Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie am UKM erweitert

Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie am UKM erweitert

Bild: Freuen sich über das neue Bettenangebot, von dem Menschen mit psychosomatischen Symptomen künftig profitieren: Klinikdirektor Prof. Rupert Conrad und der Kaufmännische Direktor des UKM, Dr. Christoph Hoppenheit. © Foto: UKM/Wibberg

Neue moderne Räume und zusätzliche Betten: Die Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie ist von bisher 14 auf nun 22 Betten erweitert worden. Ein neuer Schwerpunkt liegt auf der Behandlung junger Erwachsener. Neu hinzugekommen ist ein Wahlleistungstrakt. Modernisierte Räumlichkeiten tragen zu einer komfortablen Aufenthaltsqualität für Patientinnen und Patienten bei.

Münster (ukm/aw) – Mit dem neuen und erweiterten stationären Angebot reagiert die Klinik auf den wachsenden Bedarf an psychosomatischer Therapie. Prof. Rupert Conrad, Direktor der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie am UKM, unterstreicht die Bedeutung der Umgebung für die Therapie. „Wir wollen denjenigen, die unsere therapeutische Unterstützung benötigen, einen Schutzraum bieten, in dem sie sich vollkommen wohlfühlen können und der ihnen hilft, sich auf sich und ihre Bedürfnisse zu konzentrieren“, sagt Conrad. Und auch der Kaufmännische Direktor, Dr. Christoph Hoppenheit, freut sich über die Erweiterung und die Modernisierung der Klinik. „Ich bin sehr zufrieden, dass wir nun auch unsere Räumlichkeiten entsprechend der ausgezeichneten medizinischen Standards, die Patientinnen und Patienten in dieser Klinik vorfinden, anpassen konnten. Die Aufenthaltsdauer von Menschen mit einer behandlungsbedürftigen psychosomatischen Symptomatik ist im Durchschnitt sehr viel länger als in anderen medizinischen Disziplinen“, so Hoppenheit.

An den Wänden der hellen und freundlichen Zimmer hängen gerahmte unterschiedliche „Münster-Motive“. Die stimmungsvollen Fotos von Aasee, Schloss, Promenade und Hafen haben gemeinsam, dass auf ihnen ein Weg im Bildmittelpunkt steht: „Wir haben uns bewusst für dieses symbolische Leitmotiv entschieden. Kernelement unserer Behandlung ist die Unterstützung bei der Bewältigung von Entwicklungsschritten, die bisher aufgrund der psychischen Erkrankung nicht gegangen werden konnten.“ Die Klinik hat die Schwerpunkte Essstörungen, stressassoziierte körperliche Beschwerden und Traumafolgestörungen sowie die Behandlung junger Erwachsener mit Problemen an der Schwelle zwischen Kindheit und Erwachsenenalter. Die sogenannte Transitionspsychosomatik wendet sich an Betroffene im Alter zwischen 18 und 29 Jahren und unterstützt sie darin, ihren Weg zu beschreiten.

Drei Fragen an Prof. Rupert Conrad, Direktor der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie

Herr Prof. Conrad, warum haben gerade junge Erwachsene scheinbar immer öfter Schwierigkeiten, ihren Weg zu finden?
Das junge Erwachsenenalter zeigt die größte Häufigkeit psychischer Störungen. Studien zufolge erfüllt jeder dritte junge Erwachsene die Kriterien für psychische Erkrankungen, auf der anderen Seite werden Hilfsangebote gerade von dieser Altersgruppe am wenigsten in Anspruch genommen. Das Phänomen des verlängerten Erwachsenwerdens hat etwas mit den komplexer werdenden Anforderungen in dieser Altersphase zu tun. Also Identitätsbildung, Sicherstellung einer beruflichen Perspektive und auch die Ablösung vom Elternhaus – das alles bei gleichzeitig unsicheren Rahmenbedingungen mit finanzieller Unsicherheit und wenig Stabilität in Partnerschaften. Gleichzeitig ist durch die sozialen Medien der Druck zur Selbstoptimierung gestiegen. Der ständige Vergleich mit Gleichaltrigen macht es notwendig, sich möglichst gut und attraktiv darzustellen. Das ist kaum vereinbar mit eigenen Zweifeln und Ängsten.

