„miGenomeSurv“: Das neue Netzwerk nutzt „genetischen Fingerabdruck“ für die Überwachung bakterieller Krankheitserreger
Münster (rki/mfm) – In der modernen, global agierenden Gesellschaft ist die Mobilität von Menschen, Tieren, Waren und Lebensmitteln extrem hoch. Immer mit dabei auf den Handels- und Reisewegen: Infektionen und deren Erreger – das veranschaulicht aktuell die SARS-CoV2-Pandemie. Ein weiteres prägnantes Beispiel gab es vor zehn Jahren: 2011 wurde das deutsche Gesundheitssystem mit dem lebensmittelbedingten Ausbruch eines Krankheitserregers – einer toxischen Variante des Darmbakteriums E. coli des Typs EHEC O104:H4 – konfrontiert. Der gefährliche Keim zog rund 3.000 Fälle von Durchfall, rund 850 von schwerem Nierenversagen und 53 Tote nach sich. Mit dem neuen Netzwerk „miGenomeSurv“ soll Deutschland für künftige Ausbrüche besser gewappnet sein.
Die Identifizierung der Infektionsquelle ist in der Regel Voraussetzung für eine erfolgreiche Ausbruchsbekämpfung. Wird die Quelle nicht zeitnah identifiziert, können solche Ausbrüche auch über lange Zeiträume und an verschiedenen Orten auftreten, was die Identifizierung eines Zusammenhangs besonders schwierig macht. Aber – wie erkennt man, dass die Erreger „gleichartig“ sind? Und wie lässt sich erkennen, ob ein Erreger schon einmal an einem anderen Ort und zu anderer Zeit beobachtet wurde? Wie lässt sich die Spur von Krankheitserregern exakt verfolgen? Hierfür wird ein exakter „Fingerabdruck“ des Erregers benötigt, um Ähnlichkeiten und Verwandtschaften zu erkennen oder auszuschließen.
„Um den Infektionsschutz zu verbessern, ist eine molekulare Surveillance – sprich: Überwachung – von Infektionserregern unverzichtbar“, sagt Prof. Lothar H. Wieler, Präsident des Robert-Koch-Institutes. Um hierfür geeignete Instrumente bereitzustellen, hat sich eine Gruppe von Wissenschaftlern an der Universität Münster, dem Forschungszentrum Borstel und dem Robert-Koch-Institut im Netzwerk „miGenomeSurv“ zusammengeschlossen. Die Basis des Verbundes – dessen Abkürzung für mikrobielle genombasierte Surveillance von Infektionserregern steht – sind die dort angesiedelten nationalen Referenzlabore. In ihnen werden – ihrem Auftrag entsprechend – für die Bevölkerung relevante Infektionserreger mikrobiologisch und bis hin zur Erbgutanalyse mittels Genomsequenzierung charakterisiert, um hieraus den „Fingerabdruck“ und weitere Merkmale der Bakterien für die Erregerüberwachung und Ausbruchsaufklärung zu gewinnen.
Bei „miGenomeSurv“ wird eine einheitliche „Sprache“ für die zahlreichen Erregerlinien und die Erstellung eines „Steckbriefes“ genutzt. „Einfach zu handhabende bioinformatische Werkzeuge helfen dabei, dem jeweiligen Erreger eine eindeutige Signatur zu geben“, erläutert Prof. Dag Harmsen von der Universität Münster. Dieser besonders wichtige Aspekt einer abgestimmten „Sprachregelung“ beruht auf der Berechnung eines sogenannten Kerngenoms aus den Genomdaten (Core-Genome-MLST-Ansatz). Hierbei wird das Erbgut der Erreger in einen standardisierten Zahlencode „übersetzt“. „Dieses Vorgehen ermöglicht einen reibungslosen Datenaustausch zwischen den beteiligten Laboratorien mit weiteren nationalen und internationalen Partnern und Institutionen wie dem Europäischen Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten oder dem öffentlichen Gesundheitsdienst“, beschreibt Prof. Alexander Mellmann, Direktor des Instituts für Hygiene am Universitätsklinikum Münster, den Vorteil. Durch diesen Austausch, so Mellmann, „gelingt bei einem Ausbruchsgeschehen, wie wir es 2011 mit EHEC erlebt haben, eine deutlich schnellere Nachverfolgung“.
Die genomischen Profile sowie weitere Daten des Projekts werden auf der Webseite des Netzwerks veröffentlicht. Die Kooperationspartner konzentrieren sich zunächst auf ausgewählte Erreger und stellen zu diesen die zugehörigen Daten zur Verfügung. Es handelt sich um Enterohämorrhagische Escherichia coli (EHEC), Listeria monocytogenes, Multidrug resistant Mycobacterium tuberculosis, M. bovis/caprae und Vancomycin-resistente Enterokokken (VRE).