Omikron auf dem Vormarsch: Ein virologischer Blick auf 2022

Omikron auf dem Vormarsch: Ein virologischer Blick auf 2022

Bild: Dr. Linda Brunotte, Virologin am Institut für Molekulare Virologie des UKM. (© Foto UKM)

Münster (ukm/aw) – Die Zahl der an das RKI übermittelten in Deutschland nachgewiesenen Omikron-Fälle ist in dieser Nach-Weihnachtswoche rasant angestiegen. Mit weiteren Corona-Infektionen, die über die Feiertage nicht gemeldet oder erfasst wurden, ist zu rechnen, sagt Dr. Linda Brunotte, Virologin am Institut für Molekulare Virologie am UKM. Die Verbreitung der Variante sei weiter fortgeschritten als die derzeitigen Daten es nahelegten. Brunotte rät angesichts des hohen Ansteckungspotentials von Omikron zu Kontaktbeschränkungen ausdrücklich auch für schulpflichtige Kinder. Eine bewusste Durchseuchungs-Strategie findet sie gefährlich und hält sie als Weg aus der Pandemie für ungeeignet.

Frau Dr. Brunotte, wie ist die derzeitige Infektionslage aus Ihrer Sicht?
Wir erwarten, dass die Inzidenzen rasant weiter steigen. Im Moment befinden wir uns ein wenig im Blindflug. Viele Gesundheitsämter arbeiten über die Feiertage nicht und es wurden daher auch keine Infektionszahlen übermittelt. Insofern kann das RKI die wirklichen Inzidenzen gar nicht richtig abbilden. Wir sollten uns davon nicht täuschen lassen. Wir erwarten die ersten belastbaren Zahlen erst wieder zu Mitte bis Ende Januar. Erst dann werden wir wirklich wissen, wie sich Omikron weiter ausgebreitet hat.

Ist also die derzeit spürbare Entspannung in der Bevölkerung ein Trugschluss?
Das ist wirklich ein Trugschluss und sehr gefährlich. Ich spüre das tatsächlich auch: Es hat sich eine Erleichterung breitgemacht und die Menschen sind ein bisschen unbeschwerter, treten auch wieder mehr in Kontakt mit anderen. Dabei nehmen sie die bekannten Schutzregeln dann oft nicht mehr so genau und die Inzidenzen scheinen ihnen da Recht zu geben, weil sie ja zuletzt eher niedrig waren. Wir sollten uns davon nicht fehlleiten lassen, sondern darauf achten, dass wir Masken tragen und Abstand halten und uns weiter mit so wenig Menschen wie möglich treffen. Im Moment wissen wir nicht, wann Omikron sich maximal ausgebreitet haben wird.

Was können wir aus der Situation in anderen Ländern ableiten, in denen sich Omikron schon durchgesetzt hat?
Wir sollten auf jeden Fall auf unsere Nachbarländer schauen. Es ist nicht davon auszugehen, dass wir hier von hohen Ansteckungszahlen mit Omikron verschont bleiben und deswegen sollten wir die richtigen Schutzmaßnahmen ableiten und ergreifen. Jeder sollte sich klarmachen, dass er ein Infektionsrisiko hat und eine Verantwortung für andere, die sich nicht mit einer Impfung schützen konnten. Also zum Beispiel Vorerkrankte oder Kinder. Deswegen ist eine Entscheidung zur Impfung als Schutzmaßnahme eine Entscheidung, die man nicht nur für sich selbst, sondern im Sinne aller trifft.

In den USA ist Omikron bereits vorherrschend und trifft vor allem Kinder…
In New York ist die Zahl der schweren Erkrankung von Kindern stark angestiegen und parallel auch die Zahl der Krankenhauseinweisungen in dieser Altersgruppe. Das ist äußerst besorgniserregend und eine schlechte Nachricht. Wir müssen die Ausbreitung hier deswegen sehr genau beobachten. Wir dürfen nicht vergessen, dass die Kleinsten ungeimpft sind und auch die Altersgruppe ab fünf Jahren häufig noch ungeschützt ist, weil sie noch keine Impfung erhalten haben.

