietiere). Die Tiere auf dem Schoß vergräbt er die anfangs noch verkrampften Finger in Fell und Borsten. Auch seinen Kopf versucht er mit viel Mühe so zu drehen, dass er Flocke und Peppa Wutz besser sehen kann. „Die Tiere motivieren, auch mal Dinge zu versuchen, von denen die Kinder eigentlich dachten, sie klappen nicht“, verweist Karin Wrede auf einen wichtigen Punkt, mit dem Tiere die eigentliche Therapie unterstützen. Als Bianca Terhürne eine Spieluhr startet, fallen dem Jungen und den beiden Tieren schließlich – ganz entspannt – die Augen zu. Die Mutter des Jungen ist sichtlich erleichtert und freut sich mit ihrem Sohn über diese bereichernden Momente.

Bianca Terhürne ist schon lange mit den Alexianern verbunden. Vor ihrer Selbstständigkeit war sie 2000 bis 2015 als Stationsleitung und Fachkrankenschwester für Allgemeine Psychiatrie auf dem Alexianer-Campus in Amelsbüren tätig. Mit einem Hund und Eseln startete sie dort 2005 ihren Weg in die Tiergestützte Intervention, bevor sie sich 2015 komplett selbstständig machte. Außer im Clemenshospital ist sie nun auch an verschiedenen Schulen, in Kindertagesstätten, Altenhilfeeinrichtungen und therapeutischen Einrichtungen für Menschen mit Behinderung, im Maßregelvollzug, in Hospizen, in der Jugendhilfe, sowie im Rahmen von Fortbildungen und Teamtagen tätig. Finanziert werden ihre Besuche im Clemenshospital durch den Henri-Thaler-Verein, der sich für schwerkranke Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsene sowie deren Eltern engagiert.

Nach zwei Gruppenstunden mit jeweils 40 Minuten ist der Besuch der Therapietiere im Krankenhaus vorbei. Sie machen es sich wieder in ihren Boxen und Käfigen gemütlich und treten im Wagen von Bianca Terhürne die Heimreise an. Zurück im Clemenshospital bleiben entspannte Kinder, denen die Tiere im Krankenhaus den Tag versüßt und sie mit neuer Motivation wieder in den Klinikalltag entlassen haben.

Weitere Informationen zur tiergestützten Therapie finden Sie unter anderem bei Wikipedia
Pflege: Trainings für angehende Pflegefachpersonen und Medizinstudierende

Pflege: Trainings für angehende Pflegefachpersonen und Medizinstudierende

Bild: Teilnehmende des Trainings beobachten die Visite, die Medizinstudierender Mark Schlarmann durchführt, aus dem Nebenraum mit einer semitransparenten Scheibe. (Foto: UKM/Wibberg)

Welche Aufgaben hat welche Berufsgruppe? Wie schafft man es, auf Augenhöhe zu kommunizieren? Die Bedeutung der interprofessionellen Zusammenarbeit in den Pflege- und Gesundheitsberufen wird immer deutlicher. Im „Simulationskrankenhaus“ Studienhospital Münster lernen angehende Pflegefachpersonen bereits in der Ausbildung zusammen mit Medizinstudierenden in interprofessionellen Teams, wie sie ihre Fähigkeiten effektiv kombinieren können, um später in der Praxis die bestmögliche Patientenversorgung zu gewährleisten.

Münster (ukm/ik) – „Fehler sind hier erlaubt“, sagt Karina Sensen, Kursleiterin an der Schule für Pflegeberufe am UKM. Das sechsköpfige Team aus der Medizinischen Fakultät der Universität Münster und der Schule für Pflegeberufe am UKM (Universitätsklinikum Münster) hat eine geschützte Lernumgebung geschaffen, in der Auszubildende in der Pflege und Studierende der Humanmedizin in den ersten Austausch kommen und gemeinsam an Simulationspatientinnen und –patienten üben können. „Es geht dabei inhaltlich weniger um die optimale medizinische Behandlung, sondern viel mehr um den Dialog zwischen den beiden Professionen“, führt Sensen weiter aus. Entstanden ist die Idee aus dem zweitägigen Visitentraining der Medizinstudierenden, das bei ihnen schon länger auf dem Lehrplan steht: „Wir sind da mit eingestiegen, so dass am zweiten Tag die interprofessionelle Zusammenarbeit im Fokus steht. Unser Ziel ist es, dass alle Auszubildenden während ihrer dreijährigen Ausbildung am UKM dieses Training einmal absolviert haben“, so Sensen.

