Kinder impfen – ja oder nein?  „Wir sollten den Kindern jetzt die Chance geben, sich zu schützen!“

Kinder impfen – ja oder nein? „Wir sollten den Kindern jetzt die Chance geben, sich zu schützen!“

Bild: Gute Verträglichkeit und keine schweren Nebenwirkungen: Prof. Heymut Omran, seit 2010 Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin – Allgemeine Pädiatrie am UKM und selbst Vater von zwei Kindern, befürwortet die Impfung von Kindern ab fünf Jahren.

Münster (ukm/maz) – Nach der heutigen Zulassung des Biontech-Impfstoffs für Kinder ab fünf Jahren durch die Arzneimittelbehörde EMA spricht sich Prof. Heymut Omran, Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am UKM (Universitätsklinikum Münster), mit seinem Team für einen zügigen Start der Impfungen aus. Laut Bundesgesundheitsminister Jens Spahn sollen dafür noch im Dezember 2,4 Millionen Dosen zur Verfügung stehen. Im Interview spricht Omran über Wirksamkeit, mögliche Nebenwirkungen sowie den richtigen Zeitpunkt der Impfung – und die große Chance, dass Kinder wieder mehr Freiheit erlangen und psychische Belastungen minimiert werden können.

Herr Prof. Omran, die Zulassung durch die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA ist da, die Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko) noch nicht. Sollen Eltern noch abwarten oder jetzt zügig ihre Kinder impfen lassen?

Omran: Wir sind jetzt erneut in einer COVID-Welle und wir wissen, dass uns diese vierte Welle den gesamten Winter beschäftigen wird. Das ist ein ganz wichtiger Punkt! Deswegen muss man jetzt impfen und sollte nicht abwarten, sondern den Kindern die Chance geben, sich zu schützen.

Aber Kinder haben meist milde Verläufe. Wieso ist eine Impfung dennoch sinnvoll?

Omran: Ich denke, es gibt verschiedene Gründe. Wenn ein Kind zum Beispiel ein älteres Familienmitglied nicht anstecken kann, Oma und Opa also sicherer sind, dann ist das sehr hilfreich. Aber das Kind hat selbst auch einen Schutz und Vorteile. Im Rahmen einer COVID-Erkrankung kann es zum Beispiel eine Multi-System-Inflammationserkrankung bekommen und diese Entzündung kann auch zu Herzentzündungen führen. Im Gegenzug ist die Nebenwirkungsrate einer Impfung im Bereich des Herzens deutlich geringer als die Wirksamkeitsrate gegen diese schwere Problematik im Rahmen einer COVID-Infektion.

Wie wirksam ist die Impfung bei Kindern?

Omran: Die Impfung bei Kindern ab fünf Jahren erfolgt mit dem Impfstoff, der auch bei Erwachsenen verwendet wird, jedoch mit einem Drittel der Dosis. Die Wirksamkeit ist sehr ähnlich wie bei Erwachsenen, das bedeutet einen Schutz von etwa 90 Prozent.

Die Daten klingen vielversprechend, Kritikern sind 8000 Teilnehmer der Zulassungsstudie jedoch zu wenig. Wie bewerten Sie die aktuelle Datenlage?

Omran: Es ist vollkommen richtig, dass in der Zulassungsstudie nur eine kleine Gruppe von Kindern untersucht wurde. Aber in den USA wurden mittlerweile zwei Millionen Kinder geimpft und da hat sich bestätigt, dass wir hier keine großen Probleme gesehen haben. Ich persönlich rechne sogar eher mit etwas weniger Nebenwirkungen als bei Jugendlichen, da im Rahmen der Pubertät etwas mehr Nebenwirkungen auftreten und wir bei den Kindern nun ja im präpubertären Stadium sind.

Was sind bisher bekannte Nebenwirkungen?

Omran: Die Nebenwirkungen waren in der Beobachtungsstudie sehr gering, das waren vor allem Lymphknotenschwellungen in der Häufigkeit von circa einem Prozent. Andere Nebenwirkungen kennt man natürlich auch, wie eine leichte Rötung der Impfstelle oder auch etwas Fieber. Schwerere Nebenwirkungen wurden noch gar nicht beobachtet.

Als schwere Nebenwirkung kursierte in den Medien jedoch immer wieder etwas von Herzmuskelentzündungen. Stimmt diese Aussage?