Wie können wir ähnlich hohen Infektionszahlen bei Kindern wie in den USA vorbeugen?
Ich würde mir wünschen, dass insgesamt mehr Augenmerk auf die Kinder gelegt würde. Die Impfungen sind auch für Kinder sicher, es gibt sehr wenige Nebenwirkungen und die Kinder vertragen die Impfung gut. Die Impfung schützt vor Infektion und schwerer Erkrankung. Natürlich dauert es noch, bis alle Kinder auch geimpft sind. Deswegen ist jetzt die Politik gefordert: Die Kinder gehen zur Schule und dort müssen entsprechende Vorsichtsmaßnahmen in die Wege geleitet werden. Aus virologischer Sicht wären kleinere Klassengrößen sinnvoll sowie umfassende und verpflichtende Teststrategien zur schnellen Erfassung von Infektionen. Da Omikron so hochübertragbar ist, sollten außerdem die Quarantäne-Regeln optimiert werden. Positive Schüler und Sitznachbarn, im besten Fall die betroffene Klasse, sollten in Quarantäne bzw. Isolation und umgehen getestet werden, um eine Ausbreitung des Virus zu verhindern.

Sicherlich ist auch das Homeschooling eine Option – da wo es ohne weitere negative Folgen für die Kinder möglich ist und von Eltern neben der Arbeit umgesetzt werden kann. Auch dadurch könnten Klassengrößen verringert werden. Eine weitgehende Kontaktverminderung auch in den Schulen wäre ein großer Vorteil und aus meiner Sicht nötig.

Video: Dr. Linda Brunotte wagt eine vorsichtige Jahresprognose zum weiteren Pandemie-Verlauf.

Es gibt auch Wissenschaftler, die in der Durchseuchung der Bevölkerung durch Omikron die Chance auf ein Ende der Pandemie sehen. Ist das auch ihre Meinung?
Ich persönlich teile das nicht. Im Moment höre ich oft, dass Omikron zu keiner sehr schweren Erkrankung führt. Allerdings ist das Virus eben hochübertragbar. Und wir dürfen nicht vergessen, dass es selbst bei leichteren Krankheitsverläufen zu Folgeerkrankungen wie Long Covid kommen. Als Virologin möchte ich das Risiko nicht eingehen, dass wir flächendeckend Menschen infizieren, selbst wenn die Symptome leicht wären. Dadurch, dass mittlerweile viele geimpft sind, gehen wir davon aus, dass weniger Menschen schwer erkranken, das ist das Ziel der Impfung. Ob das wirklich dazu führt, dass sich das Virus abschwächt, kann man noch nicht wirklich vorhersagen. Wir müssen ja immer davon ausgehen, dass wieder neue Virusvarianten entstehen können. Eine Durchseuchungs-Strategie halte ich deshalb für falsch, denn sie geht immer mit sehr hohen Verlusten einher. Es kommt dabei immer zu hohen Krankheitszahlen und wird auch viele Tote zur Folge haben. Ich denke, dass wir uns das in Deutschland nicht leisten können und wollen.

Wie ist ihre persönliche virologische Prognose für das kommende Jahr?
Ich denke, dass der Weg aus der Pandemie noch ein langer Weg werden wird, wir werden auch in 2022 noch lange damit beschäftigt sein. Ich rechne schon mit niedrigeren Inzidenzen in den Sommermonaten, aber ich würde nicht meine Hand dafür ins Feuer legen, dass wir im darauffolgenden Winter nicht auch noch mit einer fünften Welle zu rechnen haben. Wir wissen einfach nicht, was noch an Varianten auf uns zukommt. Und dann sollte man auch den globalen Aspekt im Auge behalten: Viele Länder haben unbegrenzten Zugang zu Impfstoffen – andere haben aber keinen. Eine rein nationale Pandemie-Strategie wird uns langfristig nicht aus der Situation herausführen. Das heißt, es muss weltweit zu einem Umdenken in der Politik kommen und wir müssen uns gemeinsam eine globale Pandemie-Strategie überlegen.