Ist das auch eine Frage der Erziehung?
Das hat sicher auch etwas mit der Erziehung zu tun, aber vor allem mit dem gesamten sozio-kulturellen Umfeld. In einer wirtschaftlich hoch entwickelten Gesellschaft versuchen Eltern ihren Kindern bis weit ins junge Erwachsenenalter alle Möglichkeiten zur Bildung zu geben, was ja grundsätzlich eine positive Entwicklung ist. Der Anspruch, die bestmögliche Auswahl aus diesem Angebot zu treffen, insbesondere bei elterlicher Überbehütung – Stichwort „Helikopter-Eltern“ – stellt für viele junge Erwachsene eine Überforderung dar.

Welches sind die typischen Störungen von jungen Erwachsenen und wie behandeln Sie diese?
Der Fokus liegt auf der Behandlung von Essstörungen, stressassoziierten körperlichen Beschwerden sowie der Bewältigung chronischer körperlicher Erkrankungen, Traumafolgestörungen und Angsterkrankungen. Viele Betroffene zeigen als Begleiterkrankung Depressionen, sodass Betroffene regelmäßig mehr als eine Diagnose haben. Es ist vor allem wichtig, zum Beispiel eine sich entwickelnde Angststörung oder Essstörung möglichst früh zu erkennen und zu behandeln, bevor sie chronisch wird. Unser integratives Therapiesetting mit psychodynamischem Schwerpunkt bietet Einzel- und Gruppentherapiesitzungen, Bewegungs- und Gestaltungstherapie, soziales Kompetenz- oder auch Entspannungs- und Achtsamkeitstraining. Daneben auch medikamentöse Behandlung und systemische Interventionen. Die Dauer der Behandlung liegt in den meisten Fällen zwischen sechs und zwölf Wochen. Junge Erwachsene sollen die Klinik in dieser Zeit als geschützten Raum erleben, wo sie sich nicht verstecken oder verstellen müssen und offen mit Gleichaltrigen reden können.

UKM-Ambulanz hilft Betroffenen und Angehörigen nach langem Aufenthalt auf der Intensivstation

UKM-Ambulanz hilft Betroffenen und Angehörigen nach langem Aufenthalt auf der Intensivstation

Bild: Nach einem längeren Aufenthalt auf einer Intensivstation brauchen Patientinnen und Patienten eine Anlaufstelle: Darum kümmern sich Prof. Melanie Meersch-Dini und Dr. Mahan Sadjadi in der UKM-Ambulanz für intensivmedizinische Nachsorge. (Foto: UKM)

Deutschlandweit gibt es bisher lediglich zwei Anlaufstellen dieser Art: Die Ambulanz für Intensivmedizinische Nachsorge am UKM ist auf die Behandlung von gesundheitlichen Langzeitfolgen nach einem längeren Aufenthalt auf einer Intensivstation spezialisiert. Denn ehemalige Dauer-Intensivpatientinnen und -patienten haben häufig nicht nur mit den psychischen Folgen einer Zeit zu kämpfen, in der sie selbst handlungsunfähig waren und ihr Überleben auf der Kippe stand, sondern auch mit organischen Langzeitfolgen. Viele Betroffene unterschätzen mögliche gesundheitliche Konsequenzen und verzichten auf weitere medizinische Behandlung.

Münster (ukm/aw) – Ein Herzinfarkt, ein Unfall mit Hirnblutung, eine Sepsis: Gründe dafür lange Zeit auf einer Intensivstation zu liegen, gibt es viele. Doch so sehr die individuell ursächlichen Diagnosen sich auch unterscheiden mögen – was Patientinnen und Patienten im Schnitt nach bereits einer Woche intensivmedizinischer Behandlung gemeinsam haben, ist die Gefahr, weiter abzubauen und danach nie wieder an den gewohnten gesundheitlichen Zustand anknüpfen zu können. „Die sozialen Kosten sind für diese Patientinnen und Patienten sehr hoch. Viele wollen einfach nur wieder nach Hause, können sich aber nur schwer oder gar nicht wieder in ihr gewohntes Leben integrieren. Oft bleiben sie erwerbsunfähig und erreichen das alte Leistungsniveau nicht auch nur annähernd“, sagt Prof. Melanie Meersch-Dini, Leiterin der Ambulanz für intensivmedizinische Nachsorge und Oberärztin der Klinik für Anästhesiologie, operative Intensivmedizin und Schmerztherapie am UKM (Universitätsklinikum Münster). „Unsere Patientinnen und Patienten liegen meist beatmet und sediert bei uns. Doch schon nach vier Tagen Aufenthaltsdauer zeigen sich alleine die körperlichen Auswirkungen, die unter anderem mit einem Abbau der Muskulatur verbunden sind“, sagt die Intensivmedizinerin.