Omran: Man hat gesehen, dass es selten bei männlichen Jugendlichen und noch etwas seltener bei weiblichen Jugendlichen zu solchen Herzentzündungen gekommen ist. Was aber wichtig ist: Diese Herzentzündungen waren in der Regel alle vergesellschaftet mit einem guten klinischen Verlauf. Die Herzentzündungen, die im Rahmen einer Inflammationserkrankung, also einer COVID-Erkrankung auftraten, waren deutlich schwerer.

Was raten Sie Eltern, deren Kinder eine Grunderkrankung haben. Gibt es Gründe, mit einer Impfung eher zurückhaltend zu sein?

Omran: Man sollte vor der Impfung natürlich immer eine sorgsame Aufklärung bei seinem Kinderarzt wahrnehmen. Wenn ein Kind eine besondere Grunderkrankung hat, zum Beispiel eine Herzerkrankung, sollten Eltern zusätzlich mit dem entsprechenden Spezialisten reden, um zu sehen, ob es hier doch auch mal besondere Gründe gegen eine Impfung gibt. Das wird aber sehr, sehr selten sein. Eher wird eine schwere Grunderkrankung ein besonderer Grund sein, diese COVID-Impfung zu veranlassen.

Einige Erwachsene haben nicht nur für sich selbst, sondern auch für ihre Kinder Angst vor Langzeitfolgen einer Impfung. Wie ist hierzu die Datenlange?

Omran: Ich habe weder bei Kindern noch bei Erwachsenen Erkenntnisse für Langzeitschäden nach den bisherigen Impfungen. Ich rechne auch nicht damit.

Langzeitfolgen der Pandemie sind hingegen bereits bekannt, vor allem psychische. Die Zahl an hilfesuchenden Kindern, Jugendlichen und Eltern ist immens gestiegen. Welchen Beitrag kann die Impfung in dieser Hinsicht leisten?

Omran: Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Kinder brauchen in ihrem Leben auch Freiheit, brauchen Entwicklungsmöglichkeiten, müssen auch andere Kinder treffen können, müssen spielerisch soziale Fähigkeiten erlernen können. Das können sie eigentlich nur in der Gruppe und das können sie nur mit Menschen und nicht nur virtuell. Und deswegen ist auch da die COVID-Impfung ein gutes Instrument, um Kindern diese Entwicklungsmöglichkeiten wiederzugeben. Ich rechne damit, dass dann auch weniger psychische Probleme auftreten, weil es ja schon zum Teil besorgniserregend ist, was wir erlebt haben bezüglich dieser anderen Nebenwirkungen der Erkrankung.

Abschließend noch eine persönliche Einschätzung: Ihre Klinik ist eine der größten in der Region mit entsprechend vielen Mitarbeiter*innen, von denen selbst viele Kinder unter elf Jahren haben. Wie wird das Thema bei Ihnen untereinander diskutiert?

Omran: In unserem Kinder-Infektiologischen Team sind auch viele Ärztinnen und Ärzte, die selbst Eltern sind und Kinder im entsprechenden Alter haben. Und all die Ärzte haben sich die Studienlage intensiv angeschaut und klar gesagt, sie würden und sie werden ihre eigenen Kinder impfen lassen.

Video: „In den USA wurden mittlerweile zwei Millionen Kinder geimpft – ohne große Nebenwirkungen.“ – Das komplette Interview mit Prof. Heymut Omran.

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Covid-19-Impfungen: „Ich halte es für richtig, Schwangere zu impfen“

Covid-19-Impfungen: „Ich halte es für richtig, Schwangere zu impfen“

Eine Änderung der Impfempfehlung für Schwangere bietet eine neue Grundlage für die Covid-19-Impfungen von werdenden Müttern: Die Ständige Impfkommission (STIKO) spricht sich – anders als bisher – nun dafür aus, dass Schwangere ab dem 2. Trimenon mit einem mRNA-Impfstoff geimpft werden können. Dies soll vor allem für Risikoschwangerschaften gelten. Prof. Walter Klockenbusch, einer der beiden Leiter der UKM Geburtshilfe und Pränatalmedizin, geht in seiner Empfehlung sogar noch weiter: Er würde die Impfung Schwangeren generell empfehlen, sofern dem nach der Anamnese individuell nichts entgegensteht.