Steißbeinteratom: Dank an die Lebensretter

Steißbeinteratom: Dank an die Lebensretter

Bild: Trotz schwieriger Tumoroperation erfolgreich ins Leben gestartet: Florentina, inzwischen fünf Jahre alt, und ihre Eltern wurden am UKM von einem großen interdisziplinären Team betreut: (außen) Prof. Walter Klockenbusch und Prof. Ralf Schmitz, beide UKM Geburtshilfe, sowie der Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Prof. Heymut Omran, Dr. Volker Müller (Kinderchirurgie) und Dr. Manfred Schiborr (Kinderradiologie).(© Foto: UKM/Leßmann)

Florentina ist im November fünf Jahre alt geworden. Sie ist ein aufgewecktes Mädchen und wenn sie lacht, öffnen die Grübchen in ihrem Gesicht alle Herzen. Dass Florentina überhaupt auf der Welt ist, verdanken ihre Eltern einer ganzen Reihe von Ärzten, die sich durch mutige Entscheidungen für Florentinas Überleben stark gemacht haben. Vor ihrer Geburt war bei dem Mädchen ein Tumor, ein sogenanntes Steißbeinteratom, erkannt worden. Parallel zur Entwicklung des Kindes wuchs er mit. Eine Diagnose, die oft tödlich verläuft, weil die kindliche Herz-Kreislaufbelastung vor der Geburt enorm ist.

Münster (ukm/aw) – Wenn Eltern in der frühen Schwangerschaft erfahren, dass ihr Kind mit einer lebensgefährlichen Erkrankung auf die Welt kommen wird, bricht für sie eine Welt zusammen. So war es auch für Monika und Emanuel Hemesath aus Münster, als ihnen bei ihrem ersten Kind am Tag nach der zweiten großen Ultraschall-Vorsorge der Verdacht auf ein Steißbeinteratom mitgeteilt wurde. „Die Ärzte haben uns damals ausdrücklich gesagt, wir sollen die Diagnose auf keinen Fall googlen“, sagt Emanuel Hemesath. Daran hielten die Eltern sich auch tatsächlich, um sich auf das Überleben ihres Babys zu fokussieren.

„Das fetale Steißbeinteratom ist eine Gewebeneubildung (Neoplasie), die, wie der Name sagt, am Po des Kindes oft schon äußerlich zu sehen ist. Obwohl der Tumor bei Geburt meist gutartig ist, kann er entarten, wenn man nicht schnell operiert“ sagt der Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Prof. Heymut Omran. In Florentinas Fall war der Tumor so groß wie das Kind selbst. „Das Teratom kann aber auch innere Anteile haben, was eine Operation äußerst gefährlich und manchmal sogar unmöglich macht.“ Es liegt auf der Hand, dass es neben einer aufmerksamen Geburtshilfe auch eine ausgezeichnete Kinderchirurgie und sehr erfahrene Kinderintensivmedizin braucht, damit ein Kind diese Diagnose überleben kann. „Da gibt es deutschlandweit nur sehr wenige Zentren die das potentiell überhaupt können und auch dann kann niemand sagen, wie die Sache ausgehen wird“, so Omran weiter.

