Phenylketonurie: Lebenslange Diät erforderlich

Phenylketonurie: Lebenslange Diät erforderlich

Bild: Vera H. und Simon waren nur zwei von rund 110 Teilnehmern der Patienten-Akademie, die Prof. Frank Rutsch (r.) vom Centrum für Seltene Erkrankungen am UKM Anfang April auf Gut Havichhorst in Münster ausgerichtet hat. (© Foto UKM)

Münster (ukm/aw) – Als Simon H. vor zehn Jahren geboren wurde, schien er gesund und munter. Drei Tage später ereilte seine Mutter zuhause der Anruf der Geburtsklinik, sie solle sich sofort mit der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin des UKM (Universitätsklinikum Münster) in Verbindung setzen und ihren Sohn gleich dorthin bringen. Vera H. hielt diese Reaktion zunächst für hysterisch: „Simon lag schlafend in seinem Bettchen – was sollte da sein?“ Grund für die Alarmierung war, dass ein Bluttest, der im Rahmen des Neugeborenen-Screenings standardmäßig durchgeführt worden war, den Verdacht auf eine genetisch bedingte Stoffwechselerkrankung nahelegte. Nach der Aufnahme in die Klinik für Kinder und Jugendmedizin am UKM (Universitätsklinikum Münster) bestätigte sich die Diagnose „Phenylketonurie“ schnell. „Ich stand neben mir und wusste nicht, was das jetzt für unser weiteres Leben heißt“, erinnert sich Vera Herrmann.

PKU-Patienten können eine bestimmte Aminosäure, das Phenylalanin, nicht verstoffwechseln. Weil es in jedem eiweißhaltigen Nahrungsmittel, insbesondere aber natürlich auch in Muttermilch, enthalten ist, reichert es sich im Körper des Säuglings an. Ohne Behandlung führt zu viel Phenylalanin bei den Patienten zu Schäden an Hirn und Nervensystem. Bis die Ursache von PKU erkannt wurde, wurden Generationen von Patienten nicht behandelt – mit den entsprechenden Folgen für ihre geistige Gesundheit. Das alles ist dank der Einführung des Neugeborenen-Screenings, der Entwicklung von eiweißarmen Diäten und einer Behandlung der Patienten mit einer bestimmten Aminosäurenmischung inzwischen Vergangenheit – PKU-Patienten können ein weitgehend normales Leben führen. „Trotzdem war der erste Schock damals groß“, sagt die sechsundvierzigjährige Mutter: „Ich musste abstillen, Simon wurde ersatzweise mit einer eiweißlosen Spezialflüssigkeit ernährt – ein Alptraum“, sagt sie rückblickend.

Prof. Frank Rutsch, Oberarzt in der Klinik für Kinder und Jugendmedizin und gleichzeitig Patientenlotse des Centrums für Seltenen Erkrankungen am UKM, kennt die Situation der PKU-Betroffenen gut. Sie stellen im Centrum mit einer Anzahl von rund 200 die größte Gruppe der Stoffwechselpatienten. Anfang April hat er deshalb für die “PKU-ler“ und ihrer Familien eine Patienten-Akademie ausgerichtet. Hier wurden aktuelle medizinische Entwicklungen, wie die Änderung der Leitlinien zur Behandlung der seltenen Erkrankung, vorgestellt. „Über das Medizinische hinaus war es unser Ziel, die Patienten durch die Veranstaltung untereinander zu vernetzen und ihnen Hilfe zur Selbsthilfe zu geben“, so Rutsch. „Deshalb haben wir unter anderem auch die Deutsche Interessengemeinschaft PKU (DIG PKU) eingeladen, die wertvolle Hinweise für das alltägliche Leben mit Phenylketonurie gegeben hat.“

Vera H. beispielsweise hat in einem Vortrag Wege durch den „Behördendschungel“ aufgezeigt. Nach zehn Jahren mit einem an PKU erkrankten Kind, kennt sie sich schließlich bestens aus. „Das Leben mit Simon läuft inzwischen in geordneten Bahnen“, sagt die engagierte Mutter. Dass Simon Diät leben muss, hat er verinnerlicht. Auch die Spezialmischung an Aminosäuren, nimmt er drei Mal täglich wie selbstverständlich ein, sagt Herrmann: „Und wenn Simon mal auf einen Geburtstag eingeladen ist, verzichtet er auf den Kuchen dort und nimmt sich eigene Süßigkeiten mit. Die PKU hindert ihn jedenfalls nicht am Glücklichsein.“

Bessere Diagnose bei Parkinson dank App?

