Trotz der Pandemie sind nach Angaben der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) die Organspenden 2020 gegenüber dem Vorjahr stabil geblieben – wenn auch auf niedrigem Niveau. Im April 2019 hatte der Gesetzgeber Änderungen im Transplantationsgesetz vorgenommen. Diese Neuregelung sollte den Kliniken die Spenden-Akquise erleichtern und gleichzeitig durch eine Berichtspflicht für mehr Verbindlichkeit und Transparenz bei der Erkennung möglicher Organspender*innen sorgen. Am UKM (Universitätsklinikum Münster) ist Dr. Jan Englbrecht seit April 2020 (zusammen mit Dorothee Lamann) Transplantationsbeauftragter. Auf Grundlage der Gesetzesnovelle konnte er die Organspenden erkennbar steigern.
Münster (ukm/aw) – Von seiner Tätigkeit als Oberarzt in der Klinik für Anästhesiologie, operative Intensivmedizin und Schmerztherapie ist Englbrecht als Transplantationsbeauftragter freigestellt. „Wenn man die Aufgabe des Transplantationsbeauftragten ernst nimmt, macht es Sinn, sich dem möglichst komplett zu widmen“, so Englbrecht. „Um mehr postmortale Organspenden zu ermöglichen, haben wir auf Grundlage der gesetzlichen Neuregelung aus 2019 entsprechende Maßnahmen ergriffen. Das hat tatsächlich dazu geführt, dass wir am UKM das Bewusstsein für das Thema Organspende fördern und die Identifikation potenzieller Spender*innen somit steigern konnten.“ Seit Englbrechts Amtsantritt hat sich die Zahl der Organspender*innen – und damit einhergehend auch die Zahl der postmortal entnommenen Organe – deutlich erhöht. „Im Jahr 2020 lag die Zahl der als Organspender*innen bei fünf“, sagt Englbrecht. „Das war genau im Schnitt der Vorjahre, wurde also auch durch die Corona-Pandemie nicht nennenswert beeinflusst. In diesem Jahr konnten wir die Zahl allerdings bis Ende November auf zehn verdoppeln“, freut sich Englbrecht.
Durch den Organspendeskandal 2012 sei deutschlandweit viel Vertrauen in der Bevölkerung verloren gegangen, meint Englbrecht. „Wir waren seitdem in Münster bei der Zahl der jährlichen Organspender*innen immer im einstelligen Bereich. Auch andere Transplantationszentren verzeichneten damals eine dramatische Abnahme der Spendenbereitschaft. Und das trotz eines in der Bevölkerung inzwischen geschärften Problembewusstseins in Bezug auf den Mangel an Spenderorganen.“
Die Maßnahmen, die Englbrecht in den Kliniken des UKM ergriffen hat, umfassen unter anderem, dass er ein monatliches Reporting an die ärztlichen Leiter*innen der Intensivstationen schickt, in denen die aktuelle Zahl der potenziellen Organspender für jeden nachzuvollziehen ist. Außerdem bietet das UKM Trainingszentrum vierteljährlich spezielle Trainings, die das Wissen und den Umgang mit dem Hirntod, an den eine Organspende unabdingbar geknüpft ist, vertiefen soll. „So wird unter anderem das Bewusstsein geschärft, welche Patientinnen und Patienten für eine potenzielle postmortale Spende in Frage kämen und wie man die Angehörigen in dieser belastenden Situation bestmöglich betreuen kann“, sagt er. Englbrecht verweist in diesem Zusammenhang auch auf die psychische Ausnahmesituation, in der sich vor allem Pflegende befänden. „Sobald der Hirntod eingetreten ist, kommt den Pflegenden die belastende Aufgabe zu, einen vital wirkenden, de facto aber toten Menschen bestmöglich weiter zu versorgen, um eine Organspende realisieren zu können.“ Und das so lange, bis die Angehörigen genug Zeit hatten, sich vom verstorbenen Angehörigen zu verabschieden und die Organe von der DSO zur Transplantation freigegeben wurden.“
Eine weitere persönliche Aufgabe sieht Englbrecht darin, dass er regelmäßig die Stationen besucht und sein Anliegen mit den Mitarbeitenden bespricht. Hier sei seine jahrelange Vorerfahrung als Intensivmediziner des UKM von Vorteil. „Die Mitarbeitenden kennen mich aus den Zusammenhängen als Oberarzt einer Intensivstation. Das schafft Vertrauen, das externe Personen so schnell nicht aufbauen können.“ Englbrecht hofft, die Organspende-Zahlen am UKM langfristig wenigstens auf dem jetzigen Niveau stabilisieren zu können. „Als Transplantationszentrum haben wir ein hohes Interesse daran, nicht nur Organe zu implantieren, sondern auch dazu beizutragen, dass mehr Menschen ein Spenderorgan bekommen. Denn, so sagt er: „Egal, ob Spender oder Empfänger: Auf beiden Seiten steht ein menschliches Schicksal.“