März 10, 2025 | Pressemitteilungen
Bild: Die Gesichter hinter der Studie (v.l.n.r.): Dr. Márcia Pereira, Helen Fuhrmann, Dr. Sylvio Redanz, Prof. Martin Kriegel, Ulrike Löschberger und Dr. Nathalie Becker (Foto: Uni MS/ E. Wibberg)
Darmbakterien als Schlüsselfaktor: neue Hoffnung für Lupus-Patienten?
Münster (mfm/nn) – Lupus: eine Krankheit mit tausend Gesichtern – unberechenbar, schubweise, oft unsichtbar. Wer betroffen ist, fühlt sich vom eigenen Körper verraten: Das Immunsystem greift gesunde Zellen an, statt sie zu schützen. Weil Lupus sich in unterschiedlichsten Formen zeigt, ist die Diagnose schwierig und sind die Therapiemöglichkeiten begrenzt. Doch nun ein Hoffnungsschimmer: Ein Forscherteam um Prof. Martin Kriegel von der Universität Münster hat eine bislang unbekannte Verbindung zwischen Darmbakterien und Lupus entdeckt. Die im Fachjournal Science Translational Medicine veröffentlichte Studie der Arbeitsgruppe zeigt, dass bestimmte Bakterien aus dem Darm entweichen und eine fehlgeleitete Immunantwort auslösen können. Diese Erkenntnis ebnet den Weg zu gezielten Therapien.
Darmbakterien gehören hinter die Darmschranke. Doch bei den betroffenen Patienten versagt diese körpereigene Barriere. „Einige Bakterien können sie durchbrechen und Immunzellen aktivieren“, erklärt Prof. Kriegel, der die Rheumatologie und klinische Immunologie an der Uniklinik Münster leitet. Besonders brisant: Enterococcus gallinarum. Dieses Bakterium stimuliert sogenannte Th17-Zellen, welche Entzündungen auslösen. Gleichzeitig fördert es die Produktion spezieller Autoantikörper – spezifisch IgG3 –, die körpereigenes Gewebe attackieren. Gesteuert wird diese fatale Fehlreaktion über den Toll-like-Rezeptor 8, der bei Lupus-Patienten besonders durch das Bakterium aktiviert wird.
Diese Erkenntnisse konnten gewonnen werden, weil die neue Studie erstmals auch menschliche Immunzellen untersuchte. „Die Forschung zum Darmmikrobiom beschränkte sich bislang meist auf Tiermodelle. Unsere Arbeit schließt diese Lücke, indem sie sowohl solche als auch Zellen von Lupus-Patienten nutzt“, so Kriegel. Dieses translational angelegte Vorgehen bringt entscheidende Erkenntnisse – und eine gute Nachricht für Betroffene: Das bewährte Lupus-Medikament Hydroxychloroquin kann den schädlichen Mechanismus blockieren.
Für seine Forschung bekommen Kriegel und sein Team Unterstützung von der Lupus Research Alliance (LRA), die innovative wissenschaftliche Projekte finanziert, um neue Therapieansätze und letztlich eine Heilung für die Krankheit zu finden. Bei der Stiftung ist der münstersche Uni-Mediziner kein Unbekannter: Sie förderte sein Engagement in der Lupus-Forschung bereits mit mehreren Preisen, darunter dem „Global Team Science Award“ (2022) und dem „Lupus Insight Prize“ (2021). Kriegel blickt hoffnungsvoll in die Zukunft: „Ziel ist es, diese bakteriellen Trigger gezielt auszuschalten, ohne das Immunsystem pauschal zu unterdrücken. Unsere Studie liefert damit eine vielversprechende Grundlage für neue Lupus-Therapien“. [PubMed-Link]
Mai 5, 2023 | Pressemitteilungen
Bild: Dr. Rebecca Hasseli-Fräbel hat in der UKM-Rheumaambulanz Jens Kersting erfolgreich behandelt. (©Foto: UKM)
„Mir geht es so gut wie seit drei Jahren nicht mehr“, ist Jens Kersting erleichtert. Jetzt, wo die Therapie anschlägt, kann er endlich wieder länger spazieren gehen und hofft auch bald wieder arbeiten zu können, wenn auch nicht im alten Beruf. Denn die Diagnose Systemischer Lupus Erythematodes stellt für die Betroffenen einen starken Einschnitt in ihrem Leben dar.
