Bild: Kommt die Behandlung der Parkinson-Krankheit mit Tabletten an ihre Grenzen, sollte eine Therapieumstellung erfolgen. „Wichtig ist in jedem Fall, Betroffene über alle Therapiemöglichkeiten gut aufzuklären und über neue Entwicklungen zur informieren“, erklärt PD Dr. Florin Gandor, Leiter Zentrum Klinische Studien, Neurologisches Fachkrankenhaus für Bewegungsstörungen / Parkinson Beelitz-Heilstätten. Foto: DJD/AbbVie/Michael Colella
Bei fortgeschrittener Parkinson-Krankheit reichen Tabletten oft nicht mehr aus
(DJD) – Bei der Parkinson-Krankheit werden Nervenzellen im Gehirn geschädigt, wodurch die Bewegungsfähigkeit eingeschränkt wird. Typische Symptome sind verlangsamte Bewegungen, Muskelsteife und Zittern. Parkinson kann nicht geheilt, aber gut behandelt werden. Einige Jahre lang funktioniert das sehr gut mit Tabletten, doch bei fortschreitender Erkrankung stößt diese Therapie an ihre Grenzen: „Mit der Zeit können die Nervenzellen im Gehirn den Wirkstoff aus den Tabletten immer weniger aufnehmen und abgeben“, erklärt dazu der Neurologe PD Dr. Florin Gandor. „Die Medikamente wirken kürzer und ungleichmäßiger.“
Anzeichen für fortgeschrittenen Parkinson erkennen
Dass die Tabletten nicht mehr ausreichen, merken Betroffene zum Beispiel daran, dass die Zeiten guter Beweglichkeit (ON-Phasen) kürzer werden und sich die Betroffenen häufiger nur schlecht oder gar nicht bewegen können (OFF-Phasen). Zusätzlich kann es zu unwillkürlichen Überbewegungen kommen. „Wenn jemand trotz einer Kombinationstherapie unterschiedlicher Parkinson-Medikamente fünfmal am Tag Parkinson-Medikamente einnimmt und dennoch mindestens zwei Stunden schlecht beweglich und eine Stunde überbeweglich ist, ist der Punkt erreicht, an dem sich die Symptome mit Tabletten nicht mehr zufriedenstellend behandeln lassen“, verdeutlicht der Neurologe. Parkinson-Patienten sollten dann bei einem Arzttermin besprechen, ob eine sogenannte nicht-orale Folgetherapie ratsam ist. Hier gibt es mehrere Möglichkeiten: So können bestimmte Gehirnareale mit operativ eingesetzten Elektroden stimuliert werden. Zudem gibt es zwei Arten von Pumpentherapien, die den jeweiligen Wirkstoff fortlaufend in den Körper bringen. Bei einer Methode geschieht das direkt in den Dünndarm, wofür in einer kurzen Operation eine Sonde in den Darm gelegt wird. Bei der anderen Option wird der Wirkstoff unter die Haut verabreicht. Eine OP ist dafür nicht nötig.
Nur vier von zehn Betroffenen erhalten eine Folgetherapie
Oft wird jedoch zu spät an eine Therapieumstellung gedacht: Wie eine Studie von 2022 zeigt, erhalten nur 41 Prozent der für eine nicht-orale Folgetherapie geeigneten Patienten diese auch. „Das hängt mit verschiedenen Faktoren zusammen“, weiß PD Dr. Gandor. Eine Rolle spiele beispielsweise die Angst vor Operationen. „Wichtig ist in jedem Fall, Betroffene über alle Therapiemöglichkeiten gut aufzuklären und über neue Entwicklungen zu informieren.“ Ziel sei, wieder eine durchgehend gute Beweglichkeit und damit verbesserte Lebensqualität zu erreichen. Auch die Ausübung von Hobbys könne dann wieder möglich sein, so der Mediziner: „Einer unserer Patienten hat sich zum Beispiel sehr gefreut, wieder Motorrad fahren zu können.“
Bild: Gemeinsam aktiv für die Belange von Parkinson-Patienten (v.l.): Prof. Tobias Warnecke, Parkinson-Nurse Theresa Becking, Logopädin Sigrid Ahring, Physiotherapeutin Lena Frenz, Ergotherapeutin Margarete Berg und Dirk Robrecht, Leiter der Zentralen Einrichtung Therapeutische Gesundheitsberufe am UKM.
Multidisziplinäre Fallkonferenzen sind innerhalb von medizinischen Institutionen mittlerweile nahezu Standard, sobald aber mehrere ambulante und stationäre Gesundheitsversorger institutionsübergreifend involviert sind, läuft die Abstimmung häufig gar nicht. Für Betroffene der Parkinson-Krankheit soll ab Juli mithilfe der neuen digitalen Plattform „JamesAKTIV“ eine koordinierte, patientenzentrierte Versorgung sichergestellt werden.
