Endometriose-App hilft Frauen mit Endometriose

Endometriose-App hilft Frauen mit Endometriose

Bild: Der gynäkologische Chefarzt am Clemenshospital, Dr. Sebastian Schäfer, war maßgeblich an der Entwicklung einer App beteiligt, die Frauen mit Endometriose bei der Bewältigung ihrer Krankheit unterstützt. (Foto: Clemenshospital)

Münster – Rund zwei Millionen Frauen leiden in Deutschland unter Endometriose. Dennoch dauert es vom ersten Gang in die Arztpraxis bis zur Diagnose oft Jahre. „Ist die Diagnose dann gestellt, ist es sehr schwierig, bei der Recherche im Internet gesicherte und überprüfte Daten von den vielen Mythen und bewussten Falschinformationen zu unterscheiden“, wie Dr. Sebastian Schäfer berichtet. Schäfer ist Chefarzt der Frauenklinik des Clemenshospitals, einem Krankenhaus der Alexianer, und Experte auf dem Gebiet der Endometriose. Als solcher hat er als wissenschaftlicher Berater bei der Entwicklung einer App mitgewirkt, die Frauen helfen soll, diese schmerzhafte Erkrankung besser zu bewältigen.

Nutzerin der ersten Stunde ist Sarah-Lena Schwarz, die selber betroffen ist. „Bei den vielen Infos im Netz fühlt man sich als Betroffene oft ziemlich hilflos. Selbsthilfegruppen sind zwar toll, stehen aber nicht immer zum Austausch zur Verfügung. Mit der App hingegen fühle ich mich autark!“, freut sich die 37-Jährige. Die Nutzerinnen können ihr aktuelles Schmerzempfinden angeben und erhalten von der App unmittelbar die passenden Tipps. Müssen regelmäßig Medikamente eingenommen werden, erinnert die App auf Wunsch daran. Videos und Artikel geben Tipps zur Ernährung und liefern direkt die passenden Kochrezepte, es finden sich Anleitungen für physiotherapeutische oder entspannende Übungen und weitere Informationen zur Bewältigung der Endometriose. Alle Informationen wurden von Expertinnen und Experten erstellt und kontrolliert. In der Entwicklungsphase haben Testnutzerinnen wie Sarah-Lena Schwarz viele Übungen vorgeschlagen, die von den Expertinnen und Experten überprüft und aufbereitet in die App eingebunden wurden. Die Betroffenen können Vorlieben und Interessen hinterlegen, auf die sich die App einstellt und entsprechende Tipps und Hinweise gibt. In den Sozialen Medien können sich die Nutzerinnen in geschlossenen Gruppen untereinander austauschen. „Die Auswahl eines vielfältigen Repertoires und die Anpassung der Übungen an unser individuelles Befinden sind wesentliche Punkte, die für die Nutzung der App sprechen. Auch als Vorbereitung auf den Arztbesuch ist sie eine große Hilfe“, wie Schwarz erläutert.

„In einer wissenschaftlichen Studie haben wir 122 Nutzerinnen über einen Zeitraum von zwölf Wochen engmaschig begleitet und mit standardisierten Fragebögen befragt. Zusammenfassend verbessert die Endo-App sowohl die körperlichen als auch die psychischen Symptome der Patientinnen. Die App trägt zur Verbesserung der Endometriose-Versorgung hierzulande bei und ermöglicht es den betroffenen Frauen, ihre Lebensqualität deutlich zu steigern“, fasst Schäfer die Ergebnisse der Studie zusammen, betont aber auch, dass die Nutzung der App den Arztbesuch weder ersetzen kann noch soll. Die App gibt es kostenlos im App-Store und wird per Arzt-Rezept freigeschaltet. Alle Daten liegen verschlüsselt auf europäischen Servern, persönliche Daten sind auch für die Herstellerfirma nicht einzelnen Personen zuzuordnen. Damit ist die Datensicherheit gewährleistet. „Die App hat mir geholfen, proaktiv mit der Situation umzugehen. Ich bin aus einer passiven in eine aktive Rolle bei der Bewältigung der Endometriose gewechselt, das hat mir körperlich und psychisch sehr gut getan!“, wie Sarah-Lena Schwarz bestätigt.

