Münster (ukm/lwi.) – Nach langem Ringen und zuletzt einiger Ungewissheit steht es jetzt fest: Ab dem 1. April (Ostermontag) kommt die Cannabis-Legalisierung. Im Interview spricht der Direktor der Klinik für Psychische Gesundheit am UKM, Prof. Bernhard Baune, über Gefahren des Konsums und Auswirkungen auf den Klinik-Alltag.
Herr Prof. Baune, wie bewerten Sie die Legalisierung von Cannabis? Prof. Bernhard Baune: Cannabis kann Vor- und Nachteile haben. Vorteile in bestimmten medizinischen Bereichen, Nachteile vor allem bei bestimmtem psychischen Erkrankungen. Einerseits ist eine Legalisierung günstig, um zu entkriminalisieren, oder den Konsum in soziale Formen zu gießen – wobei das nicht heißen muss, dass er reduziert wird –, auf medizinscher Seite würde ich die Probleme für die psychische Gesundheit aber nicht unterschätzen.
Wann gilt der Konsum als gesundheitsgefährdend? Baune: Gesundheitsgefährdend kann Cannabis generell immer sein. In der Regel ist das dosis- und konsumabhängig und es gibt natürlich auch Nebenwirkungen, die bei einer normalen Dosierung auftreten können: Das kann von Übelkeit oder Erbrechen zu anderen Nebenwirkungen führen wie Herzrasen, Blutdrucksteigerung, Blutdruckabfälle – also sehr konträre Wirkungen.
Wer ist besonders gefährdet? Baune: Unsere Fachgesellschaft, die DGPPN (Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde) weist auf die Risiken hin, durch Cannabiskonsum Psychosen auslösen zu können, auf Konzentrationsschwierigkeiten, Müdigkeit und Schlappheit. Das ist für Menschen besonders gefährlich, wenn sie schon unter einer Psychose leiden oder ein hohes Risiko dafür haben. Auch bei Menschen mit einer Depression können psychotische Symptome auftreten. Häufig wird Cannabis ja auch eingenommen, um Angststörungen zu lindern. Dass Cannabidiol kann angstlösend wirken, gleichzeitig kann es aber auch Angst in Einzelfällen verstärken. Unruhe, Angstzustände, Schlafstörungen, das sind ja häufig Anlässe für junge Menschen, Cannabis einzunehmen – doch dafür ist es kein geeignetes Medikament.
Sie sprechen jungen Menschen an – was gibt es für die zu beachten? Baune: Gerade beim jungen, sich entwickelnden Gehirn im Alter zwischen 14 und 25 Jahren etwa besteht eine erhöhte Anfälligkeit für die Entwicklung psychischer Erkrankungen. Da sehen wir auch die meisten Entwicklungen psychischer Erkrankungen im Entstehungsprozess. Wenn also schon konsumiert werden muss, dann nicht vor dem 25. Lebensjahr. Je höher das Lebensalter, desto weniger Nebenwirkungen wird man auf psychischer Seite haben.
Gibt es Anzeichen, bei denen man seinen Konsum hinterfragen und sich Hilfe holen sollte? Baune: Anzeichen könnten sein, dass sich die Wahrnehmung verändert. Dass man das Gefühl hat, jemand verfolgt einen oder dass man paranoides Denken entwickelt; dass Dinge passieren, die man nicht erklären kann, oder man denkt, gewisse Dinge passieren nur ganz spezifisch für einen selbst: Ein Auto fährt dort entlang, nur weil ich jetzt gerade hier bin – so eine Art von Wahnentwicklung. Das sind alles Beispiele, bei denen wir noch nicht von einer Psychose oder Schizophrenie sprechen würden, aber von ersten Anzeichen psychotischen Erlebens. Da ist es wichtig, diese Symptome wahrzunehmen und sich ärztlich vorzustellen.