Bessere Diagnose bei Parkinson dank App?

Bild: Differentialdiagnose per Parkinson-App: (v.l.) Patientin Irene Fischer, Prof. Tobias Warnecke und Dr. Julian Varghese. (© Foto UKM/Wibberg)

Rund 400.000 Menschen sind nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Parkinson und Bewegungsstörungen in Deutschland von Parkinson betroffen. Um auf die Erkrankung und das Schicksal der Patienten aufmerksam zu machen, findet weltweit am 11. April der Welt-Parkinson-Tag statt. Am UKM (Universitätsklinikum Münster) werden jährlich mehr als 1.000 Patientinnen und Patienten mit Parkinson versorgt. Dabei spielen auch neue Technologien eine Rolle: Eine Studie am UKM testet zurzeit ein mobiles System zur Bewegungsanalyse von Betroffenen.

Münster (ukm/js) – Seit knapp einem Jahr existiert das Parkinsonnetz Münsterland+, ein Zusammenschluss aus Betroffenen, Angehörigen sowie Experten, die an der Behandlung der Patienten beteiligt sind. „Die Parkinson-Krankheit tritt bei den Betroffenen individuell sehr unterschiedlich auf. Daher stellt die Erkrankung eine besondere Herausforderung für Patienten, deren Angehörige aber auch uns Ärzte dar. Durch den Zusammenschluss im Parkinsonnetz wollen wir den Austausch zwischen Betroffenen und Fachleuten patientenorientiert gestalten und unsere Expertise bündeln“, erklärt Prof. Dr. Tobias Warnecke, Oberarzt und Parkinsonexperte der Klinik für Neurologie am UKM. Besonders interessiert sind die Patienten nach Warneckes Erfahrungen an Informationen zum Thema „Neue Technologien“, denn in Zeiten von Smartphones und Smartwatches könnten sich für Mediziner und Patienten in Zukunft ganz neue Möglichkeiten eröffnen. Informatiker vom Institut für Medizinische Informatik der Medizinischen Fakultät Münster haben ein Mobiles Systems zur Bewegungsanalyse von Menschen mit Parkinson entwickelt, das derzeit in einer Studie in der UKM Neurologie getestet wird.

Was kompliziert klingt, ist in der Praxis ganz einfach: Mit zwei Smartwatches an den Handgelenken der Patienten, auf denen die in Münster entwickelte App installiert ist, wird eine neurologische Untersuchung durchgeführt. „So werden die Bewegungsdaten hochauflösend im Millisekunden-Bereich gemessen und mit den Methoden der Künstlichen Intelligenz ausgewertet. Derzeit werden Parkinson und andere Bewegungsstörungen in der Regel durch eine ärztliche neurologische Untersuchung festgestellt, die immer auch von der subjektiven Einschätzung des Arztes abhängig sind. Durch den Einsatz objektiver Systeme wie unserer App könnte in Zukunft die Diagnosemöglichkeit von Parkinson deutlich verbessert werden“, erklärt Dr. Julian Varghese. Er ist Arzt und Informatiker und hat das neue Mobile System in Kooperation mit der Neurologie am UKM entwickelt. Dort sollen bis Ende 2020 insgesamt bis zu 1000 Probanden untersucht werden.

Ergänzt werden die Bewegungsdaten der Hand um elektronische Fragebögen, die der Untersucher am Smartphone ausfüllt. Dadurch werden wichtige Informationen zur Familienanamnese, Medikation und Fragen zu Begleitsymptomen wie Depressionen, Müdigkeit und allgemeinen Lebensqualität ebenfalls ausgewertet. Dank des Parkinsonnetzes Münsterland+ hatten die Mediziner in Münster bislang noch keine Probleme, Probanden für die Studie zu rekrutieren. „Unsere Patienten sind sehr aufgeschlossen gegenüber den neuen Untersuchungsmöglichkeiten und erste Zwischenresultate der Studie lassen uns auf künftig verbesserte Diagnosen hoffen“, freut sich Neurologe Prof. Tobias Warnecke.

