Vagusnerv-Stimulation: Neue Therapiemöglichkeit gegen behandlungsresistente Depressionen
Nicht immer ist bei einer Depression eine medikamentöse Behandlung oder beispielsweise eine Elektrokrampftherapie (EKT) von Erfolg gekrönt. Für schwer betroffene chronische Patienten bietet das UKM ab sofort zusätzlich eine ergänzende Behandlungsmethode: Die Vagusnerv-Stimulation (VNS-Stimulation) kann gerade auf lange Sicht helfen, depressive Episoden zu vermeiden.
Münster (ukm/aw) – Für Patienten mit einer schweren depressiven Erkrankung kann er eine Steigerung der Lebensqualität bedeuten: ein unterhalb des linken Schlüsselbeins implantierter elektrischer Impulsgeber, der über ein Kabel unter der Haut Reize an einen wichtigen Nerv an der Halsseite, nämlich den Nervus Vagus, der mit dem Gehirn verbunden ist, regelmäßig aussendet. Neurochirurgen der Klinik für Neurochirurgie am UKM (Universitätsklinikum Münster) unter Univ.-Prof. Walter Stummer setzen den Stimulator operativ ein. Dieser sendet in der Regel alle drei bis fünf Minuten für eine Dauer von 30 Sekunden elektrische Impulse. Diese reizen den linken Vagusnerv im Halsbereich und helfen damit, das Gehirn zu stimulieren. „Das Stromniveau ist so niedrig, dass der Patient nichts von den Impulsen wahrnimmt“, sagt Univ.-Prof. Bernhard Baune, Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am UKM. „Außerdem können die Intensität und die Häufigkeit der Impulse je nach Wirkung und Verträglichkeit modifiziert und der Stimulator sogar für eine Zeit abgeschaltet werden, wenn der Patient dies wünscht.“
Das UKM nimmt mit der seit September neu etablierten und in der Region einzigartigen Methode nun an einer multizentrischen europaweiten Studie zum Erfolg der Vagusnerv-Stimulation teil.
Baune, der seit März die Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie leitet und zuvor in Melbourne in Forschung und Behandlung tätig war, berichtet von guten Erfahrungen, die Mediziner in Australien schon seit einigen Jahren mit der Therapie machen. Ursprünglich habe man die VNS-Stimulation bei Patienten mit Epilepsie eingesetzt und bei diesen eher zufällig auch eine einhergehende deutliche Stimmungsaufhellung festgestellt. „Das legte eine Behandlung von affektiven Störungen, also den Einsatz von VNS bei depressiven oder depressiv-bipolaren Patienten zumindest nahe“, so Baune. Hinsichtlich der genauen Wirkung der elektrischen Impulse im Gehirn gibt es noch keine gesicherten Erkenntnisse: Aktuell geht die Forschung von der Hypothese aus, dass diese einerseits die Ausschüttung von Neurotransmittern positiv beeinflussen und zum anderen zu einer generellen Aktivierung der für die Stimmung wichtigen Hirnareale beitragen.
Hinsichtlich der Wirksamkeit der Methode setzen die Behandler vor allem auf einen langfristigen Effekt durch VNS: „Die Wirkung setzt meist erst nach einigen Monaten voll ein und auch hier ist das Ansprechen des einzelnen Patienten darauf individuell“, räumt Baune ein. Nebenwirkungen hat die VNS wenige: So kann zeitweilige Heiserkeit auftreten, die aber über ein Zurückfahren der Impulsstärke gut reguliert werden kann. „Insgesamt bieten wir mit der VNS eine Therapie an, von der längerfristig bis zu 70 Prozent der Patienten stark profitieren“, sagt er laut Studienlage und Erfahrung. „Allerdings muss den Patienten klar sein, dass der beste Erfolg erst durch eine relativ lange Therapiedauer über circa fünf Jahre garantiert werden kann. Die Verbesserung der Lebensqualität unserer Patienten rechtfertigt in unseren Augen aber die lange Behandlungsdauer in jedem Fall.“