Krankenstand: Fehlzeiten im Münsterland steigen 2024 weiter

Krankenstand: Fehlzeiten im Münsterland steigen 2024 weiter

Bild: Krankenstand im Münsterland steigt stark an. Besonders in den Erkrankungsgruppen: Muskel-Skelett-Systems und des Bindegewebes, Krankheiten des Atmungssystems, sowie Psychische Erkrankungen. (Foto: DAK/Wigger)

Münster – Der Krankenstand im Münsterland war im ersten Halbjahr 2024 höher als im Vorjahreszeitraum 2023. Er stieg von 5,4 auf 5,9 Prozent, lag somit in dem landesweiten Durchschnitt für Nordrhein-Westfalen von 5,9 Prozent. Von Januar bis Juni 2024 war jeder und jede Beschäftigte im Münsterland durchschnittlich rund 10,6 Tage krankgeschrieben. Die DAK-Gesundheit hat in einer Sonderanalyse die Krankschreibungen aller DAK-versicherten Beschäftigen in der Region ausgewertet. In der ersten Jahreshälfte kamen auf 100 DAK-versicherte Beschäftigte insgesamt rund 1.065 Ausfalltage, was im Vergleich zum Vorjahreshalbjahr ein Plus von 9,9 Prozent bedeutet.
 
„Der weiterhin hohe Krankenstand im Münsterland ist alarmierend und sollte auch ein Weckruf für die Arbeitgeber sein“, sagt Linda Flockenhaus, stellvertretende Leiterin in Münster. „Wer die Gesundheit seiner Beschäftigten schützt, stärkt auch die Leistungsfähigkeit und den wirtschaftlichen Erfolg seines Unternehmens. Eine Antwort auf die Fehlzeiten könnte ein verstärktes betriebliches Gesundheitsmanagement sein.“
 

Drei Erkrankungsgruppen liegen vorn

Die meisten Ausfalltage gingen im ersten Halbjahr auf das Konto von drei Erkrankungsgruppen. Rang 1 belegten Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems und des Bindegewebes mit 202,9 Fehltagen je 100 Versicherte. Dahinter kamen Krankheiten des Atmungssystems mit 179,6 Fehltagen, gefolgt von Psychische Erkrankungen auf Rang 3 mit 165,1 Fehltagen je 100 Versicherte. Zum Vergleich: Depressionen, Anpassungsstörungen und andere psychische Erkrankungen verursachten landesweit 199 Fehltage je 100 Versicherte. Das waren 21 Prozent mehr Fehltage als im Vorjahreszeitraum.
 

Sonderanalyse zum Gesundheitsrisiko Hitze

Laut DAK-Studie gibt es beim Krankenstand auch erste Auffälligkeiten in heißen Sommerwochen. Die DAK-Gesundheit hat in einer Sonderanalyse gemeinsam mit dem IGES Institut in Berlin die Auswirkungen von Hitze auf die Gesundheit der Beschäftigten untersucht und dafür eine repräsentative Forsa-Befragung beauftragt. Demnach sind in NRW ein Fünftel der Beschäftigten während der Arbeit bei Hitze stark belastet. Besonders Erwerbstätige mit einer chronischen körperlichen oder psychischen Erkrankung fühlen sich deutlich beeinträchtigt (28 beziehungsweise 26 Prozent). Insgesamt geben jedoch nur 2,3 Prozent der Beschäftigten an, wegen gesundheitlicher Probleme durch Hitze krankgeschrieben worden zu sein oder sich deshalb ohne Krankschreibung krankgemeldet zu haben.
 
Die DAK-Gesundheit hat rund eine Million Versicherte in Nordrhein-Westfalen, davon 112.000 im Münsterland. Sie ist eine der größten gesetzlichen Krankenkassen Deutschlands und engagiert sich besonders im betrieblichen Gesundheitsmanagement (BGM). Weitere Informationen zum BGM der Kasse gibt es online unter: www.dak.de/bgm

Prof. Gerhard Diller übernimmt Klinikleitung von Prof. Helmut Baumgartner

Prof. Gerhard Diller übernimmt Klinikleitung von Prof. Helmut Baumgartner

Bild: Prof. Alex W. Friedrich (r.), Ärztlicher Direktor des UKM, verabschiedet Prof. Helmut Baumgartner (l.), der sich um den Aufbau der EMAH-Klinik am UKM verdient gemacht hat, und übergibt UKM-Schlüsselbänder an Prof. Gerhard Diller, der nun die Klinikdirektion übernimmt. (UKM/Wibberg)