„Dieses Training ist eine gute und wichtige Abwechslung zum Theorieunterricht“, berichtet Theresa Rohde, Auszubildende in der Pflege. Bevor es ans Patientenbett geht, findet ein ausführliches Briefing statt. Teilnehmende lernen sich kennen und lesen sich in den Patientenfall ein. Der Tag ist auf die Minute durchgetaktet: Jeweils eine Auszubildende bzw. ein Auszubildender und eine Studierende bzw. ein Studierender aus dem Team gehen nacheinander in ein Gespräch mit Simulationspatientinnen und -patienten und erledigen professionstypische Aufgaben. Während sie die Visite durchführen, schauen und hören andere Teilnehmende aus dem Nebenraum mit einer semitransparenten Scheibe zu und machen fleißig Notizen. Abschließend diskutiert jede Gruppe, was gut und nicht besonders gut gelaufen ist, und was man verbessern würde. „Jede Profession hat ihren eigenen Fokus und guckt anders auf den Patienten. Zum Beispiel behandelten wir im ersten Fall eine Patientin mit Handgelenkfraktur. In unseren Reflexionsgesprächen stellten wir dann fest, dass jede Berufsgruppe wichtige Aspekte einbrachte, an die die anderen vielleicht nicht gedacht hätten. Diese Erfahrungen haben uns definitiv neue Erkenntnisse und Blickwinkel ermöglicht“, so die 24-Jährige.

Pflege: Reflexionsgespräche sind ein wichtiger Bestandteil des Trainings. (Foto: UKM/Wibberg)

Bild: Reflexionsgespräche sind ein wichtiger Bestandteil des Trainings. (Foto: UKM/Wibberg)

Solche Aha-Erlebnisse wie ‚das könnt ihr?‘ oder ‚darin seid ihr gut?‘ sind genau das, was dieses Training von den anderen praktischen Übungen unterscheidet. Wertvoll sei zudem das ausführliche Feedback von den Simulationspatientinnen und -patienten, wie sie sich im Gespräch mit den Auszubildenden der Pflege und den Medizinstudierenden gefühlt haben. „Es ist sehr hilfreich, zu hören, wie der Patient dich im Gespräch wahrnimmt. So was hört man selten in der Praxis“, sagt Mark Schlarmann, Medizinstudent im 5. Fachsemester. Der frühzeitige Dialog soll die Entwicklung einer gegenüber den anderen Professionen wertschätzenden Identität fördern, damit später examinierte Pflegefachpersonen und junges ärztliches Personal einander mit Respekt auf Augenhöhe begegnen und Stärken der anderen Professionen zum Wohl der Patientinnen und Patienten nutzen können.

Arzneimittel richtig eingesetzt: Gegen bittere Pillen hilft trainieren

Arzneimittel richtig eingesetzt: Gegen bittere Pillen hilft trainieren

Bild: Jetzt auch an der Medizinischen Fakultät: Das bewährte ATMS-Konzept wurde von Gesundheits- und Krankenpfleger Dominik Lüttgen (2.v.l.) und Tutorin Hanna Gesthuysen für die universitäre Lehre angepasst. Auch Dr. Tim Güß, Ärztlicher Leiter des UKM-Trainingszentrums (1.v.l.) und Dr. Hendrik Ohlenburg, Leiter des Studienhospitals, freuen sich über die studentische Version des „Room of safety“ (Foto: Uni MS/E. Wibberg)

Arzneimittel: Uni Münster schickt Studierende in eine simulierte Stationsapotheke