Schwangerschaften mit einem fetalen Steißbeinteratom als Diagnose beim Kind verlaufen typischerweise mit einer deutlich erhöhten Fruchtwassermenge. Das führte in der 30. Woche dazu, dass sich die Situation dramatisch verschlechterte. „Ich hatte einen vorzeitigen Blasensprung. Die Geburtshilfe und insbesondere der Leiter, Prof. Klockenbusch, teilte mir mit, dass sich die Herztöne bei Florentina rapide verschlechtern und es nötig sein würde, das Kind ohne weiteren Transport sofort zu holen, so Hemesath. „Gleichzeitig war uns klar, dass es Florentinas Überlebenschancen nicht verbessen würde, wenn sie so viel zu früh geboren wird. Vorsorglich hatten die Pränatalmediziner meiner Frau aber Cortison-Spritzen zur vorzeitigen Lungenreifung gegeben“, sagt ihr Mann. Am 20. November 2016 wird Florentina per Notkaiserschnitt geboren. „Anders als bei normalen Kaiserschnitten mussten wir den Schnitt überdimensional groß setzen, um Kind und Tumor nicht zu verletzen“, so Prof. Walter Klockenbusch und sein Kollege Prof. Ralf Schmitz, die sich beide noch gut an diese besondere Geburt erinnern. Trotz des dramatischen Starts ins Leben, ist das gut 2 Kilo schwere Mädchen stabil. Das Teratom, das ungefähr so viel wiegt wie das Baby, wird abgedeckt und die Eltern dürfen ihre Tochter wenigstens kurz sehen. Gleich am Folgetag, morgens ab acht Uhr, operieren über viele Stunden die UKM-Kinderchirurgen. „Die Schwierigkeit war, den Tumor, der stark durchblutet war, nicht zu verletzten. Sonst hätte die kleine Patientin verbluten können“, erinnert sich Kinderchirurg Dr. Volker Müller. Abends um 22 Uhr ist er es, der Monika Hemesath im Bett zu ihrem Kind schiebt, um sie zu überzeugen, dass Florentina die Operation überstanden hat.

Heute ist Florentina weiter engmaschig am UKM in Betreuung: Weil im Narbengewebe zwei nicht zu definierende Gewebsknötchen entdeckt wurden, kontrolliert die Kinderonkologie das Blut des Mädchens regelmäßig auf Tumormarker – bisher ohne Auffälligkeiten. Auch die Kinderradiologie beobachtet das Geschehen dort, wo einst der kindsgroße Tumor war. In einigen Jahren wird bei Florentina eine rekonstruktive plastische OP nötig sein. Das nehmen Florentinas Eltern gern in Kauf: „Wenn ihnen vor der Geburt ihres Kindes jemand eine schlimme Diagnose nennt und sie gleichzeitig beschwört, sich bitte keine Bilder dazu anzusehen, rechnen sie jederzeit mit dem Schlimmsten. Wir haben diesen Bericht hier selbst angestoßen, um uns auf diese Weise bei allen zu bedanken.“

Weihnachtlicher Musikrundgang für Kinder und Jugendliche am UKM

Weihnachtlicher Musikrundgang für Kinder und Jugendliche am UKM

Bild: Weihnachtsmusik auf 26 Stationen: Seelsorger Jürgen Wiltink und Clinic-Clown Gerry Sheridan, die auf den Kinderstationen von Bürgermeisterin Angela Stähler begleitet wurden, sorgen in diesen Tagen für besondere Momente am UKM.

Von Bürgermeisterin Angela Stähler begleitet, besuchten der Clinic-Clown Gerry Sheridan und UKM-Seelsorger Jürgen Wiltink mehrere Kinderstationen am UKM (Universitätsklinikum Münster) und sorgten mit Musik für weihnachtliche Stimmung. Insgesamt werden in der Weihnachtszeit 26 Stationen im Rahmen der mobilen Kultur imPulse von Künstlerinnen und Künstlern besucht.