Münster war mit Berlin und München die erste deutsche Klinik, die als EMAH-Zentrum zertifiziert wurde. Bis heute ist das Konzept der Klinik einzigartig: Es reicht von der Diagnostik über Bildgebung und konservative Therapien bis hin zu Katheter-Interventionen bei angeborenen Herzfehlern und Klappenerkrankungen im Erwachsenalter. Von Anfang an mit dabei: Prof. Helmut Baumgartner. Es war ein Risiko, sagt er selbst. Aber die eigenommene Vorreiterrolle wurde bestätigt. Die Zahlen in Münster haben sich seit dem Antritt von Baumgartner im Jahr 2008 versechsfacht, die Klinik ist international anerkannt. Jetzt übergibt er den Staffelstab an seinen Nachfolger.

Erwachsene mit angeborenen und erworbenen Herzfehlern

Münster (ukm/maz) – Die Klinik für Erwachsene mit angeborenen Herzfehlern (EMAH) und Klappenerkrankungen am UKM (Universitätsklinikum Münster) hat es ihrem Fach gleichgetan: Sie ist in den vergangenen 16 Jahren aus den Kinderschuhen herausgewachsen und zu einer gestandenen Institution geworden. 2008 als EMAH-Zentrum mit vier Mitarbeitenden und dem damals neu nach Münster gekommenen Prof. Helmut Baumgartner gegründet, arbeiten heute 23 Mitarbeitende unter seiner Leitung. Bis jetzt. Denn der 66-Jährige hat zu August die Klinikdirektion an seinen Nachfolger Prof. Gerhard Diller übergeben. „Diesen Bereich am UKM neu aufzubauen, das war schon ein Risiko für mich damals bei meinem Wechsel von Wien nach Münster“, gibt Baumgartner offen zu. Aber sein Vertrauen in den damaligen Vorstand hat sich ausgezahlt. Nur fünf Jahre später wurde aus dem Zentrum die erste eigenständige universitäre Klinik für EMAH unter Einbezug anderer struktureller Herzerkrankungen – insbesondere Klappenfehlern –, einem Fach, das es zu Beginn der medizinischen und wissenschaftlichen Karriere des Kardiologen Baumgartner noch gar nicht gab. Erst dank des medizinischen Fortschritts insbesondere der Kinderherzchirurgie und Kinderkardiologie erreichen heute 90 Prozent der Patientinnen und Patienten mit angeborenem Herzfehler das Erwachsenenalter und benötigen eine hochspezialisierte Versorgung.

Rückblickend lässt sich sagen: Der Mut hat sich gelohnt. Von zu Beginn rund 1100 ambulanten Patientinnen und Patienten werden heute über 6000 jährlich in der EMAH-Klinik versorgt, stationär hat sich die Zahl auf knapp 1400 Patientinnen und Patienten seit dem Start vervierfacht. „Ich bin sehr dankbar und glücklich über diese sehr erfreuliche Entwicklung“, sagt Baumgartner, die er nicht zuletzt seinem tollen Team zuschreibt, das eine große Beständigkeit aufweist. Auch dadurch sei die kontinuierliche Weiterentwicklung möglich gewesen, ebenso zeichne die Strukturen am UKM die ausgezeichnete Zusammenarbeit mit den hiesigen Kliniken für Herzchirurgie und Kinderkardiologie aus. Ein besonderer Dank gelte zudem der EMAH Stiftung Karla Völlm, die maßgeblich an der Gründung beteiligt war und bis heute für eine Förderung in Millionenhöhe gesorgt hat.

Prof. Gerhard Diller entscheidet sich für Münster

Die Übergabe an Prof. Gerhard Diller freut nicht nur Baumgartner selbst, sondern auch den ärztlichen Direktor und Vorstandsvorsitzenden des UKM, Prof. Alex W. Friedrich. „Herr Diller hatte Rufe nach London und Toronto, an die renommiertesten EMAH-Zentren weltweit, und wir sind stolz, dass er sich für unseren Standort entschieden hat und die ausgezeichnete Arbeit von Herrn Baumgartner fortführen wird“, so Friedrich. „Herr Diller wird das nach wie vor dynamische Fach mit seiner medizinischen wie wissenschaftlichen Expertise weiter voranbringen.“ An seiner Seite ist Dr. Gerrit Kaleschke als Oberarzt und Leiter des Bereichs Intervention struktureller Herzerkrankungen für die Weiterentwicklung der katheter-interventionellen Therapie verantwortlich.

