Gut gebräunt aus dem Urlaub zurückzukehren ist das eine, doch wenn eine immer braunere Haut das Ziel ist, und es nicht mehr ohne Sonne oder Solarium geht, kann das Bräunen zur Sucht und einer eigenständigen psychischen Erkrankung werden: der Tanorexie.
Münster (ukm/lwi) – Viele Menschen halten sich gerne in der Sonne auf. Aus gutem Grund, denn das Licht hellt nachweislich unsere Stimmung auf und regt wichtige Stoffwechselprozesse im Körper an. Wenn die Sonne aber immer wichtiger wird, sich also nicht nur die Erde um sie dreht, sondern auch das eigenen Leben, dann gerät etwas aus der Bahn – so wie bei Menschen, die unter Tanorexie leiden: Sie sind süchtig nach möglichst stark gebräunter Haut.
Das Phänomen dieser psychischen Erkrankung ist schon in den 1950er-Jahren erstmalig beschrieben worden, weiß Prof. Bernhard Baune, Direktor der Klinik für Medizinische Gesundheit am UKM (Universitätsklinikum Münster). „Das hat auch viel mit dem Schönheitsideal zu tun, das in unserer Kultur immer noch häufig mit gebräunter Haut in Zusammenhang gebracht wird.“
Beim Sonnenbad im natürlichen UV-A-Licht wird durch die Ausschüttung von Endorphinen und Serotonin immer auch ein Glücksgefühl ausgelöst. Im Extremfall folgt die Tanorexie damit laut Baune auch den typischen Merkmalen anderer Suchterkrankungen: „Die Gedanken fokussieren sich auf die Möglichkeit, sich zu sonnen – und das immer häufiger, länger und intensiver; ist das nicht möglich, erleben die Betroffenen das als stressvolle Entzugssymptomatik. Sozialer Rückzug, das Verlieren von Freunden, Unruhe, Angsterkrankungen und eine Depression können die Folge sein, wenn man täglich vielen Stunden in der Sonne verbringt – ganz zu schweigen von körperlichen Folgeerkrankungen wie etwa Schwarzem oder Weißem Hautkrebs.“
Wie bei anderen Suchterkrankungen kommt es bei auch bei Tanorexie-Betroffenen häufig zu einer großen Diskrepanz in der Selbsteinschätzung und der Einschätzung durch andere. Während die Erkrankten ihre Haut also etwa weiterhin als zu hell oder nicht braun genug wahrnehmen, weist ihr soziales Umfeld sie häufig auf das genaue Gegenteil hin. „Bei einer Behandlung würde man sich im Rahmen einer Therapie daher auch auf die Suchtentwicklung beziehen,“ sagt Baune, „also eine Entwöhnung und Verhaltensänderung durchführen, aber gleichzeitig auch die dahinterliegende Problematik in Bezug auf das Schönheitsideal angehen, das häufig mit einem verminderten Selbstwertgefühl vergesellschaftet ist.“
Verlässliche Zahlen zur Tanorexie gibt es laut Baune übrigens nicht, da sie als eigenständige Erkrankungen aber relativ unbekannt ist, dürfte die Dunkelziffer an Betroffenen relativ hoch sein. Gleichzeitig ändere sich aber das gesellschaftliche Bewusstsein dahingehend, dass eine hohe UV-Strahlung schädlich ist. Zudem sinkt zumindest in Deutschland auch die Zahl der Sonnenstudios, so dass Baune davon ausgeht, dass in Zukunft weniger Menschen von der Sucht nach der Sonne und einer möglichst braunen Haut betroffen sind.