UKM_Klockenbusch_WalterMünster (ukm/aw) – Die aktuelle Datenlage spricht eine deutliche Sprache: Laut dem CRONOS-Register der Deutschen Gesellschaft für Perinatalmedizin (DGPM) wurden deutschlandweit bis zum heutigen Tag über 2.136 SARS-CoV-2-Infektionen bei Schwangeren registriert. Von den infizierten Müttern mussten 86 auf Intensivstationen behandelt werden – leider verstarben davon auch einige Schwererkrankte. Schwangere zeigen – auch mit Blick auf internationale Studien – generell deutlich häufiger schwere Krankheitsverläufe im Vergleich zu Nicht-Schwangeren.

„Ich kann aus eigener Anschauung sagen, dass Covid-19 bei werdenden Müttern einen sehr schweren, sogar tödlichen Verlauf nehmen kann“, sagt Prof. Walter Klockenbusch. „Die Gefahr, dass diese Frauen intensivmedizinisch betreut werden müssen, ist um ein Sechsfaches erhöht. Das Risiko, dass sie beatmet werden müssen, sogar 23 Mal größer als bei Nicht-Schwangeren. Die genauen Ursachen dafür kennen wir nicht. Ursächliche Faktoren sind aber unter anderem wahrscheinlich eine verminderte Elastizität der Brustwand und der Zwerchfellhochstand in der Schwangerschaft.“

Zweifellos sind Schwangere besonders gefährdet und sollten daher bevorzugt geimpft werden. Für den Fall, dass der Frauenarzt die Impfung nicht selbst vornimmt, könnten Betroffene ein Impfempfehlungsschreiben ihres Gynäkologen zur Vorlage beim Hausarzt oder im Impfzentrum bekommen. Grundsätzlich sollte ein mRNA-Impfstoff eingesetzt werden. Studien belegen, dass mRNA-Impfstoffe hinsichtlich möglicher Nebenwirkungen bei Schwangeren keine Unterschiede im Vergleich zu Nicht-Schwangeren zeigen und auch nicht mit erhöhten Schwangerschaftskomplikationen verbunden sind.

Mehrere Fachgesellschaften haben sich in einem Schreiben für eine großzügige Auslegung der STIKO-Impfempfehlung ausgesprochen. „Die Nutzen-Risiko-Abwägung legt nahe, dass eine Impfung Vorteile für Mutter und Kind hat“, so Klockenbusch. „Die Studienlage zeigt, dass bei der Geburt auch die Kinder einen immunologischen Nestschutz gegen das Virus mitbringen. Auch beim Stillen werden die Antikörper gegen Covid-19 weitergegeben, sofern die Mütter geimpft sind.“ Dies sei zwar bei zuvor genesenen Müttern auch der Fall, so der Leiter der UKM-Geburtshilfe. „Allerdings umgeht die Schwangere bei Impfung eben die Gefahr eines schweren Verlaufs.“

Impfen im Minutentakt

Impfen im Minutentakt

Bild vom Startschuss im Hörsaalgebäude am UKM: Vera Piochowiak (2.v.l.), Carola Scholz (sitzend) und Dr. Jan Sackarnd (2.v.r.) freuen sich über die erste Schutzimpfung gegen SARS-Cov-2. Prof. Dr. Hugo Van Aken (r.) und Dr. Peter Czeschinski (l.) zeigen sich äußerst zufrieden mit dem Impfstart am Klinikum.

Nachdem am Wochenende die erste Lieferung des Impfstoffes gegen SARS-Cov-2 am UKM eingetroffen ist, wird am Klinikum seit heute Morgen nahezu im Minutentakt geimpft. 1000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen innerhalb von zwei Tagen die erste Schutzimpfung erhalten haben. Die Impfbereitschaft liegt bei über 80 Prozent.

Münster (ukm/maz) – 1000 Impfungen an zwei Tagen: Am UKM (Universitätsklinikum Münster) wird die mehrwöchige Planung für das klinikeigene Impfzentrum seit heute Morgen in die Realität umgesetzt. Und der Andrang ist groß. „Wir haben eine Impfbereitschaft von über 80 Prozent“, freut sich Prof. Dr. Hugo Van Aken, Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender des UKM. Vier Personen werden im Hörsaalgebäude gleichzeitig geimpft, bereits um kurz nach 11 Uhr war mit 250 Personen das Ziel für den Vormittag erreicht.