Münster (mfm/sw) – Die Dosis macht das Gift – auch in ärztlicher Obhut: In deutschen Krankenhäusern erleiden fünf bis acht Prozent aller Patientinnen und Patienten während ihres Aufenthaltes sogenannte „Arzneimittelereignisse“ – also unerwünschte oder gar gefährliche Wirkungen von Medikamenten. Die Zahl verdeutliche einen dringenden Handlungsbedarf im Bereich der Arzneimittel-Therapiesicherheit, dessen ist sich Dr. Hendrik Ohlenburg sicher. Der Ärztliche Leiter des Studienhospitals der Universität Münster lässt „seine“ Medizinstudierenden trainieren, wie sich Medikationsfehler vermeiden lassen – und das zusammen mit angehenden Hebammen. Die Integration einer simulierten Stationsapotheke in den curricularen – also verpflichtenden – Unterricht für Medizinstudierende und Hebammen ist bundesweit einmalig.

Das Konzept folgt der Devise „Besser früh richtig lernen, als später nachbessern müssen“. Ohlenburg: „Fehler können vermieden werden, wenn ganz früh im Studium schon ein präziser Blick auf riskante Aspekte gelenkt und der wachsame Umgang mit Medikamenten geübt wird. Dann entsteht eine Kultur der Sicherheit. Wir müssen anhand konkreter Beispiele aufzeigen, welche Auswirkung schon kleine Unachtsamkeiten und Ungenauigkeiten bei der Arbeit mit Arzneimittel haben können.“ Leicht könne man beispielsweise ähnlich aussehende Medikamente verwechseln, so der Facharzt für Anästhesiologie. Daher hat er einen Kursteil zur Arzneimittel-Therapiesicherheit (AMTS) in das Basiscurriculum der studentischen Ausbildung im Studienhospital übernommen. Im Mittelpunkt steht der „Room of Safety“, die Simulation einer Stationsapotheke, in der die Teilnehmenden der Schulung aktiv Fehler identifizieren und dokumentieren sollen. Dabei reflektieren sie gemeinsam die Herausforderungen und erarbeiten Lösungsansätze, um die Sicherheit zu optimieren. „Durch diese praxisnahe Herangehensweise werden berufsübergreifend die an der Patientenversorgung Beteiligten sensibilisiert und lernen, Risikofaktoren sowie Regelverstöße zu erkennen“, so Ohlenburg.

Arzneimittel: Die richtige Medikation soll gelernt sein: Studierende der Medizin und der Hebammenwissenschaft lernen gemeinsam den korrekten Umgang mit Arzneimitteln (Foto: Uni MS/E. Wibberg)

Bild: Die richtige Medikation soll gelernt sein: Studierende der Medizin und der Hebammenwissenschaft lernen gemeinsam den korrekten Umgang mit Arzneimittel (Foto: Uni MS/E. Wibberg)

Dominik Lüttgen, Tutor am Studienhospital sowie examinierter Gesundheits- und Krankenpfleger und seine Kollegin Hanna Gesthuysen, studentische Tutorin, haben das Konzept mit Sabine Tegelmann vom Trainingszentrum der Uniklinik an die studentische Ausbildung angepasst. „Der Room of Safety ist ein wegweisendes Konzept, mit dem sich die Studierenden frühzeitig in ihre spätere Rolle einfinden können und lernen, Verantwortung zu übernehmen sowie eine aufmerksame und kritische Haltung im Umgang mit Medikamenten einzunehmen“, begrüßt der Studiendekan der Medizinischen Fakultät, Prof. Bernhard Marschall, die Innovation. „Mit dem neuen Kurs schaffen wir eine solide Basis für eine achtsame Haltung, für fundierte Entscheidungen und eine sichere Arzneimitteltherapie.“

UKM-OnlineTalk: „Inkontinenz – (k)ein Tabuthema“

UKM-OnlineTalk: „Inkontinenz – (k)ein Tabuthema“

Bild: Gesprächspartner im kommenden UKM-OnlineTalk „Inkontinenz – (k)ein Tabuthema“: Urotherapeutin Daniela Schulz und Dr. Fabian Queißert, Leiter des Kontinenz- und Beckenbodenzentrums am UKM. (Foto © UKM/Wibberg)

