Münster (ukm/maz) – Die nordrhein-westfälische Landesregierung hat im August die Planungen zur Umsetzung der neuen Krankenhausplanung vorgestellt. Statt konkurrierender Angebote soll es zukünftig regionale, einrichtungsübergreifende wohnortnahe Versorgungskonzepte geben, damit knappe Ressourcen wie Personal und Investitionsmittel optimal für Patientinnen und Patienten eingesetzt werden können. Die Landesregierung will mit dem Konzept „Keine Konkurrenz, sondern Kooperation!“ Vorreiter in Deutschland werden. Doch was heißt das für die hiesigen Kliniken, welche Rolle spielt die Universitätsmedizin? Das ist nur eine der Fragen an Prof. Alex W. Friedrich, Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender des UKM (Universitätsklinikum Münster). Bereits im Sommer 2023 will das Gesundheitsministerium über die finalen Versorgungsaufträge entscheiden.
Herr Prof. Friedrich, ab 17. Oktober werden die Krankenhäuser in NRW von den Bezirksregierungen aufgefordert, gemeinsam mit den Krankenkassen regionale Planungskonzepte zu erarbeiten und einzureichen. Hat das UKM schon Pläne in der Schublade?
Auch wenn wir uns bereits mit dem Thema beschäftigen, bedarf es bei einer Reform dieser Tragweite natürlich einer Abstimmung mit den anderen Partnern unserer Versorgungsregion, vor allem unserer sogenannten Versorgungsregion 9. Das Wichtige ist dabei, dass wir zum einen betrachten, was passiert in unserer Versorgungsregion, wie können die Bürgerinnen und Bürger optimal versorgt werden und wie spielen die verschiedenen Akteure im Gesundheitssystem miteinander. Und zum anderen, wie stellen wir uns als UKM, als einziges Universitätsklinikum in der Region und letztlich im Nordwesten Deutschlands auf. Wir müssen uns die Frage stellen, wofür sind wir eigentlich hier, was erwartet die Gesellschaft von einem Uniklinikum. Aus meiner Sicht stehen wir als UKM für die Versorgung, die keiner so bieten kann, wie wir das können. Zudem bilden wir zukunftsfähige Mitarbeiter aus und weiter und entwickeln die Gesundheitsversorgung der Zukunft. Maßgeschneidert für die Bedürfnisse der Menschen hier im Nordwesten
Aber bringt der Krankenhausplan nicht mit sich, dass zukünftig die Politik bestimmt, in welchem Haus Patientinnen und Patienten behandelt werden?
Der Krankenhausplan wird uns ja nicht aufoktroyiert, sondern bietet uns die Chance, die Gesundheitsplanung gemeinsam neu zu definieren und optimal für die Bürgerinnen und Bürger unsere Versorgungsregionen miteinander abzustimmen. Es geht also nicht mehr darum, dass jedes Krankenhaus macht, was jeder kann, sondern zu machen, was medizinisch für unsere Bürger*innen notwendig ist. Und das bedeutet, dass Patientinnen und Patienten zukünftig alles in der Region bekommen, aber nicht mehr unbedingt alles von jedem Haus angeboten werden soll. Mindestabstände und Vielfalt bleiben dabei erhalten.
Sehen Sie darin eine Chance oder ein Risiko?
Das ist definitiv die Chance, eine regionale Effizienz ins Gesundheitssystem zu bekommen und optimale Abstimmungen zwischen verschiedenen Partnern zu erreichen. Natürlich wird dieser Prozess bis ins letzte Detail viele Jahre dauern, aber wir müssen jetzt die Weichen stellen, um unser Gesundheitssystem zu reformieren. Diese Chance bekommt man nicht in jeder Generation und ich freue mich darauf, dass wir jetzt diese Möglichkeit ergreifen können. Abwarten ist aus meiner Sicht keine Alternative.
Was bedeutet das konkret für das UKM? Wie gehen Sie jetzt ab Oktober in die Gespräche?
Ich sehe die hervorragende Arbeit, die bereits bestehende Multidisziplinarität und vor allem auch die regionale und überregionale Zusammenarbeit, die bereits jetzt schon am UKM gelebt wird. Diese Kooperationen, die sowohl im UKM als auch mit anderen Häusern in unserer Versorgungsregion und darüber hinaus existieren, werden durch diesen Prozess weiter gestärkt und gefördert. Da gibt es sehr viele gute Beispiele und ich sehe das UKM hier auf einem guten Kurs. Universitäre Versorgung hat neben der Forschung die Multidisziplinarität als Alleinstellungsmerkmal. Wir haben Fächer und Experten, die kein anderes Haus vorhalten kann. In anderen Bereichen werden wir neue Modelle erarbeiten müssen und es wird auch Kooperationen geben, die wir stoppen werden, weil sie nicht mehr dem Gesamtkonzept dienen. Da ist vieles im Fluss, aber zentral ist die optimale Patientenversorgung.
Wenn wir jetzt an den Standort Münster und die Region denken. Wie wird sich die Krankenhaus-Landschaft zukünftig verändern?
Wir müssen erarbeiten, was die Bevölkerung unserer Region braucht. Das ist zum Teil anders als im Ruhrgebiet und anders als im Siegerland oder im Rheinland. Wir müssen uns miteinander in Münster und im Münsterland abstimmen und schriftlich in Verträgen festlegen, wer was macht. Trotzdem wird es noch eine Vielfalt geben, aber es wird für Patientinnen und Patienten nicht fünf verschiedene Anbieter in einer Stadt geben. Eine Wahl ist auch gegeben, wenn es zwei oder drei gute Anbieter gibt, die dennoch miteinander Hand in Hand arbeiten. Das ist eine grundlegende Veränderung des Gesundheitssystems, die man aber übrigens nicht losgekoppelt vom ambulanten Versorgungssystem und auch vor allem von den Rehakliniken und den Alten- und Pflegeheimen sehen kann. Es muss in der gesamten Versorgungskette geschaut werden, wo und wie werden verschiedene Patientinnen und Patienten für ihre Erkrankungen optimal behandelt und weiterversorgt.
Nach einem Spaziergang klingt dieser Prozess jedoch nicht…
Es wird auch Momente geben, wo es Konflikte gibt, weil niemand etwas aufgeben will. Aber da muss es auf der Arbeitsebene eine Lösung geben, sonst werden die Bezirksregierung oder das Ministerium eine Entscheidung fällen oder möglicherweise Kostenträger, im ungünstigsten Fall Gerichte. Wenn es so weit kommt, dann finde ich, machen wir unsere Arbeit nicht richtig. Denn niemand weiß besser, wie Patientinnen und Patienten optimal versorgt werden können, als diejenigen, die es jeden Tag machen. Es geht eben ab sofort nicht mehr darum, immer mehr, sondern mehr gemeinsam zu machen.
Gibt es in Münster bereits Gespräche zwischen den Krankenhäusern?
Auch wenn schon erste informelle Gespräche laufen, wird es letztendlich erst jetzt ab Mitte Oktober bis Anfang 2023 zu Verhandlungen am Tisch kommen. Die Zeitplanung vom Land dafür ist straff und ich stelle mir vor, dass man unter Moderation der Bezirksregierung sowie weiterer Expertenorganisationen, die das regionale Versorgungssystem kennen und interessenneutral sind, zusammenkommen muss. Ich bin guter Dinge, dass wir hier in unserer Versorgungsregion eine gute Lösung erreichen werden!