Gerhard Diller hat an der LMU München Medizin studiert und in der dortigen Kinderkardiologie promoviert, verfügt durch Aufenthalte in London unter anderem auch über einen Master in Gesundheitsökonomie. „Das Thema Herzmedizin und insbesondere die Behandlung angeborener Herzfehler hat mich immer fasziniert, da jede Patientin und jeder Patient einzigartig ist und einer lebenslangen spezialisierten Nachsorge bedarf“, sagt der 50-Jährige, der seit seiner Rückkehr aus London 2013 fest zum Team von Helmut Baumgartner gehört. Für ihn ist der Standort Münster nicht nur eine „Herzensangelegenheit“, sondern auch einzigartig. „Münster ist die zukunftsweisende Integration von strukturellen und angeborenen Herzfehlern in einer erwachsenenkardiologischen Klinik und von diesen wichtigen Synergieeffekten profitieren Patienten.“

Seine Ziele hat er fest im Blick; sie betreffen nicht nur die Bedürfnisse von Patientinnen und Patienten mit angeborenen Herzfehlern, sondern auch die translationale Forschung. „Es gibt konkrete akademische Projektideen insbesondere im Bereich der künstlichen Intelligenz beziehungsweise Big-Data-Analyse, von denen wir hoffen, dass sie baldmöglichst die klinische Versorgung von EMAH-Patienten verbessern“, erklärt Diller. „Und wir werden weiterhin in den Schwerpunkt innovativer Bildgebung investieren, da ich überzeugt bin, dass das Verständnis der zugrundeliegenden Herzanatomie und -funktion die Basis der lebenslangen optimalen Behandlung von EMAH-Patienten bleibt.“

NAKO untersucht erneut 4.500 Münsteraner

NAKO untersucht erneut 4.500 Münsteraner

Bild: Läuten die dritte Untersuchungsrunde ein (v.l.n.r.): Prof. André Karch mit einer der ersten Teilnehmerinnen der NAKO-Drittuntersuchung im münsterschen Zentrum gemeinsam mit Zentrumsleiter Dr. Henning Teismann und Studienassistentin Natalia Molenda (Foto: Uni MS/P. Leßmann)

Dritter Durchgang der Langzeit-Bevölkerungsstudie NAKO ist angelaufen

Münster (mfm/sw) – Welche Risikofaktoren für Volkskrankheiten gibt es? Was kann vor ihnen schützen? Welchen Einfluss haben Umwelt, Arbeitsumfeld und soziale Beziehungen auf unsere Gesundheit? Solchen Fragen geht die größte Langzeit-Bevölkerungsstudie in Deutschland nach – die Rede ist von der NAKO Gesundheitsstudie. Zu den bundesweit 18 Studienzentren gehört auch das in Münster: Vor bereits zehn Jahren wurden Bürgerinnen und Bürger der Stadt eingeladen, sich in dem von der Universität Münster gemanagten Studienzentrum untersuchen zu lassen und mit ihren Gesundheits- und Krankheitserfahrungen zu dem Mammutprojekt beizutragen. Jetzt sind die Untersuchungen für den dritten Durchgang der Studie angelaufen: Am Pottkamp 17a konnten die Uni-Mediziner jetzt die ersten Probandinnen und Probanden zum dritten Mal begrüßen.

