Neuer 3D-Drucker für die münstersche Unimedizin

Neuer 3D-Drucker für die münstersche Unimedizin

Bild: Die Freude ist unübersehbar: Dr. Martin Schulze, Leiter des 3D-Labors, Arzt und Ingenieur, ließ es sich nicht nehmen, die Anlieferung des 3D-Druckers selbst zu begleiten (Foto: WWU/Erk Wibberg)

High-End-Neuanschaffung: 1,4 Tonnen schwerer 3D-Drucker wird Herzstück des 3D-Labors der münsterschen Unimedizin

Münster (mfm/sw) – Was ist fast anderthalb Tonnen schwer, kostete mehrere Hunderttausend Euro und musste per Kran angeliefert werden? Genau: der neue 3D-Drucker der münsterschen Universitätsmedizin. Nachdem das komplexe Großgerät wegen umfassender Umbauarbeiten zunächst auf sich warten ließ, konnte es jetzt per Kran ins Zielgebäude – das 3D-Labor in der Klinik für Orthopädie – einschweben und ist nahezu betriebsbereit. Die Neuanschaffung soll fortan bei der Erforschung neuer Technologien in der Orthopädie helfen und so zu einer individualisierten Patientenversorgung beitragen. Der Leiter des 3D-Labors, Arzt und Ingenieur Dr. Martin Schulze, spricht von einem „Schritt in eine neue Zukunft der Medizin am Standort Münster“. Finanziert wurde die Investition in Höhe von rund 530.000 Euro Gerät überwiegend mit Mitteln der EU aus dem REACT-Programm, die die Medizinische Fakultät der Universität Münster und die Uniklinik für Allgemeine Orthopädie und Tumororthopädie aus eigenen Mitteln aufstockten.

Drucke und Orthoprothesen maßgeschneidert statt nur „von der Stange“: Im 3D-Labor soll das neue Gerät nicht für den medizinischen Regelbetrieb eingesetzt werden, sondern zunächst für Forschungszwecke der Universität Münster. „Wir erproben Möglichkeiten, individualisierte Patientenversorgung durch den 3D-Drucker noch besser zu machen – zum Beispiel durch anatomische Modelle, die wir zur Vorbereitung von Operationen den Patienten zeigen, um die Eingriffe verständlicher zu machen“, so Schulze. „Wir werden auch individualisierte Instrumente drucken und im Zuge klinischer Studien am Patienten nutzen – also zum Beispiel Schablonen, die den Operateur bei seiner Arbeit unterstützten. So können wir dem Anspruch präziser Chirurgie Stück für Stück gerechter werden.“ Die gesetzlichen Anforderungen für die klinische Forschung und den Einsatz des 3D-Drucks am Patienten sind hoch. Daher wurde bereits mit der Zertifizierung des 3D-Drucks begonnen und diese soll für den ersten Druckprozess schon Ende des Jahres abgeschlossen sein. „Das ist eine Premiere im universitätsmedizinischen Umfeld“.

3D-Drucker: Passte durch keine Tür: Für die Anlieferung des 1,4 Tonnen schweren Drucker musste die Fassade der münsterschen Uniklinik geöffnet werden (Foto: WWU/Erk Wibberg)

Bild: Passte durch keine Tür: Für die Anlieferung des 1,4 Tonnen schweren 3D-Drucker musste die Fassade der münsterschen Uniklinik geöffnet werden (Foto: WWU/Erk Wibberg)

Unauffällig geht anders: Bis der 3D-Drucker am Zielort stand, musste er den ein oder anderen Umweg auf sich nehmen. Hinderlich war insbesondere die Außenwand der Orthopädie: Damit der mit Verpackung 2,5 mal 2 mal 1,6 Meter messende und somit durch keine Tür passende Drucker an seinen Platz kommen konnte, waren aufwändige Arbeiten mit Abnahme der Fassade und der Einsatz des riesigen Krans am Westturm des Zentralklinikums notwendig. Mit diesem wurde der Drucker vorsichtig über den Lichthof des neuen Anbaus an seinen vorgesehenen Platz gebracht. Seine neue „Heimat“, das 3D-Labor, ist ebenfalls Teil der REACT-Förderung, mit der die EU die Belastungen der Corona-Pandemie abfedern will und dafür Projekte zum Übergang zu einer digitalen und ökologisch nachhaltigen Wirtschaft und Gesellschaft unterstützt. Das Projekt bildet der Einstieg in ein fächerübergreifendes Zentrum für additive Fertigung – also den 3D-Druck. Neben dem Großraumdrucker umfasst die REACT-Förderung weitere medizinische Anwendungen, die ebenfalls Ende letzten Jahres angeschafft und bereits in Betrieb genommen wurden. Im 3D-Labor soll zudem gemeinsam mit der FH Münster an neuen Werkstoffen und Beschichtungen für den 3D-Druck geforscht werden.