Münster (ukm/ik) – Weihnachten im Krankenhaus zu verbringen, wünscht sich eigentlich niemand – und doch lässt es sich manchmal nicht vermeiden. Besonders schwierig ist ein Klinikaufenthalt für Kinder und Jugendliche, fern von den Eltern und Geschwistern zu Hause. Umso mehr freuen sich die Patientinnen und Patienten, dass sie in der Weihnachtszeit von Musikerinnen und Musikern gemeinsam mit den Clinic-Clowns auf Stationen besucht werden. Jürgen Wiltink, engagierter Pianist und Seelsorger am UKM, ist überzeugt: „Musik kann uns viel sagen, selbst wenn sie ohne Worte erklingt.“ Im Rahmen der Kultur imPulse besuchte er jetzt gemeinsam mit dem Clinic-Clown Gerry Sheridan mehrere Kinderstationen und ließ auf seinem Keyboard Weihnachtslieder wie „Es ist für uns eine Zeit angekommen“ erklingen. „Damit möchten wir unseren Patientinnen und Patienten die Weihnachtszeit im Krankenhaus mit einem musikalischen Geschenk ein wenig erleichtern“, so Wiltink. Begleitet wurden sie von Bürgermeisterin Angela Stähler, die sich seit diesem Jahr als Kulturpatin für ein vielfältiges Kulturangebot für Patientinnen und Patienten am UKM einsetzt, darunter auch das neue Konzept „Mobile Musik“. „Das mitzuerleben, war für mich eine ganz besondere Erfahrung“, erzählt Stähler. „Die Kinder und ihre Eltern haben sich sehr über diesen weihnachtlichen Moment gefreut. Ich war sehr gerührt.“

Aber nicht nur die Patientinnen und Patienten müssen die Weihnachtstage im Krankenhaus verbringen, auch Ärztinnen und Ärzte sowie das Pflegepersonal müssen an den Feiertagen den Klinikbetrieb aufrechterhalten. „Das alles ist nur dank des Einsatzes vieler Mitarbeitenden möglich“, sagt Wiltink. „Sie sprechen gezielt Patientinnen und Patienten an und öffnen im wahrsten Sinne des Wortes Türen.“ Insgesamt dürfen Patientinnen und Patienten des UKM von 26 Stationen den musikalischen Besuch miterleben.

Info: Mit den mobilen Kultur imPulsen werden am UKM unter anderem Musik und Lesungen direkt ans Patientenbett gebracht. Weitere Informationen und Spendenmöglichkeit unter www.kultur-impulse-ukm.de.
Erfolgreiche Re-Zertifizierung als EPZmax: Endoprothetikzentrum am UKM

Erfolgreiche Re-Zertifizierung als EPZmax: Endoprothetikzentrum am UKM

Bild: Das Kernteam des Endoprothetikzentrums: Der Sektionsleiter der Endoprothetik, Dr. Burkhard Möllenbeck, Klinikdirektor Prof. Georg Gosheger und Tumororthopäde Dr. Jan Christoph Thiel. (© Foto: UKM/Hauss)

Münster (ukm/aw) – Die Klinik für Allgemeine Orthopädie und Tumororthopädie am UKM (Universitätsklinikum Münster) (Direktor Univ.-Prof. Dr. med. Georg Gosheger) wurde durch die Zertifizierungseinrichtung ClarCert erneut als sogenanntes Endoprothetikzentrum der Maximalversorgung (EPZmax) zertifiziert. Hierfür haben unabhängige Auditoren verschiedene Qualitätsindikatoren erfasst und bewertet. Welche Vorteile die Versorgung am EPZmax des UKM für die Patientinnen und Patienten hat, dazu drei Fragen an den Leiter, Dr. rer. medic. Burkhard Möllenbeck.