Die Adresse nahe des Coesfelder Kreuzes sollte den Teilnehmenden der NAKO Gesundheitsstudie mittlerweile gut bekannt sein – schließlich hat sie sich seit dem Projektstart 2014 nicht geändert. Was vor zehn Jahren mit rund 10.000 Probandinnen und Probanden aus Münster begann, kann dank einer erneuten Förderzusage für das NAKO-Trägerkonsortium in eine neue Runde gehen. In der unterziehen sich die Teilnehmenden – wie schon in den Runden zuvor – zahlreichen standardisierten Tests von der Blutdruckmessung über die Greifkraftmessung bis zur Erfassung der Riechfähigkeit, um körperliche Funktionen und deren Veränderungen über die Jahre hinweg zu überprüfen. „Das Besondere an der Drittuntersuchung ist schlicht die Kontinuität“, sagt Prof. André Karch. Nur durch die identische Durchführung des überwiegenden Teils der bisherigen NAKO-Untersuchungen könne die Entstehung von leichten Abweichungen über subklinische Syndrome bis zu manifesten Erkrankungen über eine ganze Dekade erfasst werden, so der stellvertretende Direktor des Instituts für Epidemiologie und Sozialmedizin der Uni Münster, das das örtliche NAKO-Studienzentrum betreibt.

Eingeladen zur Drittuntersuchung werden vorherige NAKO-Probandinnen und Probanden – diese waren seinerzeit nach dem Zufallsprinzip vom Einwohnermeldeamt ausgewählt worden. In Münster rechnen die NAKO-Verantwortlichen damit, bis Mai 2028 etwa 4.500 Teilnehmende erneut untersuchen zu können. Bundesweit haben in den 18 Studienzentren in der ersten Runde 204.000 und in der zweiten Runde 138.000 Menschen an der Gesundheitsstudie teilgenommen – die Drittuntersuchung zielt darauf ab, an allen Standorten zusammen 85.000 davon nochmals begrüßen zu können. Es wird davon ausgegangen, dass weitere etwa 5.000 Teilnehmende zwischenzeitlich verstorben sind.
Die Bereitschaft der Münsteranerinnen und Münsteraner, sich ein drittes Mal einige Stunden Zeit für die Forschung zu nehmen, schätzt Karch hoch ein: „Wir haben viel positives Feedback erhalten und die regelmäßigen Informationen aus den Ergebnisbriefen für jede Teilnehmerin und jeden Teilnehmer stellen im Langzeitverlauf über zehn Jahre wichtige Ergebnisse bereit.“

Hintergund: Die NAKO Gesundheitsstudie
Die NAKO Gesundheitsstudie ist eine prospektive epidemiologische Kohortenstudie. Die Forschenden beobachten dabei eine große Gruppe – eine sogenannte Kohorte – aus gesunden, kranken oder ehemals kranken Menschen über eine lange Zeitspanne. Ziel ist es, durch wissenschaftliche Auswertungen der Daten der Teilnehmenden Häufigkeit und Ursachen von Volkskrankheiten wie Krebs, Diabetes oder Herz-Kreislauferkrankungen aufzuklären, Risikofaktoren zu erkennen und Wege für eine wirksame Vorbeugung und Früherkennung aufzuzeigen.

Das Forschungsprojekt wird von 26 Einrichtungen getragen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von Universitäten, der Helmholtz-Gemeinschaft, der Leibniz-Gemeinschaft und weiteren Forschungsinstituten in Deutschland arbeiten in einem bundesweiten Netzwerk zusammen. Die Studie wird vom Verein NAKO e.V. durchgeführt und aus öffentlichen Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, der Helmholtz-Gemeinschaft, der beteiligten Bundesländer sowie den beteiligten Universitäten und Leibniz-Instituten finanziert.

3D-Modell hilft, Amputation bei ukrainischem Kriegsversehrten abzuwenden

3D-Modell hilft, Amputation bei ukrainischem Kriegsversehrten abzuwenden

Bild: OP-Planung anhand eine 3D-Modells: Unfallchirurg Prof. Steffen Roßlenbroich, der Leiter des 3D-Centers, Priv.-Doz. Dr. Martin Schulze, und Prof. Tobias Hirsch, Plastischer Chirurg. (Foto © UKM)

Immer wieder werden im Rahmen der Solidaritätsvereinbarung mit der Ukraine auch am UKM ukrainische Patientinnen und Patienten behandelt, die dort wegen der Kriegshandlungen nicht ausreichend versorgt werden können. Ein 26 Jahre alter Soldat, dessen Oberschenkel direkt unterhalb der Hüfte durch einen Granatsplitter zerschmettert worden war, konnte in seinem Heimatland gerettet werden – aber die komplexe Operation, die nötig war, um sein rechtes Bein vor einer vollständigen Amputation zu bewahren, konnte man dort nicht leisten. Am UKM behandeln den jungen Mann zahlreiche Disziplinen in engem Austausch. Um perfekt vorbereitet zu sein, haben die Operateure den Eingriff an einem 3D-Modell geplant.