Fast alle der Betroffenen klagten nach Abschluss der Behandlung aber auch über mittlere bis starke kognitive Einschränkungen, beispielsweise verbunden mit dauerhaften Konzentrationsstörungen oder dem gefürchteten Chronischen Fatigue-Syndrom (CFS). „Eine große Operation oder ein intensivpflichtiges Ereignis ist immer mit dem Risiko eines Delirs behaftet, vor allem bei Älteren. Das kann sich noch einige Wochen oder sogar Monate nach Abschluss der Behandlung in abgeschwächter Form fortsetzen“, sagt Meersch-Dini.

In der Folge kann einer schleichenden Demenzentwicklung Vorschub geleistet werden. Weitere körperliche Folgen eines langen Intensiv-Aufenthalts sind beispielsweise sich einstellendes chronisches Organversagen bei Niere oder Leber oder auch eine bleibende Herzinsuffizienz, entstehen kann ein sogenanntes Post Intensive Care Syndrom (PICS). Es fasst körperliche wie psychische Langzeitfolgen eines Aufenthalts auf einer Intensivstation zusammen und kann die Lebensqualität direkt beeinflussen.

Betroffene werden in der UKM-Ambulanz vollständig durchgecheckt und erhalten einen Fahrplan für die sich anschließende Behandlung. Dabei wird gegebenenfalls dann auch das familiäre Umfeld mitbehandelt: Die psychischen Folgen des Bangens um den geliebten Menschen haben nämlich auch Auswirkungen auf die Angehörigen.

Während in Deutschland PICS als komplexe Diagnose kaum hinterlegt ist, ist das Syndrom in Großbritannien anerkannt. Dort ist es etabliertes Konzept, die Patientinnen und Patienten nach einem Intensivaufenthalt von vier Tagen einer sich anschließenden ambulanten Weiterbehandlung zuzuführen. Dieses erfolgreiche Konzept greife man mit der Ambulanz für Intensivmedizinische Nachsorge auf. „Wir sind deutschlandweit neben der Charité das zweite Universitätsklinikum mit einer solchen Ambulanz“, sagt Assistenzarzt Dr. Mahan Sadjadi, der Meersch-Dini in der UKM-Ambulanz unterstützt. Beide Intensivmediziner glauben, dass der Behandlungsstandard von PICS sich langfristig durchsetzen wird, auch wenn PICS als Komplikation post-intensivmedizinische Behandlung derzeit noch gar nicht im deutschen Gesundheitssystem abgebildet ist. „Wir nehmen wahr, dass immer mehr Intensivmediziner unseren Ansatz teilen und auch selbst verwenden wollen. Nötig ist dazu eine breit aufgestellte medizinische Kompetenz, wie sie am UKM natürlich mit Fachabteilungen aller Art vertreten ist“, so Meersch-Dini.

Interessierte wenden sich unter der Telefonnummer 0251 – 83 44088 (Fr. Wessels) an die Ambulanz für Intensivmedizinische Nachsorge. Alternativ unter der Mailadresse: afin@ukmuenster.de
AMBOSS-Award für die „ZNAvengers“

AMBOSS-Award für die „ZNAvengers“

Bild: Übergabe des Amboss-Awards 2023: Philipp Winghart (Amboss GmbH) übergibt den „goldenen Reflexhammer“ an den Leiter der UKM-Notaufnahme, Prof. Philipp Kümpers. (Foto: UKM/Aumann-Blohm)

Iron Man, Vision, Black Widow und Thor: Nach Superhelden benannte Notfallprotokolle und Merkhilfen standardisieren bereits seit einem Jahr die Abläufe zwischen Ärztinnen und Ärzten sowie Pflegefachkräften in der interdisziplinären UKM-Notaufnahme. Vor kurzem bekam das Team um Prof. Philipp Kümpers für die Notfallprotokolle den AMBOSS-Award für herausragende medizinische Initiativen verliehen.