Münster (ukm/zer) – Erst taten ihm die Fingergelenke weh, dann schwollen sie an. Schließlich wanderte die Erkrankung durch den ganzen Körper, befiel die Organe und löste eine Rippenfellentzündung, Herzbeutel- und Lungenfellentzündung aus, berichtet Jens Kersting. Nach der Diagnose „Systemischer Lupus Erythematodes“ wurde schnell mit einer Therapie begonnen, aber über Monate hinweg stellt sich keine Besserung ein. Denn weil Rheumamedikamente erst verzögert eine Wirkung zeigen, dauert auch die Erkenntnis dazu, ob eine Therapie anschlägt oder nicht, teilweise Monate, erklärt Dr. Rebecca Hasseli-Fräbel, stellvertretende Sektionsleitung der Abteilung für Rheumatologie und Klinischen Immunologie der Medizinischen Klinik D am UKM (Universitätsklinikum Münster). Nachdem die Therapieansätze seiner niedergelassenen Rheumatologin erschöpft waren, kam Kersting dann in die Rheumaambulanz am UKM.
Beim Systemischen Lupus Erythematodes handelt es sich um eine seltene Autoimmunerkrankung, von der etwa eine Person unter 1000 in der Bevölkerung und vorwiegend Frauen betroffen sind. Dass die Erkrankung bei Männern auftritt, ist noch weitaus seltener. Die komplexe Erkrankung äußert sich bei kaum einem Menschen gleich. Die Symptome reichen von Gelenkschmerzen, Muskelschmerzen, Erschöpfung bis hin zu einer Beteiligung der Organe wie Nieren, Lunge oder Herz.
Video: Jens Kersting hat von der Behandlung seiner systemischen Lupuserkrankung in der UKM-Rheumaambulanz profitiert.
Die Erkrankung ist nicht heilbar, sie ist chronisch. „Ziel ist es, mithilfe unserer Behandlungen die Erkrankung in Ruhe zu kriegen – der Begriff ist Remission“, erklärt Hasseli-Fräbel. Mit der Rheumatherapie wird die Überaktivität des Immunsystems eingedämmt, damit sich der Körper nicht weiter selbst angreift und um eine möglichst hohe Lebensqualität für die Patient*innen zu erreichen. Am UKM zeichnet sich die Behandlung des Systemischen Lupus Erythematodes besonders durch den großen Erfahrungsschatz mit Lupus-Patient*innen und die Interdisziplinarität aus. Diese ganzheitliche Betrachtung schätzt auch der 46-Jährige Jens Kersting und fühlt sich am UKM gut aufgehoben. „Das Tückische ist, man merkt ihm das eigentlich nicht an, wie schwerkrank er ist“, verdeutlicht Hasseli-Fräbel mit Bezug auf den Patienten. Das macht den Umgang mit der Erkrankung besonders schwer, sowohl für die Patient*innen als auch für ihr Umfeld. Hasseli-Fräbel ist es deshalb wichtig, die Psyche nicht aus dem Blick zu verlieren, und plädiert dafür, dass bei Lupus-Patient*innen auch begleitend eine Psychotherapie zur Unterstützung der Krankheitsbewältigung in Erwägung gezogen und offen kommuniziert werden sollte.
Trotz starker Beschwerden konnte Kersting durch die Behandlung am UKM die Erkrankung in den Griff bekommen und viel Lebensqualität zurückerlangen: „Ich kann endlich wieder Fahrrad fahren, das konnte ich lange nicht und jetzt geht das wieder“.