Wie die Hirnoberfläche entsteht – und wann es zu Fehlbildungen kommt: Forschungsgruppe entdeckt die wichtige Rolle des Tumorproteins TP73

Wie die Hirnoberfläche entsteht – und wann es zu Fehlbildungen kommt: Forschungsgruppe entdeckt die wichtige Rolle des Tumorproteins TP73

Bild: Spezialgebiet Seltene Erkrankungen: Dr. Julia Wallmeier (Mitte), Diana Bracht und Prof. Heymut Omran beschäftigen sich mit angeborenen Krankheiten wie Lissenzephalien (Foto: WWU/P. Leßmann)

Münster (mfm/sw) – Was haben ein Gehirn und eine Walnuss gemeinsam? Klar: die furchenartige Oberfläche. Doch anders als bei der Nuss bringen die Windungen und Furchen beim Menschen etwa 100 Milliarden Neuronen in der Hirnrinde – dem Kortex – unter. Dies verleiht dem Gehirn das charakteristische Erscheinungsbild. Funktioniert der Faltungsprozess nicht, der unter anderem für komplexe Denkvorgänge unabdingbar ist, ist die Hirnrinde glatt – Fachleute sprechen von Lissenzephalie, einer angeborenen Fehlbildung. Dr. Julia Wallmeier, Ärztin und Teil einer Forschungsgruppe der Universität Münster um Prof. Heymut Omran, wollte die Entstehung der Fehlbildung besser verstehen – und entdeckte nun die wichtige Rolle des Tumorproteins TP73 bei der Diagnose von Lissenzephalien.

Heilen kann die Wissenschaft die angeborene Fehlbildung zwar nicht, wohl aber versuchen, das Krankheitsbild besser nachzuvollziehen: In einer Studie konnte Dr. Julia Wallmeier gemeinsam mit der Biologie-Doktorandin Diana Bracht zeigen, dass das Tumorprotein TP73 eine wichtige Rolle in der menschlichen Gehirnentwicklung, insbesondere des Kortex, spielt. Kinder mit Mutationen des TP73-Gens weisen eine ausgeprägte Lissenzephalie auf. TP73 ist essenziell für die neuronale Differenzierung – also der Entwicklung von verschiedenen Typen von Nervenzellen – und für die Entwicklung der Atemwegsepithelien, einer Zellschicht, die die Atemwege von innen auskleidet. Die Folge: Lissenzephalie-Patienten leiden zugleich an einer chronischen Lungenerkrankung und benötigen neben der kinderneurologischen auch eine intensive kinderpneumologische Behandlung.

Lissenzephalien gehören zu den schwersten Formen der Hirnanlagestörungen – und damit zum Forschungsschwerpunkt der Arbeitsgruppe um Kinderarzt Omran: Der Direktor der münsterschen Unikinderklinik und sein Team beschäftigen sich seit vielen Jahren mit der Entschlüsselung schwerer angeborener Erkrankungen. Viele Eltern von Kindern mit seltenen Erkrankungen wenden sich daher an das Zentrum für Seltene Erkrankungen am münsterschen Uniklinikum. Die Forschungsergebnisse des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Projektes wurden nun in der Fachzeitschrift American Journal of Human Genetics veröffentlicht.

PubMed-Link zur Studie: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/34077761/
Wallmeier, J., Bracht, D., Alsaif, H. S., Dougherty, G. W., Olbrich, H., Cindric, S., Dzietko, M., Heyer, C., Teig, N., Thiels, C., Faqeih, E., Al-Hashim, A., Khan, S., Mogarri, I., Almannai, M., Al Otaibi, W., Alkuraya, F. S., Koerner-Rettberg, C., & Omran, H. (2021). Mutations in TP73 cause impaired mucociliary clearance and lissencephaly. The American Journal of Human Genetics, 1–12. https://doi.org/10.1016/j.ajhg.2021.05.002