Münster (ukm/amboss) – Für ihre innovative Lösung der nicht-traumatologischen Schockraumversorgung nahmen der Leiter der interdisziplinären Notaufnahme des UKM (Universitätsklinikum Münster), Prof. Philipp Kümpers und sein Team jetzt den Preis in Form eines goldenen Reflexhammers entgegen.

Wann gehören Notfälle in den Schockraum? Keine leichte Frage. Bei Schwerverletzten regelt eine nationale S3-Leitlinie das Vorgehen im Schockraum – alle Abläufe sind seit Jahrzehnten fest etabliert. Bei gefährdeten Patientinnen und Patienten ohne Trauma ist die Lage aber weit weniger einheitlich. Hier regelt die von Kümpers etablierte Superhelden-Merkhilfe V2iSiOn, wann ein nicht-traumatologischer Schockraum auszulösen ist (UKM-Pressemitteilung vom 20. Juni 2023).

Video: Prof. Philipp Kümpers erklärt die Superhelden-Notfallprotokolle

„Mit den ZNAvengers zeichnen wir ein einmaliges Projekt aus“, sagt Dr. med. Sievert Weiss, Mitgründer der AMBOSS GmbH. „Die Initiative baut auf Teamwork, fokussiert das Wesentliche und macht damit einen echten Unterschied.“

Marvel-Fan Prof. Philipp Kümpers bedankte sich auch im Namen des gesamten Teams für die Auszeichnung: „Die Avengers aus den Marvel-Comics müssen besonders in gefährlichen Situationen schnell, sicher und zupackend reagieren – die Rettung des Universums erfordert also scheinbar ganz ähnliche Qualitäten wie eine gelungene Schockraumversorgung. Insofern sind die Abkürzungen in Anlehnung an die Comic-Helden alles andere als nur eine Spielerei, sondern verbessern ganz real unsere Abläufe.“

Innerhalb Münsters sind die Notfallprotokolle inzwischen Standard in der Zusammenarbeit der Notaufnahmen (auch anderer) Kliniken und dem städtischen Rettungsdienst. Kümpers: „Nach anfänglicher Skepsis und zwei Jahren Übungsphase der Abläufe stehen alle Mitarbeitenden voll hinter dem Ansatz. Und ärztliche und pflegerische Kolleginnen und Kollegen aus anderen Häusern sprechen mich inzwischen auf Kongressen und Veranstaltungen darauf an, was es in Münster mit den Superhelden auf sich hat.“

Der AMBOSS-Award ist mit 3.000 Euro dotiert.

Die Wissensplattform AMBOSS bietet medizinischem Personal und Studierenden leitliniengerechte und fachgebietsübergreifende Behandlungsempfehlungen. Zahlreiche Universitäten, Kliniken und Praxen bieten AMBOSS mittlerweile als Nachschlagewerk und klinische Entscheidungshilfe an. In Deutschland nutzen über 80.000 Ärztinnen und Ärzte AMBOSS und der medizinische Podcast erreicht ein breites Fachpublikum. Prof. Philipp Kümpers und die pflegerische Stationsleitung der UKM-Notaufnahme, Sandra Schwenner, werden am 08. Oktober 2023 im AMBOSS-Podcast das Konzept der ZNAvengers vorstellen.

Weitere Informationen über den Preis und die ZNAvengers finden sich auf https://go.amboss.com/award-winner2023

Welttag der Patientensicherheit: UKM-Turm leuchtet orange

Welttag der Patientensicherheit: UKM-Turm leuchtet orange

Bild: In leuchtendem Orange erstrahlte die oberste Etage des Ostturms am Samstagabend – und wird dies heute symbolisch noch einmal tun. (Foto: UKM)

Münster (ukm/lwi) – Nicht die Friedenskonferenz, nicht der Parking Day und auch nicht das lokal bekannte Entenrennen sind Grund für die Beleuchtung am Ostturm des UKM (Universitätsklinikum Münster), die an diesem Wochenende in den Abendstunden zu sehen ist. Das leuchtende, helle Orange soll auf den „Welttag der Patientensicherheit“ hinweisen, der jedes Jahr am 17. September stattfindet. „Die Sicherheit unserer Patienten hat für uns am UKM höchste Priorität. Basis hierfür ist eine gelebte Sicherheitskultur, in der alle Mitarbeitenden mitdenken und gemeinsam im Team Prozesse und Arbeitsmittel untereinander abstimmen, sodass Risiken minimiert werden können“, sagt Prof. Alex Friedrich, Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender des UKM. „Dafür möchten wir ein Zeichen setzen!“

