Wenn Spermien vom Weg abkommen: Dr. Corinna Friedrich auf Erfolgskurs bei der Suche nach Unfruchtbarkeitsmutationen
Münster(mfm/mw) – Der Unfruchtbarkeit auf der Spur: Eine Familie zu gründen und Kinder zu bekommen, ist für viele Paare ein sehnlicher Wunsch. Doch oft bleibt er ein Traum. Um den Nebel um ungeklärte männliche Unfruchtbarkeitsdiagnosen zu lichten, forscht Dr. Corinna Friedrich seit dreieinhalb Jahren an den zugrundeliegenden genetischen Ursachen. Das internationale Team des 2020 gegründeten Instituts für Reproduktionsgenetik an der Universität Münster (WWU), dessen Tätigkeit Friedrich federführend koordiniert, konnte nun in sieben Genen eine Begründung für eine fehlerhafte Spermienbildung identifizieren. Die Entdeckungen zu diesen möglichen Ursachen der männlichen Unfruchtbarkeit wurde nun mit einer Auszeichnung belohnt: mit dem Publikationspreis 2020 der Zeitschrift “Andrology“.
Kann ein Paar keine Kinder bekommen, so liegt es bei etwa einem Drittel der Fälle an der Unfruchtbarkeit des Mannes. Etwa die Hälfte der Männer, die keine Spermien im Ejakulat aufweisen, bleibt derzeit allerdings ohne kausale Diagnose. Oft wurde die Infertilität schon mit in die Wiege gelegt: Jeder Mensch verfügt über einen einzigartigen “genetischen Fingerabdruck“, das Genom, der das menschliche Aussehen und bestimmte Eigenschaften prägt. Mit dem Wissen, welche Veränderungen am Genom die Unfruchtbarkeit bedingen, können Betroffene viel häufiger und effizienter diagnostiziert und beraten werden. Für neue Erkenntnisse zu sieben solcher “Infertilitätsgene“ erhielt Friedrich den Andrology Award 2020. Die Auszeichnung würdigt die beste Publikation des Vorjahres und wird von der “European Academy of Andrology“ und der “American Society of Andrology“ verliehen.
Konkret wurden in der ausgezeichneten Veröffentlichung durch eine Kooperation zwischen Münster und der Universität São Paulo in Brasilien die Genveränderungen in einer Gruppe von 16 unfruchtbaren Männern untersucht. Die zehnköpfige Arbeitsgruppe nutzte die moderne Sequenziertechnik “Whole Exome Sequencing“: Mithilfe dieser Methodik lassen sich genetische Veränderungen (Mutationen) im kodierenden Genombereich identifizieren und den Paaren dadurch eine Begründung für ihre ungewollte Kinderlosigkeit ermöglichen. „In unserer Studie haben wir 37 Gene näher untersucht, bei denen wir davon ausgehen, dass sie Störungen der Fertilität begünstigen oder gar verursachen. In sieben davon konnten wir seltene Genvarianten identifizieren, die möglicherweise verantwortlich für die Unfruchtbarkeit der untersuchten Männer sind“, erklärt Friedrich.
Auch im Privatleben stehen für die gebürtige Steinfurterin alle Zeichen auf Erfolg. Im vergangenen Jahr wurde die Mutter von drei Kindern erstmalig mit dem Ursula-von-Euch-Stipendium der gleichnamigen Stiftung unterstützt. Der monatliche Förderbetrag von 400 Euro soll Wissenschaftlerinnen mit kleinen Kindern den Balanceakt zwischen Spitzenforschung und Familie erleichtern. Das Stipendium wurde 2021 um ein weiteres Jahr verlängert. Aber nicht nur extern erhält Friedrich Unterstützung: Durch die Gleichstellungsarbeit der klinischen Forschungsgruppe CRU326 werden unter anderem Kosten für die Kinderbetreuung übernommen und studentische Hilfskräfte für die alltäglichen Laborarbeiten angestellt.
„Neben persönlichem Antrieb und dem Rückhalt meines Ehemannes sowie meiner Eltern hat erst mein einzigartiges berufliches Umfeld das alles möglich gemacht,“ schwärmt Friedrich. Auch Reprogenetik-Institutsdirektor Prof. Frank Tüttelmann und Chefärztin Prof. Sabine Kliesch vom Centrum für Reproduktionsmedizin und Andrologie (CeRA) sind mit den jüngsten Entwicklungen der münsterschen Reproduktionsforschung zufrieden: „Dies ist ein Paradebeispiel für einen erfolgreichen Balanceakt von Karriere, Familie und Förderungserfolgen und bestärkt uns in unseren Anstrengungen auf diesem Gebiet“.