Gibt es Anzeichen, die für Eltern relevant sind? Baune: Gerade im etwas jüngeren Lebensalter, wenn die Kinder noch zur Schule gehen oder im Rahmen einer Ausbildung oder eines Studiums noch zuhause wohnen, kann es sein, dass sie sich zurückziehen, sozial isolieren, sich in ihrem Zimmer einschließen und häufig den Kontakt zu den Eltern reduzieren oder abbrechen, obwohl man noch zusammen lebt. Das kann Hinweise dafür geben, dass vielleicht eine psychische Nebenwirkung aufgetreten ist. Dann sollten Eltern versuchen, Hilfe zu bekommen, da sie in so einer Situation auch überfordert sein können.
Was ändert sich mit der Legalisierung im Klinik-Alltag? Baune: Das medizinische Cannabis, das es seit 2017 in Deutschland legal auf Rezept gibt, wird dadurch in keiner Weise berührt – weder eingeschränkt, noch erweitert. Medizinisch kann Cannabis Menschen mit schweren chronisch Erkrankungen oder Schmerzerkrankungen im Rahmen von Tumorerkrankungen helfen, aber auch bei einigen neurologischen Erkrankungen wie bestimmten Nervenstörungen wird es in seltenen Fällen eingesetzt. Cannabis wird aber immer nur in Einzelfällen verschrieben. Es ist also nicht für die breite Masse gedacht und an medizinische Bedingungen geknüpft.
Daten von größeren Studien zeigen aber, dass eine Legalisierung dazu beitragen kann, dass Psychosefälle gerade bei jungen Menschen häufiger werden. Menschen, die bislang davor zurückgeschreckt haben, probieren Cannabis dann vielleicht doch mal aus, weil es auch leichter zugänglich ist. Dementsprechend gibt es auch eine höhere Wahrscheinlichkeit, dass sie dann hier in der Klinik vorstellig werden. Das ist auch ein Grund, warum wir uns in der Suchtambulanz, in unserer Suchtsprechstunde, auch auf Cannabis fokussieren.
Bild: Mittels Rezept vom Arzt kann medizinisches Cannabis in unterschiedlichen Gebieten angewendet werden. Foto: DJD/www.recannis.de/lacheev/123RF.com
Cannabis: Zum medizinischen Nutzen sind Qualität und Erfahrung gefragt
(DJD) – Seit 2017 ist es hierzulande möglich, medizinisches Cannabis für verschiedene Indikationen auf Rezept zu erhalten. Zu den potenziellen Einsatzgebieten zählen beispielsweise chronische oder neuropathische Schmerzen sowie Chemotherapie-induzierte Übelkeit. Auch Erkrankungen wie Epilepsie, das Tourettesyndrom, ADHS, Depressionen, Angst- und Schlafstörungen als auch Psychosen sind in den Fokus der Behandlung gerückt. Die Nachfrage nach einer Therapie mit Medizinalcannabis bei Ärzten ist groß. Umso wichtiger ist es, sich auf langjährige Erfahrung und eine gute, gleichbleibende Qualität verlassen zu können.
Deutschland profitiert vom Know-how aus Israel
Mit besonderem Know-how kann hier beispielsweise Israel punkten. Das Land hat eine langjährige Tradition in der Erforschung und medizinischen Anwendung von medizinischem Cannabis. So werden dort zum Beispiel spezialisierte Krankenschwestern beschäftigt, die Patientinnen und Patienten bei der Behandlung mit medizinischem Cannabis begleiten und dabei auch wesentliche Daten erheben können. Dies ermöglicht es, auf Therapieerfahrungen mit Tausenden von Patienten zuzugreifen. Hinzu kommen mehr als 37 klinische und präklinische Studien sowie über 20 Publikationen. Davon profitiert beispielsweise auch das Traditionsunternehmen Fette Pharma. Vorteil für Patienten in Deutschland und für das medizinische Fachpersonal: Ihnen steht damit ein breites Portfolio studienbasierter medizinischer Cannabisprodukte zur Verfügung, die alle gesetzlichen Anforderungen erfüllen. Darüber hinaus unterstützt das Unternehmen Fachpersonal bei der Therapie mit einem eigenen Expertenteam.