Der Fokus des diesjährigen Aktionstages steht unter dem Motto „Die Stimme der Patientinnen und Patienten stärken“. Das UKM hatte mit eigenen Aktivitäten an dem wiederkehrenden Aktionstag teilgenommen. Schon unter der Woche gab es im Zentralklinikum einen Infostand, an dem Interessierte erfuhren, wie sie sich selbst als Patientinnen und Patienten besser in den Gesundheitsprozess einbringen. Auch das Klinikpersonal wurde mit der mobilen Stationsapotheke des UKM, dem sogenannten „Room of Safety“, für potentielle Fehlerquellen sensibilisiert.

Möglich ist die Beleuchtung des obersten Stockwerks, in dem sich das im vergangenen Jahr neu eröffnete Café-Bistro „21 Ost“ befindet, dank einer im Bauwerk integrierten LED-Technik. Diese besonders energieschonende Anlage soll zukünftig an verschiedenen Aktionstagen genutzt werden, um über den Ostturm – und damit dem zum Stadtkern zugewandten Baukörper des UKM – auf besondere Themen rund um das Gesundheitswesen aufmerksam zu machen.

Chirurgen geben Einblicke in die Entwicklung und Zukunft ihres Fachs

Chirurgen geben Einblicke in die Entwicklung und Zukunft ihres Fachs

Bild: Feiern das Jubiläum 100 Jahre Lehrstuhl Chirurgie am UKM: (v.l.) Prof. Andreas Pascher, Direktor der Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie, und Prof. Michael J. Raschke, Direktor der Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie. (Foto: UKM/Florian Kochinke)

„Roboter werden uns nicht ersetzen“

Münster (wwu/ukm) – Welche Themen beschäftigen aktuell die Chirurgie? Welche Trends und Entwicklungen zeichnen sich ab? Aus Anlass des 100. Geburtstags der UKM-Chirurgie nehmen Prof. Dr. Andreas Pascher, Direktor der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie und Prof. Dr. Michael J. Raschke, Direktor der Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie am UKM (Universitätsklinikum Münster) Stellung zu den großen Themen ihres Fachs.

Ausbildung und Nachwuchsförderung

Raschke: Die Förderung des medizinischen Nachwuchses und die Ausbildung angehender Chirurginnen und Chirurgen hat im Universitätsklinikum und an der Medizinischen Fakultät einen hohen Stellenwert. Wir wollen bei Studierenden, Doktoranden und Postdocs die Begeisterung für die Chirurgie und die Vielfalt unserer Fächer möglichst frühzeitig wecken. Obwohl das Fach Chirurgie eines hohen manuellen Geschicks und großer dreidimensionaler Vorstellungskraft bedarf, ist es erlernbar. Glücklicherweise haben wir an unserem Standort keine Nachwuchssorgen. Das führe ich unter anderem auf Mentoringprogramme, die Einbindung von Studierenden in den Klinikalltag, die Teilhabe an aktuellen Forschungsprojekten und auf die Förderung der Eigenverantwortung zurück. Bei uns kann man sehr schnell am Erfolg teilhaben.

Pascher: Ich möchte zwei Aspekte herausgreifen – digitale Techniken und neue Lehrmethoden: Zum einen nutzen wir für die Lehre minimal-invasiver Operationsverfahren zunehmend virtual reality-basierte Simulatoren. Zum anderen Virtual-Reality-Brillen, um den Zugang zur topografischen Anatomie und den besten Operationsverfahren zu vermitteln. Für die Studierenden im praktischen Jahr und die Pflegeschüler haben wir zudem ein interprofessionelles Unterrichtskonzept entwickelt, das pflegerische Praxisanleiter und Ärztinnen und Ärzte verantworten.