Münster (ukm/maz) – Die Symptome der Parkinson-Krankheit sind vielfältig, die dauerhafte Therapie der Gehirnerkrankung ist dementsprechend komplex: Neben regelmäßigen Arztbesuchen, Physio- und Ergotherapie umfasst sie auch Logopädie und die Einstellung der richtigen Medikamentendosis. Jedoch sitzen die dafür verantwortlichen niedergelassenen Ärzte, Therapeuten diverser Fachdisziplinen und Mediziner stationärer Einrichtungen selten zusammen an einem Tisch. „Wir sehen immer wieder, dass das Potenzial der aktivierenden Therapien nicht vollständig für den Patienten ausgeschöpft werden kann. Deshalb haben wir eine Plattform entwickelt, die durch eine Art digitaler Karteikarte und durch gemeinsame Fallkonferenzen die Arbeit aller an der Therapie beteiligten Fachdisziplinen, egal ob ambulant oder stationär, vereint“, erklärt Prof. Tobias Warnecke, Oberarzt in der Klinik für Neurologie mit Institut für Translationale Neurologie am UKM (Universitätsklinikum Münster).
Die neue Plattform „JamesAKTIV“ (in Anlehnung an den britischen Arzt und Entdecker James Parkinson) startet im Laufe des Julis und erfolgt innerhalb des vom Innovationsfonds über dreieinhalb Jahre geförderten Projektes „ParkinsonAKTIV“. Mittels einer sogenannten Quickcard, einer Art digitaler Patienten-Karteikarte, in die der niedergelassene Neurologe ebenso den aktuellen Gesundheitszustand eintragen kann, wie der betreuende Mediziner eines Krankenhauses oder der Physiotherapeut, dem in der Behandlung eine Veränderung aufgefallen ist, soll ein Austausch stattfinden. „Wir wollen Interdisziplinarität über die Grenzen einzelner Institutionen hinweg leben und damit eine koordinierte, patientenzentrierte Versorgung von Parkinson-Patienten sicherstellen“, erklärt Warnecke. Gemeinsame Fallkonferenzen, die bei Bedarf von den Behandlern im System angefordert werden können, runden das Angebot ab. Dafür können im Rahmen eines Assessment-Centers auch Mediziner und Therapeuten hinzugezogen werden, die nicht unmittelbar an der Versorgung des jeweiligen Patienten beteiligt sind. „Durch diese unabhängige, interdisziplinäre Fallbegutachtung können noch mal wieder andere Ideen, andere Therapieansätze eingebracht werden, weil der Patient durch eine andere Brille betrachtet wird“, sagt Warnecke, der u.a. auch Sprecher des Parkinsonnetz Münsterland+ (PNM+) ist, einem Zusammenschluss von rund 150 Experten verschiedener Fachgruppen sowie Betroffenen und Angehörigen.
Auch Tom Ackermann, Vorstandsvorsitzender der AOK NORDWEST, die neben den Teilnehmern des PNM+ als Krankenkasse das Projekt unterstützt, begrüßt die Programmierung und Inbetriebnahme der neuen digitalen Plattform: „Mit dem Start des ParkinsonAKTIV-Projektes und der neuen Kommunikationsplattform JamesAKTIV wird sich die vernetzte Versorgung für Parkinson-Erkrankte zunächst im Raum Münster, Osnabrück und im Tecklenburger Land spürbar verbessern. Nach erfolgreicher Pilotierung wird es unsere gemeinsame Aufgabe sein, diese Versorgungsstruktur in andere Regionen auszurollen“, sagt Tom Ackermann.
Mit etwa 400.000 Betroffenen in Deutschland ist die Parkinson-Krankheit die zweithäufigste neurodegenerative Erkrankung. Bei einem Informationsnachmittag am Mittwoch, 11. September stellen Experten des UKM Patienten, Angehörigen und Interessierten neue Behandlungsmöglichkeiten vor. Eine davon: Der Einsatz von medizinischem Cannabis.
Münster (ukm/som) – Bewegungshemmung, Muskelsteifheit und auffälliges Zittern: Durchschnittlich um das 60. Lebensjahr kann Parkinson auftreten. Ausgelöst wird die Krankheit durch das Absterben Dopamin-produzierender Nervenzellen. Bereits heute werden jährlich rund 1.200 Betroffene am UKM (Universitätsklinikum Münster) behandelt. Bis zum Jahr 2030 wird weltweit mit mehr als neun Millionen Parkinson-Patienten gerechnet – wen wundert es da, dass sich in der Erforschung der Krankheit derzeit vieles tut. Von Apps über Anwendungsmöglichkeiten bei der Tiefen Hirnstimulation bis hin zu aktivierenden Therapien: Mit einem Parkinsonnachmittag möchte die Klinik für Neurologie am UKM alle Interessierten über neue Therapiemöglichkeiten informieren.