Herr Dr. Möllenbeck, die erneute Zertifizierung als EPZmax zeigt Patienten zunächst einmal, dass am UKM bestimmte Gütekriterien eines Endoprothetikzentrum der Maximalversorgung eingehalten werden. Welche sind das?
Ein wesentlicher Aspekt ist da sicherlich die Anzahl der Operationen. In vielen Untersuchungen zu Prothesenimplantationen konnte gezeigt werden, dass bei einer hohen Anzahl an Eingriffen zur prothetischen Versorgung auch die Ergebnis-Qualität hoch ist. Für eine hochwertige endoprothetische Versorgung ist ein hohes Maß an Spezialisierung, Kompetenz und Erfahrung erforderlich. Im Rahmen der Zertifizierung wird jährlich überprüft, ob die Operateure eine vorgegebene Anzahl an Prothesenoperationen durchführen und somit über ausreichende Erfahrung verfügen. Darüber hinaus sind noch zahlreiche weitere Faktoren für den Erfolg einer Operation relevant, beispielsweise die interdisziplinäre Organisation und Zusammenarbeit sowie eine regelmäßige Aus- und Weiterbildung aller Berufsgruppen. Die Einhaltung dieser Kriterien wird von den Auditoren ebenfalls regelmäßig überprüft.

Gibt es Schwerpunkte, also bestimmte Eingriffe, die Sie am Endoprothetikzentrum immer wieder durchführen?
Insgesamt werden in Deutschland jährlich ca. 400.000 Kunstgelenke implantiert. Beim überwiegenden Anteil der Fälle handelt es sich um die erste Implantation eines Kunstgelenkes. Wenn möglich, verwenden wir dabei körperschonende minimalinvasive Zugänge. Hier stellt für uns die Behandlung von Patientinnen und Patienten mit Begleiterkrankungen, z. B. mit einer schweren Herz- oder Nierenerkrankung oder sogar nach Organtransplantationen, einen Schwerpunkt dar. Für diese Patienten ist die gute interdisziplinäre Zusammenarbeit am UKM sehr wichtig und wertvoll. Einen besonderen Schwerpunkt bilden auch Revisionsoperationen: Als EPZmax übernehmen wir insbesondere von kooperierenden Endoprothetikzentren Patientinnen und Patienten bei denen eine Prothese gewechselt werden muss. Gerade bei Prothesenwechseleingriffen mit ausgedehnten Knochendefekten oder bei Infektionen der vorhandenen Prothese bringen wir Spezialprothesen zum Einsatz, die wir in Zusammenarbeit mit Ingenieuren und Implantatherstellern ständig weiterentwickeln und sogar speziell für die Patienten und Patientinnen anfertigen lassen. Durch moderne anti-allergische und anti-mikrobielle Beschichtungen können wir dabei Allergien und erneuten Infektionen vorbeugen. Besonders stolz sind wir hierbei auf die von uns eingesetzte 3D-Technologie. Für eine optimale Operationsplanung können wir selber hier vor Ort Knochen und Probeimplantate ausdrucken.

Wie wichtig ist Forschung und Weiterbildung für die am Endoprothetikzentrum tätigen Ärztinnen und Ärzte?
Sehr wichtig. Wir können unseren Anspruch als universitäres EPZmax nur erfüllen, wenn wir mit unseren Untersuchungen immer zum neuesten Stand der Forschung beitragen. Unsere Mitarbeitenden engagieren sich in der Forschung und Entwicklung neuer verbesserter Prothesensysteme. Wir sind sehr an der bestmöglichen Versorgung unserer Patienten und Patienten interessiert. Insbesondere forschen wir zum Infektionsgeschehen bei periprothetischen Infektionen, also bei solchen Fällen, wo sich das Gewebe rund um eine Prothese infiziert hat. Damit tragen wir aktiv zur Verbesserung der Lebensqualität der Patienten bei und entwickeln uns ständig weiter.

Anstehender Führungswechsel am UKM: Hugo Van Akens Abschiedstage

Anstehender Führungswechsel am UKM: Hugo Van Akens Abschiedstage

Bild: Persönliche Worte und Blumen zu Beginn der heutigen Aufsichtsratssitzung am UKM: Der Vorsitzende Prof. Martin Schulze Schwienhorst (2.v.l.) bedankt sich mit seinen Kolleginnen und Kollegen sowie dem Vorstand bei Prof. Hugo Van Aken (Mitte), der zum Jahresende in den Ruhestand geht, für sein großes Engagement als Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender.