Morbus Pompe: ‚Hope‘ trotz unheilbarer Krankheit

Morbus Pompe: ‚Hope‘ trotz unheilbarer Krankheit

Bild: Neurologe Priv.-Doz. Dr. Matthias Boentert und Morbus-Pompe-Patientin Sandra Schmit mit ‚Hope‘, Maskottchen des gleichnamigen Selbsthilfeprojekts (© Foto/UKM)

Stoffwechselkrankheit Morbus Pompe verursacht bei Erwachsenen Schwäche der Skelettmuskulatur; UKM-Patientin Sandra Schmit ist Schirmherrin des Selbsthilfeprojekts ‚Hope‘ in Deutschland

Münster (ukm/jug) – Im Alter von 13 Jahren fing es eher harmlos an. „Als Teenager habe ich viel Sport gemacht. Ich hatte aber schnell Muskelkater und vermehrt auch Muskelkrämpfe“, erinnert sich Sandra Schmit zurück an eine Zeit, in der sie noch problemlos Fußball spielen und reiten konnte. Heute ist das für die 37-Jährige undenkbar: Sie leidet unter Morbus Pompe, einer degenerativen Stoffwechselkrankheit, die sich primär in der Muskulatur bemerkbar macht. „Den Betroffenen fehlt erblich bedingt ein Enzym, das in den Muskeln zum Abbau des Kohlenhydrats Glykogen benötigt wird. Das Glykogen sammelt sich also in den Muskelzellen an und verursacht letztlich, dass diese zerstört werden“, erklärt Schmits behandelnder Arzt Priv.-Doz. Dr. Matthias Boentert, Leitender Oberarzt am Institut für Schlafmedizin und Neuromuskuläre Erkrankungen am UKM (Universitätsklinikum Münster).

Trotz ihrer langen Leidensgeschichte wurde die korrekte Diagnose erst im letzten Jahr am UKM gestellt. Davor vermuteten Mediziner jahrelang eine Muskeldystrophie. Profitiert hat Schmit letztlich davon, dass die Forschung in den letzten Jahren Fortschritte gemacht hat und sie somit am UKM auf Morbus Pompe getestet werden konnte. Die Glykogenspeicherkrankheit zeigt sich bei Erwachsenen vor allem in einer Schwäche der Skelettmuskulatur. „Ich habe Schwierigkeiten beim Laufen, Treppen steigen und aufstehen, das war früher nicht so“, sagt Schmit. Die Folge ist ein typisches Gangbild, „schließlich ist die gesamte Rumpfmuskulatur betroffen. Langfristig wird sich eine Atemmuskelschwäche einstellen, weil auch das Zwerchfell in seiner Funktion eingeschränkt sein wird“, so Boentert. Wird die Krankheit bei Säuglingen diagnostiziert, ist meist neben der Rumpfmuskulatur auch das Herz betroffen. Morbus Pompe gilt als seltene Erkrankung, bei der die Verläufe umso schwerer sind, je früher sich die Krankheit manifestiert. In Deutschland sind wenige hundert Patienten betroffen, das UKM betreut 33 von ihnen.

Hoffnung und eine verbesserte Lebensqualität verspricht den Betroffenen eine Enzymersatztherapie, die seit 2006 zugelassen ist. Alle zwei Wochen wird den Patienten das Enzym als Infusion verabreicht, um den körpereigenen Mangel daran zumindest teilweise zu kompensieren. Schmit hat das Medikament erstmals vor einem Jahr bekommen: „Meine Blutwerte haben sich verbessert und die Muskulatur ist deutlich stabilisiert. Ich merke, dass es mir viel besser geht und ich einfach mehr Kraft habe“, berichtet die Team-Assistentin von den positiven Effekten. Parallel zu ihrer Behandlung nimmt sie am UKM an einer klinischen Studie teil, in der die Wirkung des Medikaments weiter erforscht wird.