„Es sind vor allem fachübergreifende Netzwerkstrukturen wie das Parkinsonnetz Münsterland+, die eine verbesserte Versorgung der Patienten ermöglichen“, weiß Prof. Dr. Tobias Warnecke, Oberarzt am UKM. „Aber besonders auch der Einsatz von Cannabis scheint für viele Patienten von großem Interesse, die Nachfrage der Betroffenen danach ist jedenfalls stark steigend.“ Seit mehr als zwei Jahren können Ärzte medizinisches Cannabis zur Unterstützung der Therapie bei Parkinson in bestimmten Fällen verschreiben. Seitdem herrscht ein regelrechter Hype um den Einsatz. Doch dieser ist nach wie vor stark diskutiert, die Wirkung des Cannabis bei Parkinson konnte etwa wissenschaftlich noch nicht eindeutig nachgewiesen werden. „Wie immer in der Medizin ist hier eine differenzierte Betrachtungsweise sinnvoll“, betont Warnecke. „Die zentrale Frage ist: Wie kann Cannabis spezifisch eingesetzt werden?“ Bei Schmerzen und Schlafstörungen etwa könne der medizinische Einsatz von Cannabis, als Tabletten oder Tropfen eingenommen, bei manchen Patienten Symptome lindern helfen. Doch auch die Nebenwirkungen dürften nicht unbeachtet bleiben. Außerdem wird in Deutschland derzeit an Therapien geforscht, die – anders als Cannabis – die Ursache der Erkrankung bekämpfen.
Diese aktuellen Trends und Forschungen sowie weitere Behandlungsmöglichkeiten stellen ausgewählte Experten des UKM beim Parkinsonnachmittag am Mittwoch, 11. September 2019 von 15 bis 18 Uhr vor.
Rund 400.000 Menschen sind nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Parkinson und Bewegungsstörungen in Deutschland von Parkinson betroffen. Um auf die Erkrankung und das Schicksal der Patienten aufmerksam zu machen, findet weltweit am 11. April der Welt-Parkinson-Tag statt. Am UKM (Universitätsklinikum Münster) werden jährlich mehr als 1.000 Patientinnen und Patienten mit Parkinson versorgt. Dabei spielen auch neue Technologien eine Rolle: Eine Studie am UKM testet zurzeit ein mobiles System zur Bewegungsanalyse von Betroffenen.
Münster (ukm/js) – Seit knapp einem Jahr existiert das Parkinsonnetz Münsterland+, ein Zusammenschluss aus Betroffenen, Angehörigen sowie Experten, die an der Behandlung der Patienten beteiligt sind. „Die Parkinson-Krankheit tritt bei den Betroffenen individuell sehr unterschiedlich auf. Daher stellt die Erkrankung eine besondere Herausforderung für Patienten, deren Angehörige aber auch uns Ärzte dar. Durch den Zusammenschluss im Parkinsonnetz wollen wir den Austausch zwischen Betroffenen und Fachleuten patientenorientiert gestalten und unsere Expertise bündeln“, erklärt Prof. Dr. Tobias Warnecke, Oberarzt und Parkinsonexperte der Klinik für Neurologie am UKM. Besonders interessiert sind die Patienten nach Warneckes Erfahrungen an Informationen zum Thema „Neue Technologien“, denn in Zeiten von Smartphones und Smartwatches könnten sich für Mediziner und Patienten in Zukunft ganz neue Möglichkeiten eröffnen. Informatiker vom Institut für Medizinische Informatik der Medizinischen Fakultät Münster haben ein Mobiles Systems zur Bewegungsanalyse von Menschen mit Parkinson entwickelt, das derzeit in einer Studie in der UKM Neurologie getestet wird.
Was kompliziert klingt, ist in der Praxis ganz einfach: Mit zwei Smartwatches an den Handgelenken der Patienten, auf denen die in Münster entwickelte App installiert ist, wird eine neurologische Untersuchung durchgeführt. „So werden die Bewegungsdaten hochauflösend im Millisekunden-Bereich gemessen und mit den Methoden der Künstlichen Intelligenz ausgewertet. Derzeit werden Parkinson und andere Bewegungsstörungen in der Regel durch eine ärztliche neurologische Untersuchung festgestellt, die immer auch von der subjektiven Einschätzung des Arztes abhängig sind. Durch den Einsatz objektiver Systeme wie unserer App könnte in Zukunft die Diagnosemöglichkeit von Parkinson deutlich verbessert werden“, erklärt Dr. Julian Varghese. Er ist Arzt und Informatiker und hat das neue Mobile System in Kooperation mit der Neurologie am UKM entwickelt. Dort sollen bis Ende 2020 insgesamt bis zu 1000 Probanden untersucht werden.
Ergänzt werden die Bewegungsdaten der Hand um elektronische Fragebögen, die der Untersucher am Smartphone ausfüllt. Dadurch werden wichtige Informationen zur Familienanamnese, Medikation und Fragen zu Begleitsymptomen wie Depressionen, Müdigkeit und allgemeinen Lebensqualität ebenfalls ausgewertet. Dank des Parkinsonnetzes Münsterland+ hatten die Mediziner in Münster bislang noch keine Probleme, Probanden für die Studie zu rekrutieren. „Unsere Patienten sind sehr aufgeschlossen gegenüber den neuen Untersuchungsmöglichkeiten und erste Zwischenresultate der Studie lassen uns auf künftig verbesserte Diagnosen hoffen“, freut sich Neurologe Prof. Tobias Warnecke.
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