Mit der heutigen letzten Aufsichtsratssitzung werden die offiziell noch anstehenden Termine für Prof. Hugo Van Aken nach und nach weniger. Noch bis zum 31. Dezember ist er der Entscheidungsträger an Münsters größtem Klinikum, das mit seinen Experten in der Corona-Pandemie gefragter denn je ist. Van Akens Abschied erfolgt in Etappen – denn die offizielle Feier wird aufgrund der pandemischen Lage voraussichtlich erst im Frühjahr stattfinden können.

Münster (ukm/maz) – Es ist seine letzte Teilnahme an einer Sitzung des Aufsichtsrats des UKM (Universitätsklinikum Münster) – die Vierzehnte insgesamt in seiner zweieinhalbjährigen Amtszeit als Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender: Prof. Hugo Van Aken wirkt gelöst, er lächelt, nickt dankend bei den persönlichen Worten, die Prof. Martin Schulze Schwienhorst zu Beginn der Sitzung an ihn richtet. „Als Sie am 17. Juni 2019 die Geschicke am UKM übernommen haben, geschah das in einer sehr unruhigen Zeit für das Klinikum und die Medizinische Fakultät. Ihr Engagement ist und war außerordentlich, Sie haben es damals innerhalb kürzester Zeit geschafft, das UKM wieder in ruhigeres Fahrwasser zu lenken. Sie haben damit einen wertvollen Beitrag geleistet und dafür sind wir Ihnen, und da kann ich für alle Mitglieder des Aufsichtsrats und sicherlich auch für viele Mitarbeitende des UKM sprechen, sehr dankbar“, würdigt der Vorsitzende des Aufsichtsrats den Einsatz des mittlerweile 70 Jahre alten Van Akens.

Was der Facharzt für Anästhesie, der bis 2016 Direktor der Klinik für Anästhesiologie, operative Intensivmedizin und Schmerztherapie am UKM war und nach dem kurzfristigen Ausscheiden des vorherigen Ärztlichen Direktors aus dem Ruhestand heraus zurück an seine alte Wirkungsstätte kam, damals nicht ahnen konnte: Die Neuausrichtung des Dampfers UKM war lediglich die erste Herausforderung, nur wenige Monate später Begann die Corona-Pandemie – und damit die größte Anstrengung für das weltweite Gesundheitswesen seit Langem. „Diese Pandemie hat uns alle überrascht“, sagt Van Aken offen. „Aber wir alle, die Klinikdirektoren, die ärztlichen Mitarbeitenden, die Pflege und die Verwaltung, haben den Teamgeist gezeigt, den ich mir bei der Übernahme des Amtes als Ärztlicher Direktor gewünscht habe.“ Der gebürtige Belgier hatte in seiner Antrittsrede im Sommer 2019 auf den belgischen Wappenspruch „Eendracht maakt macht, L´Union fait la force“, auf Deutsch „Einigkeit macht stark“ verwiesen. Heute, wenige Tage vor seinem erneuten Ruhestand, sagt er: „Ja, wir sind stark! Und ich danke allen Mitarbeitenden des UKM für ihren stets professionellen Einsatz insbesondere in den vergangenen 20 Monaten. Trotz der hohen Belastung ist und war die Motivation sehr groß.“

Den Staffelstab wird Van Aken zum 1. Januar 2022 an Prof. Alexander Friedrich weitergegeben – vermutlich erst einmal in ähnlich kleinem Rahmen, wie nun sein eigener Abschied verläuft. „Den ursprünglich geplanten Festakt werden wir aber nachholen“, kündigt Schulze Schwienhorst bei der Übergabe eines Blumenstraußes an den scheidenden Ärztlichen Direktor an. „Das ist uns nach dem persönlichen Einsatz, den Hugo Van Aken mit seiner kurzfristigen Übernahme seit dem Sommer 2019 geleistet hat, ein wichtiges Anliegen.“