Frauen wie Männer können betroffen sein – doch niemand spricht gerne darüber. Die Rede ist von Harninkontinenz, die verschiedenste Ursachen haben kann. „Betroffene brauchen lange, bis sie ihr Leiden offenbaren und wissen gar nicht, dass wir in den allermeisten Fällen die Inkontinenz beheben können“, sagt Dr. Fabian Queißert, Leiter des Kontinenz- und Beckenbodenzentrums in der Klinik für Urologie am UKM (Universitätsklinikum Münster). Zusammen mit der Urotherapeutin Daniela Schulz, die Betroffenen zahlreiche Übungen und Trainings zur besseren Blasenkontrolle anbieten kann, will Queißert im UKM-OnlineTalk am Dienstag, 19. März, ab 18:00 Uhr live auf dem YouTube-Kanal des UKM mit dem Tabu aufräumen.

Münster (ukm/aw) – Ob bei der Hausarbeit, beim Sport oder gar auf Partys: Die eigene Blase nicht mehr kontrollieren und den Urin nicht mehr halten zu können, ist immer mehr als einfach nur unnagenehm. Patientinnen und Patienten mit Harninkontinenz fühlen sich massiv in ihrer Lebensqualität beeinträchtigt – ganz zu schweigen vom großen Tabu, das das Problem gesellschaftlich umgibt. „Je nach Ausprägung trauen sich manche kaum vor die Tür, wenn sie nicht wissen, wo die nächste Toilette zu finden ist. Und anders als gemeinhin bekannt, sind nicht nur Frauen, beispielsweise nach mehreren Geburten, betroffen“, sagt Dr. Fabian Queißert. „Auch Männer leiden unter Inkontinenz, insbesondere nach Prostataoperationen.“ Das Lebensalter sei dabei bei beiden Geschlechtern eine relevante Größe, was aber nicht heißt, dass nicht schon junge Menschen betroffen sein können, so Queißert.

Häufig sind es neurologischen Störungen, die dafür verantwortlich sind, dass die willentliche Kontrolle über den Blasenschließmuskel nicht mehr funktioniert, Die Folge können die sogenannte Dranginkontinenz, also Urinverlust im Harndrang, Stressinkontinenz (beispielsweise beim Husten, Laufen, Hüpfen etc.) oder der Harnverhalt sein. Sogar Potenz-, bzw. Gefühls- und Stuhlentleerungsstörungen können bei neurologischen Schädigungen im Bereich des Beckens damit einhergehen. Grundsätzlich ist es bei der Betrachtung von Inkontinenz nötig, andere Disziplinen hinzuzuziehen, die sich anatomisch betrachtet auch im großen Becken bewegen. Bei Frauen ist zum Beispiel die gynäkologische Expertise unverzichtbar. Das Kontinenz- und Beckenbodenzentrum des UKM arbeitet deshalb fachübergreifend.

Nicht immer ist eine Operation die einzige Lösung des Problems: Welche konservativen Maßnahmen ergriffen werden können, um eine operative Korrektur des insuffizienten Schließmuskels noch abzuwenden, dazu steht Urotherapeutin Daniela Schulz im UKM-OnlineTalk Rede und Antwort. „Wir legen generell Wert auf ein möglichst wenig belastendes und schonendes Therapiekonzept, das nach eingehender Untersuchung ganz individuell erstellt wird. Beckenbodentraining kennt wohl jeder, doch das ist nicht die einzige Maßnahme, die wir zunächst anbieten können“, sagt Schulz. Fakt ist: Erst nach Ausschöpfen aller konservativen Möglichkeiten bietet das Kontinenz- und Beckenbodenzentrum Betroffenen verschiedene und hochmoderne interventionelle und operative Behandlungsmöglichkeiten. Der Erhalt der Lebensqualität steht dabei im Mittelpunkt der therapeutischen Bemühungen.

Der UKM-OnlineTalk zum Thema „Tabuthema Inkontinenz“ ist am Dienstag, 19. März, ab 18.00 Uhr, über den YouTube-Kanal des UKM zu streamen. Interessierte können im Vorfeld per Mail an ukm-onlinetalk@ukmuenster.de ihre Fragen einreichen. Auch Kommentare direkt unter dem Stream werden entweder direkt oder nach der Ausstrahlung beantwortet. Weitere Informationen finden Sie auch unter www.ukm-onlinetalk.de