Münster (ukm/äkwl) – Die Ferien sind vorbei und die Schüler*innen sind zurück in den Schulen. Das NRW-Schulministerium hat für das neue Schuljahr ein Corona-Schutzkonzept vorgelegt, das derzeit verhältnismäßig wenige Einschränkungen vorsieht. Das könnte sich im Herbst ändern, denn die Erfahrung der letzten beiden Pandemie-Jahre zeigt, dass in den Monaten der kalten Jahreszeit beim Infektionsgeschehen andere Regeln gelten. Welche Maßnahmen dann zum Tragen kommen sollten, ob diese überall in Deutschland gleich oder durchaus regional unterschiedlich sein können und was sich in Bezug auf einen an die Omikron-Variante angepassten Impfstoff gerade tut – dazu haben sich der Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, Dr. Hans-Albert Gehle, und der Ärztliche Direktor und Vorstandsvorsitzende des UKM (Universitätsklinikum Münster), Univ.-Prof. Dr. med. Alex W. Friedrich, heute während des inzwischen etablierten Formats „Corona-Update“ geäußert. Im Folgenden haben wir die Hauptaussagen zusammengestellt.
Welche Maßnahmen müssen wir im Herbst ergreifen?
Gehle: „Wir werden auf die Maßnahmen, die wir aus dem letzten Herbst und Winter kennen, nicht verzichten können. Das Maskentragen sollte relativ früh beginnen, weil wir ja jetzt mit hohen Zahlen aus dem Sommer kommen und es wird auch nichts Anderes schützen. Natürlich gelten weiter die AHA-Regeln, das heißt Hygiene, Abstand halten, Maske tragen, Hände bei sich behalten und eben auch desinfizieren. Das kennen wir alles aus dem letzten Winter und wir hoffen natürlich, dass wir parallel dazu eine neue Impfung bekommen.“
Friedrich: „Testen, Masken, Mitdenken. Was sich im kommenden Herbst abspielen wird, darauf müssen wir uns für die kommenden Jahre einstellen. Es ist ein normales Leben, aber eben mit den entsprechenden Hygienemaßnahmen. Wenn man krank ist, etwas Fieber hat, sollte man konsequent zu Hause bleiben. Keine Pillen schlucken und trotzdem zur Arbeit gehen. Wir werden in den nächsten Jahren immer zwischen einem Sommerbetrieb, in dem es etwas lockerer zugehen darf, und einem Winterbetrieb, mit entsprechenden Schutzmaßnahmen, wechseln.“
Wie ist die Personalsituation in den Kliniken?
Friedrich: „Die Situation ist wegen der Sommerwelle mit doch deutlich mehr infizierten Mitarbeitenden als in den vergangenen beiden Sommern angespannt. Hinzu kommt, dass viele im Urlaub sind. Wenn sie jetzt alle aus dem Urlaub zurückkommen, dann sehen wir wieder vermehrt Infektionen. Ich mache mir da keine Illusionen, es wird angespannt bleiben. Darüber müssen wir uns bewusst sein und von dauerhaft niedrigen Kapazitäten beim Personal ausgehen. Das ist der neue Normalzustand, den wir akzeptieren müssen.“
Was bedeutet das bei einem Anstieg der Infektionszahlen?
Gehle: „Wir müssen konkret damit rechnen, dass auch die Intensivkapazitäten wieder äußerst knapp werden. Darum nochmal die dringende Empfehlung, wirklich für jeden a) sich mindestens drei Mal impfen zu lassen, b) wenn es eine neue Impfung gibt, sich nochmal impfen zu lassen und c) sich an die AHA-Regeln und AHL-Regeln zu halten.“
Friedrich: „Es ist langfristig nicht gut, wenn bei immer wieder steigenden Hospitalisierungen von Covid-Patienten in der Infektsaison, diese sozusagen dauerhaft konkurrieren mit anderen Patienten, die auch ein Recht auf Behandlung haben. Es gibt Länder, die behandeln in speziellen Kliniken die Covid-Patienten, sie kohortieren sie dort. Ich will nicht sagen, dass das die beste Lösung ist. Aber ich könnte mir vorstellen, es neu zu denken, wie wir das in unserer Region regeln wollen. Dabei kann es gut sein, dass es die beste Lösung ist, jedes Krankenhaus behandelt seinen Covid-Patienten selbst – aber man muss diesen Denkprozess zumindest einmal anstoßen, da uns das Problem ab jetzt dauerhaft begleiten wird.“
Wie sieht es mit der vierten Impfung / 2. Booster aus?
Gehle: „Biontech und Moderna haben beide angekündigt, zum Herbst hin einen neuen Impfstoff zu haben, dass man ihn klinisch anwenden kann. Ich hoffe natürlich, dass dieses Versprechen eingehalten wird. Wenn das so ist, wäre es gut, dass wir in den Rhythmus hineinkommen, im Spätherbst oder beginnenden Winter zu impfen, um über den Winter zu kommen bis ins neue Jahr. Eigentlich das, was wir von der Influenza auch kennen.“
Tut sich etwas in der Medikamenten-Entwicklung?
Gehle: „Es gibt hier noch keine durchschlagenden Entwicklungen. Die meisten Medikamente, die wir haben müssen sehr früh genommen werden. Dann ist da die Frage der Nebenwirkungen. Und wie bekommt der Hausarzt dieses Medikament, weil er ja derjenige ist, der es anordnen müsste – da gibt es Nachbesserungsbedarf. Wir als Ärztekammer klären da auf, aber bis auf die Medikamente, die wir bis jetzt in dieser frühen Phase kennen, gibt es für die Phase der schweren Erkrankung nichts Neues.“
Werden die Affenpocken zu einer neuen Epidemie?
Friedrich: „Was wir nicht vergessen sollten ist, dass sich mit Ferienende nicht nur Corona ausbreiten wird, sondern auch die Affenpocken. Es gibt keinen Grund, warum diese Infektionen wieder verschwinden sollten. Die Masken, die wir wegen Corona tragen, werden uns zwar helfen, dass sich die Affenpocken nicht ganz so rasant ausbreiten. Trotzdem sind sie hochinfektiös, sodass sie sich früher oder später in allen Bevölkerungsgruppen ausbreiten werden. Viele Fälle bleiben ohne Symptome, sodass sie unter dem Radar bleiben. Es bleibt abzuwarten, ob die Infektion sich wie ein Tsunami ausbreitet oder ob es langsam, quasi endemisch, die Bevölkerung erreicht, die dann weitestgehend gefeit ist. Vielleicht werden die Affenpocken auch zu einer Art Kinderkrankheit. Wir müssen je nach Entwicklung überlegen, ob es nicht sinnvoll ist, wie früher, Kinder wieder rechtzeitig gegen Pocken zu immunisieren.“