„Ich lasse mich impfen, weil ich finde, dass man jetzt nicht nur an sich denken muss, sondern an alle. Und wir können das nur gemeinsam schaffen!“
Vera Piochowiak, Pflegende COVID-Station am UKM

Die Organisation ist durchdacht: Für unterschiedliche Zeitfenster werden die Mitarbeitenden eingeladen – mit genug Puffer, sollte doch auf der Station gerade zu viel los sein. Zwei sogenannte Impfstraßen, die von der Anmeldung über jeweils zwei Impfplätze bis zur Terminvergabe für die zweite Impfung und den überwachten Ruhebereich reichen, wurden als eine Art Rundlauf konzipiert. Am Ende verlassen die Mitarbeitenden das Gebäude an einer anderen Stelle, als sie reingekommen sind. „Bis auf einige wenige Ausnahmen durch Krankheitsfälle gehen wir davon aus, dass bis Dienstagnachmittag alle Mitarbeitenden geimpft sind, die dafür angemeldet waren“, zeigt sich Dr. Peter Czeschinski, leitender Arzt des Arbeitsmedizinischen und Sicherheitstechnischen Dienstes (AMSD) am UKM, sehr zufrieden mit dem Auftakt. Insgesamt 18 Personen sind im Impfzentrum im Einsatz, neben Mitarbeitenden des AMSD ist es beispielsweise das Team der klinikeigenen Apotheke, das vor Ort den Impfstoff des Herstellers Moderna fachgerecht aufbereitet.

„Ich lasse mich impfen, weil wir jeden Tag am UKM sehen, dass das Corona-Virus den Menschen schädigt bis hin zum Tod und die Impfung ist der einzige Weg, diese Pandemie irgendwie zu beherrschen.“
Dr. Jan Sackarnd, Ärztlicher Leiter COVID-Intensivstation am UKM

Damit die Zahl der täglich geimpften Mitarbeitenden am UKM in der jetzigen Höhe gehalten werden kann, laufen zeitgleich einige hundert Meter entfernt im PAN-Zentrum weiterhin ärztliche Aufklärungsgespräche (wir berichteten), die für eine Impfung zwingend erforderlich sind. Angeschrieben werden dafür immer gesamte Teams und Stationen; vom medizinischen Personal über die Reinigungs- bis hin zu den Servicekräften. Rund 2700 Einladungen wurden dafür bis heute vom Geschäftsbereich Personal verschickt, täglich kommen neue hinzu. „Nur so können wir sicherstellen, dass die Impfungen selbst so schnell erfolgen können, wie wir das hier heute sehen: Wenn wir die Aufklärung vorziehen und von der eigentlichen Impfung entkoppeln, können wir den Impfstoff direkt verimpfen, wenn die Lieferungen bei uns eintreffen“, erklärt Van Aken.

„Ich lasse mich impfen, weil irgendwer damit anfangen muss und ich hoffe, dass wir bald genügend Impfstoff haben, dass sich jeder impfen lassen kann, egal ob er 80 oder 18 ist.“
Carola Scholz, Mitarbeiterin der UKM Gebäudemanagement GmbH

Insgesamt 6000 der 11.700 Mitarbeitenden des UKM sollen in erster und zweiter Priorität geimpft werden, weil sie alle entweder Kontakt zu COVID-Patienten haben oder in besonders vulnerablen Bereichen wie der Onkologie oder Transplantationsmedizin arbeiten. Im Folgenden werden dann zunächst weitere Mitarbeitende mit Patientenkontakt und dann die übrigen Mitarbeitenden kontaktiert. „Der einzig limitierende Faktor ist der uns zur Verfügung stehende Impfstoff“, erklärt Czeschinski. „Unser Konzept zeigt: Wir sind in der Lage, innerhalb kürzester Zeit das Klinikpersonal zu impfen – und damit einen größtmöglichen Schutz für unsere Mitarbeitenden wie für unsere Patienten sicherzustellen.“

Schon in der nächsten Woche soll das UKM eine weitere Lieferung vom Land NRW erhalten, die genaue Menge ist noch unklar. „Wir planen derzeit wieder mit 1000 Impfdosen und hoffen, dass wir spätestens bis zum Sommer allen Mitarbeitenden unseres Klinikums ein Impfangebot machen können“, sagt Prof. Dr. Hugo Van Aken.