Morbus Pompe ist (noch) nicht heilbar. Trotz der schwierigen Perspektive bleibt Sandra Schmit positiv und optimistisch, will auch anderen Betroffenen Hoffnung machen. Seit letztem Jahr engagiert sie sich im Projekt ‚Hope Travels‘: „Ein Stofftier namens Hope reist dabei durch die Welt zu den Betroffenen, die dann Fotos mit Hope auf Facebook veröffentlichen“, so Schmit, die Schirmherrin des Projekts für Deutschland ist. Das Maskottchen des Projekts ist ein Faultier, „wir sind ja auch etwas schwerfälliger“, erzählt sie mit einem Schmunzeln. Ihren Humor und ihre Tatkraft wird Morbus Pompe ihr nicht nehmen.

Weitere Informationen zum Hope-Projekt finden Sie hier: https://www.mpompe.de/pompe/community/hope

Gegen den Plastikmüll: UKM-Änasthesie setzt auf Mehrweg statt Einweg

Gegen den Plastikmüll: UKM-Änasthesie setzt auf Mehrweg statt Einweg

Bild: Niklas Wiechert, Mitglied der OP-Gesamtleitung UKM, und der Leiter der AGA, Klaus Lehmkuhl, mit den neuen Mehrweg-Larynxmasken. (© Foto ULKM)

Larynxmasken werden hygienisch aufbereitet / Bis zu 40 Mal wiederverwendbar / Entscheidung gegen den allgemeinen klinischen Trend zu mehr Nachhaltigkeit in der Anästhesie

Münster (ukm/aw) – Bis zu 1,25 Fußballfelder könnte man mit den Larynxmasken aus Kunststoff füllen, die bisher jährlich am UKM (Universitätsklinikum Münster) zur Sicherung der Atemwege unter der Narkose verwendet wurden. „Eine ganze Menge, wenn man bedenkt, dass man diesen Plastikmüll auch stark reduzieren kann“, sagt Niklas Wiechert, Fachgesundheits- und Krankenpfleger für Intensivpflege und Anästhesie und Mitglied der OP-Gesamtleitung. Bei pro Jahr 13.000 von insgesamt rund 40.000 Operationen am UKM werden Larynxmasken eingesetzt. Sie dienen dazu, die Atemwege bei narkotisierten Patienten offen zu halten und sind damit ein Standardutensil. „Bisher waren diese Masken für uns ein Wegwerfartikel“, sagt Dr. Thomas Ermert, Oberarzt der Klinik für Anästhesiologie und zuständig für das Ärztliche Qualitätsmanagement. „Mit der Umstellung auf Mehrweg zum Jahresbeginn 2019 liegen wir nicht unbedingt im Trend, denn in Krankenhäusern setzt sich immer mehr der Ansatz durch, dass nur Einwegartikel die hygienischen Standards einhalten. Aber mit unserer Aufbereitungsanlage für Anästhesie (AGA) haben wir hausintern die Möglichkeit, nach einem zertifizierten Reinigungsverfahren die Masken so aufzubereiten, dass sie absolut unbedenklich sind“, so Ermert.
 
Diese Aufbereitung ist komplex: In der AGA werden die Larynxmasken in einer speziellen Spülmaschine gespült, anschließend getrocknet und eingeschweißt, damit sie bis zur Verwendung im OP absolut keimfrei bleiben. Bis zu 40 Mal können die Larynxmasken diesen Aufbereitungs-Prozess durchlaufen, bis sie schließlich aussortiert werden müssen. Nebenbei spart das Mehrwegsystem auch noch Geld: Bis zu 18.000 Euro niedriger liegen die jährlichen Kosten, hat die Klinik für Anästhesiologie überschlagen.
 
Und in noch einem weiteren Punkt will die Anästhesiologie am UKM künftig ökologisches Vorbild sein: Die Wärmedecken, die für die aktive operative Wärmung von Patienten eingesetzt werden und die helfen sollen, Komplikationen während und nach einer Operation zu vermeiden, sind künftig aus Textil statt wie bisher aus Kunststoff – auch hier setzt die Klinik auf Mehrweg. „Dementsprechend können die Decken gewaschen werden“, so Wiechert, und er fügt hinzu: „Den Müllwust im OP einzudämmen, ist unser Ziel. Wir können nur unseren kleinen Teil dazu beitragen, die Welt ein bisschen besser zu machen, indem wir unsere Anästhesie ökologischer gestalten.“