Interdisziplinäre Zusammenarbeit

Raschke: Die Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen aus anderen Fachdisziplinen und anderen Kliniken ist von höchster Bedeutung für den medizinischen Fortschritt und die effektive Patientenversorgung. Neue Methoden und Denkweisen einer anderen Fachrichtung kennenzulernen und einzubinden, trägt wesentlich zum Erfolg der Behandlung bei. Während früher kaum oder gar kein Austausch zwischen den verschiedenen Disziplinen und Kliniken stattfand, geschweige denn zwischen den Ärztinnen und Ärzten, dem OP- und Pflegepersonal sowie den Physiotherapeuten, ist das heutzutage die Regel. Dazu hat das Trauma-Netzwerk wesentlich beigetragen. Vor allem bei schwer verletzten Patienten kooperieren wir mit den anderen Spezialdisziplinen wie der plastischen Chirurgie oder der Augenklinik. Glücklicherweise können wir auch schnelle Kommunikationswege wie beispielsweise die Telemedizin nutzen. Das hilft besonders in ländlichen Regionen.

Technische Weiterentwicklungen/Robotik

Pascher: Die Robotik wird in der Chirurgie ein essenzieller Bestandteil werden. Sie ermöglicht zum einen minimalinvasive Prozeduren und OP-Methoden, die ohne Roboter-Assistenz nicht unmittelbar aus der offenen Chirurgie in ein klassisch minimal-invasives Prozedere übertragen werden können. Zum anderen erlaubt sie einen minimalinvasiven Zugang bei komplex voroperierten Patienten. Die Chirurgie 3.0 stellt eine neue Evolutionsstufe der Chirurgie dar, die organschonendes und organerhaltendes Operieren, eine schnellere Heilung der Patienten und eine Verringerung der Komplikationen bei großen bauchchirurgischen Operationen ermöglicht. Die robotische Technologie, die derzeit noch mit hohen Investitionskosten verbunden ist, verändert die chirurgische Arbeitsweise grundlegend und stimuliert Innovationen in der Aus- und Weiterbildung und der interprofessionellen Zusammenarbeit.

Raschke: Wie viele andere medizinische Bereiche hat die Digitalisierung auch auf die Chirurgie einen großen Einfluss. Unser Fach hat dank der Radiologie mit dreidimensionaler Darstellung komplexer Verletzungen – auch während der Operation – eine fantastische Entwicklung genommen. Wir sind noch präziser geworden: So können wir beispielsweise bei Kreuzbandverletzungen unsere Transplantate exakt platzieren, damit die Funktion vollständig wiederhergestellt werden kann. Moderne Navigationsverfahren ermöglichen es uns in der Wirbelsäulenchirurgie, die Implantate präzise zu platzieren. So können wir schwer zugängliche Strukturen über schonende Zugänge rekonstruieren. Das war früher riskant. Durch die Bildgebung erfahren wir immer mehr Details über die Anatomie. Ein anderes Beispiel ist die Mikrochirurgie. Die Kollegen aus unserer plastischen Chirurgie haben einen Operationsroboter, der dabei unterstützt, feinste Verbindungen von Blutgefäßen herzustellen, die einen Durchmesser unter 0,3 Millimeter haben – das ist weit dünner als ein Kopfhaar.

Spezialisierung

Raschke: Die Spezialisierung der Chirurgen nimmt stetig zu. Es gibt Experten für Hände, Knie, Schultern oder Wirbelsäule. Das ist auch gut so, denn es handelt sich oft um äußerst komplizierte Verletzungen oder Folgen von Verletzungen. An der Universität haben wir das Glück, höchst engagierte Mitarbeiter in einem perfekten Umfeld zu haben. Unsere Mitarbeiter sind geradezu von ihren Aufgaben ‚infiziert‘ – somit können die Patienten sicher sein, immer nach den modernsten Methoden und nach allen Regeln der Kunst behandelt zu werden.

Hochleistungsmedizin trifft Historie: Anlässlich des Jubiläums 100 Jahre Chirurgie am UKM wurde am vergangenen Freitag (08.09.2023) vor der Klinik an der Waldeyerstraße ein ausrangierter KUKA-Industrieroboter des unfallchirurgischen Biomechaniklabors symbolisch enthüllt.

Bild: Hochleistungsmedizin trifft Historie: Anlässlich des Jubiläums 100 Jahre Chirurgie am UKM wurde am vergangenen Freitag (08.09.2023) vor der Klinik an der Waldeyerstraße ein ausrangierter KUKA-Industrieroboter des unfallchirurgischen Biomechaniklabors symbolisch enthüllt. Der Industrieroboter wurde über 20 Jahre in zahlreichen Forschungsprojekten eingesetzt.