Münster (ukm/aw) – Es ist auch für die Spezialistinnen und Spezialisten einer Universitätsmedizin eine Herausforderung: Wie kann ein Oberschenkelknochen, bei dem nach den ersten Operationen zehn Zentimeter fehlen, so ersetzt werden, dass der Patient sein Bein nicht verliert und im Idealfall wieder laufen kann? „Nicht nur, dass im Oberschenkel ein großer knöcherner Defekt ist, auch der Hauptnerv ist betroffen. Zusätzlich hat der Mann noch Granatsplitter rund um die Hüfte. Der Eingriff ist so komplex, dass hier viele Disziplinen mit im Boot sind – vom ABS-Team, das uns zur richtigen Antibiose berät, über die Gefäßchirurgie bis hin zur Mikrobiologie“, sagt Prof. Steffen Roßlenbroich. Diese interdisziplinäre Abstimmung wurde auf Grundlage des G-BA geförderten
EXPERT-Projekts am UKM etabliert. In diesem Projekt, bei welchem neun Fachdisziplinen interdisziplinär komplexe Patienten besprechen, werden 31 Krankenhäuser in Nordwest-Deutschland mit universitärer Expertise versorgt. In diesem Fall profitiert auch ein Patient aus der Ukraine von dieser Struktur.

Planungen am 3D-Druck-Modell

Am Tag vor der geplanten Operation hat sich der Geschäftsführende Oberarzt der Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie am UKM (Universitätsklinikum Münster) mit seinem Kollegen Prof. Tobias Hirsch, Direktor der Plastischen Chirurgie, und mit Priv.-Doz. Martin Schulze, Leiter des 3D-Centers der Universitätsmedizin Münster, getroffen. „Heute kommen wir alle gemeinsam ins Spiel, weil wir überlegen müssen: Wie können wir diesen Defekt ersetzen? Wenn wir das nicht schaffen, müssen wir den Patienten auf Hüfthöhe amputieren – und das wäre tragisch“, so Hirsch. „Die Anforderung an das 3D-Center war: Zeigt uns diesen Defekt, zeigt uns die jetzige Situation im Oberschenkel, zeigt uns, was wir aus dem Wadenbein entnehmen müssen und zeigt uns, wo wir es ans Blutgefäßsystem anschließen können“, fasst Hirsch die komplexe Herausforderung zusammen. Wobei das Team um Schulz seine Mission erfüllt hat: Vor den Experten liegt ein aus verschiedenen Materialien gedrucktes, lebensgroßes „Puzzle“ des Operationsgebiets. Die relevanten Knochen und das versorgende Gefäßsystem sind farblich unterscheidbar.

Den Weg über ein teures 3D-Modell gehen die Universitätsmediziner immer dann, wenn die Ausgangssituation schwierig ist und die Operationsschritte der verschiedenen Disziplinen aufeinander aufbauen, weiß Priv.-Doz. Martin Schulze: „Es muss natürlich eine gute Begründung geben, die den Aufwand rechtfertigt. Und da sind komplexe Fälle wie dieser einfach prädestiniert. Das Zusammenspiel aus zu ersetzenden Oberschenkelknochen, Venen und Arterien muss verstanden werden. Jeder Chirurg bekommt durch unser Modell die 1:1-Verhältnisse, wie sie ihn im OP erwarten, direkt vor Augen geführt. Da hilft es natürlich der Konfiguration auch, selbst Chirurg zu sein, denn man spricht die gleicher Sprache und kennt die Herausforderungen“, so der 3D-Zentrumsleiter.

Der ukrainische Patient konnte am Folgetag der interdisziplinären Beratungen erfolgreich operiert werden. „Diese komplizierte Operation hat sehr gut geklappt, jetzt muss es nur noch heilen, freut sich Unfallchirurg Roßlenbroich. Und fügt hinzu: „Wir wünschen ihm und uns sehr, dass das Bein erhalten bleibt und tragfähig genug sein wird, damit weiter durchs Leben gehen zu können.“

Video: Planungen am 3D-Druck-Modell: Die Experten des UKM am Vortag vor der Operation des ukrainischen kriegsverletzten Patienten.