Was im Alltag bei der Anwendung von Cannabis zu beachten ist
Bei der Anwendung von Cannabis als Arzneimittel sollten im Alltag einige wichtige Aspekte beachtet werden, zumal es sich hierbei rechtlich um ein Betäubungsmittel handelt. Mehr Informationen hierzu gibt es etwa unter www.recannis.de. So sollte medizinisches Cannabis – wie generell alle Medikamente – stets für Kinder unzugänglich aufbewahrt werden. Für die Teilnahme am Straßenverkehr gelten die gleichen Vorgaben wie für alle Patienten, die ein Arzneimittel einnehmen, das die Fähigkeit, ein Fahrzeug zu führen oder eine Maschine zu bedienen, beeinflusst. Am besten berät man sich hier mit den behandelnden Ärzten und Ärztinnen. Zudem wird empfohlen, auf die Anwendung von medizinischem Cannabis im öffentlichen Raum zu verzichten. Bei Reisen mit entsprechenden Präparaten sollte man sich vorab bezüglich des jeweiligen Landes gut informieren.
Mit etwa 400.000 Betroffenen in Deutschland ist die Parkinson-Krankheit die zweithäufigste neurodegenerative Erkrankung. Bei einem Informationsnachmittag am Mittwoch, 11. September stellen Experten des UKM Patienten, Angehörigen und Interessierten neue Behandlungsmöglichkeiten vor. Eine davon: Der Einsatz von medizinischem Cannabis.
Münster (ukm/som) – Bewegungshemmung, Muskelsteifheit und auffälliges Zittern: Durchschnittlich um das 60. Lebensjahr kann Parkinson auftreten. Ausgelöst wird die Krankheit durch das Absterben Dopamin-produzierender Nervenzellen. Bereits heute werden jährlich rund 1.200 Betroffene am UKM (Universitätsklinikum Münster) behandelt. Bis zum Jahr 2030 wird weltweit mit mehr als neun Millionen Parkinson-Patienten gerechnet – wen wundert es da, dass sich in der Erforschung der Krankheit derzeit vieles tut. Von Apps über Anwendungsmöglichkeiten bei der Tiefen Hirnstimulation bis hin zu aktivierenden Therapien: Mit einem Parkinsonnachmittag möchte die Klinik für Neurologie am UKM alle Interessierten über neue Therapiemöglichkeiten informieren.
„Es sind vor allem fachübergreifende Netzwerkstrukturen wie das Parkinsonnetz Münsterland+, die eine verbesserte Versorgung der Patienten ermöglichen“, weiß Prof. Dr. Tobias Warnecke, Oberarzt am UKM. „Aber besonders auch der Einsatz von Cannabis scheint für viele Patienten von großem Interesse, die Nachfrage der Betroffenen danach ist jedenfalls stark steigend.“ Seit mehr als zwei Jahren können Ärzte medizinisches Cannabis zur Unterstützung der Therapie bei Parkinson in bestimmten Fällen verschreiben. Seitdem herrscht ein regelrechter Hype um den Einsatz. Doch dieser ist nach wie vor stark diskutiert, die Wirkung des Cannabis bei Parkinson konnte etwa wissenschaftlich noch nicht eindeutig nachgewiesen werden. „Wie immer in der Medizin ist hier eine differenzierte Betrachtungsweise sinnvoll“, betont Warnecke. „Die zentrale Frage ist: Wie kann Cannabis spezifisch eingesetzt werden?“ Bei Schmerzen und Schlafstörungen etwa könne der medizinische Einsatz von Cannabis, als Tabletten oder Tropfen eingenommen, bei manchen Patienten Symptome lindern helfen. Doch auch die Nebenwirkungen dürften nicht unbeachtet bleiben. Außerdem wird in Deutschland derzeit an Therapien geforscht, die – anders als Cannabis – die Ursache der Erkrankung bekämpfen.
Diese aktuellen Trends und Forschungen sowie weitere Behandlungsmöglichkeiten stellen ausgewählte Experten des UKM beim Parkinsonnachmittag am Mittwoch, 11. September 2019 von 15 bis 18 Uhr vor.
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