Hirntumor: Patient aus der Ukraine erfolgreich am Gehirn operiert

Hirntumor: Patient aus der Ukraine erfolgreich am Gehirn operiert

Bild: Vasyl Sushko (r.) kann dank der Operation durch Prof. Dr. Uta Schick (l.) wieder ohne Probleme stehen und gehen. Auch sein Sehvermögen und das Kurzzeitgedächtnis sind zurückgekehrt.

Münster – Mit einer aufwendigen Operation in den Tiefen des Gehirns wurde ein ukrainischer Patienten am Clemenshospital gerettet, dessen Tumor in seiner Heimat als inoperabel galt. Ohne den Eingriff wäre der 49-Jährige erblindet, könnte nicht mehr gehen und hätte sein Kurzzeitgedächtnis verloren.

„Ich hätte nie gedacht, dass man den Tumor entfernen kann“, die Erleichterung ist Vasyl Sushko deutlich anzumerken. In seiner ukrainischen Heimat im Donbass haben die Ärzte nur abgewunken, zu tief im Gehirn saß das Neurozytom, ein gutartiger hirneigener Tumor. An eine Operation war aus Sicht der dortigen Ärzte nicht zu denken, „Die haben es nicht gewagt“, wie Sushko verschmitzt anmerkt.
Aus Sicht von Prof. Dr. Uta Schick, Chefärztin der Klinik für Neurochirurgie des Clemenshospitals, war die Situation nicht so aussichtslos. „Der Tumor befand sich in den Hirnkammern und drückte auf den Bereich des Gehirns, in dem das Kurzzeitgedächtnis liegt. Außerdem hatte der Tumor Zysten gebildet, die den Sehnerv beeinträchtigt haben. Ohne den Eingriff wäre der Patient erblindet und hätte sein Kurzzeitgedächtnis vollständig verloren. Ein normales Leben wäre auf keinen Fall mehr möglich gewesen“, ist sich die Expertin sicher. Die Operation war auch für die versierte Neurochirurgin eine Herausforderung, „Wir mussten uns buchstäblich von ganz oben bis unten durch das Gehirn arbeiten, ohne Schäden zu verursachen.“ Sieben Stunden dauerte der Eingriff, während dem der Tumor nach und nach ausgeschält wurde. Am Ende blieb noch ein winziger Rest zurück, der aber keine Probleme bereiten wird, wie Prof. Dr. Schick betont.

Die Schwäche, der Schwindel, der unsichere Gang, die Sehprobleme und die Ausfälle des Kurzzeitgedächtnisses, unter denen der 49-Jährige durch den Tumor litt, waren nur eine Woche nach der Operation im Clemenshospital, einem Krankenhaus der Alexianer, so gut wie verschwunden. „In der Ukraine wurden dem Patienten zwei dünne Schläuche links vorne und rechts hinten in das Gehirn gelegt, sogenannte Shunts, über die das überschüssige Hirnwasser ablaufen konnte. Durch den Tumor waren die natürlichen Abflüsse verstopft. „Wenn alles gut läuft, können wir auch die Shunts entfernen, probeweise unterbunden haben wir sie schon“, freut sich Prof. Dr. Uta Schick über den sehr guten Verlauf des Eingriffs. Er ist einer von bisher drei Patienten, die in der Ukraine als inoperabel galten, hier aber mit erhöhtem Aufwand versorgt werden konnten.

Virtual-Reality-Tour durch das eigene Gehirn: Den Hirntumor sehen und verstehen

Virtual-Reality-Tour durch das eigene Gehirn: Den Hirntumor sehen und verstehen

Bild: Für ein besseres Verständnis: (v.l.) Dr. Dr. Oliver Grauer, Jonas Thiet und Dr. Markus Holling mit der VR-Brille.

Im UKM-Hirntumorzentrum erhalten Patienten mithilfe einer VR-Brille dreidimensionale Einblicke in ihren Kopf.

Münster (ukm/lie) – Jonas Thiet erinnert sich gut an das Gefühl der Unsicherheit. Als hätte ihm jemand den Boden unter den Füßen weggezogen. „Ich war erst mal völlig mit der Situation überfordert“, blickt der heute 27-Jährige auf die erste Zeit nach der Diagnose „Hirntumor“ zurück. Damals – vor knapp drei Jahren – half es ihm, so viel wie möglich über seine Erkrankung und die Therapiemöglichkeiten zu erfahren. Daher zögerte Thiet nicht lang, als ihm Dr. Markus Holling, Oberarzt in der Klinik für Neurochirurgie des UKM (Universitätsklinikum Münster), jetzt im Rahmen der Nachsorgeuntersuchungen im UKM-Hirntumorzentrum anbot, mithilfe einer VR-Brille (VR = virtual reality) eine Reise ins eigene Gehirn zu unternehmen.

„Manche kennen VR-Brillen bereits von der heimischen Spielkonsole – im Zentrum nutzen wir diese Technik aber nun zur besseren Visualisierung des Hirntumors“, erklärt der Mediziner. „Patienten sollten so gut es geht über ihre Erkrankung Bescheid wissen“, betont auch sein Kollege Dr. Dr. Oliver Grauer, Oberarzt in der Klinik für Neurologie. Als erstes Hirntumorzentrum in Europa setzt das interdisziplinäre Team rund um Grauer und Holling die VR-Technik mit einer neuen Software aus der Schweiz ein, um z.B. vor einer Operation die genaue Lage des Tumors und die benachbarten Regionen zu veranschaulichen und einen Eindruck davon zu vermitteln, was während des Eingriffes passiert. Das Modell des Gehirns wird dabei anhand von MRT-Aufnahmen generiert. Der Patient kann sich die Bilder durch die VR-Brille direkt in 3D ansehen. Zusätzlich gibt es die Möglichkeit, die virtuelle Tour durch den Kopf an einem großen Bildschirm zu verfolgen. „Dabei ist keinerlei anatomisches Vorwissen erforderlich“, erzählt Holling. „Wir sind immer dabei und erklären die relevanten Strukturen.“

Jonas Thiet, bei dem der Tumor bereits kurz nach der Diagnose erfolgreich entfernt wurde, kommt nach einer anschließenden Chemo- und Strahlentherapie heute noch regelmäßig alle drei Monate zur Nachsorge aus seinem ostfriesischen Heimatort nach Münster. Bei Patienten wie ihm können die Mediziner mit Hilfe der VR-Technologie das Ergebnis nach einer OP darstellen. „Ein Hirntumor ist eine sehr komplexe Erkrankung“, sagt Holling. „Das ist was anderes als ein gebrochenes Bein. Die Betroffenen haben vor und nach dem Eingriff viele Fragen – z.B. zu den neurologischen Folgen oder dem weiteren Therapieverlauf.“ Auch Thiet suchte so viele Antworten wie möglich. „So habe ich gesehen, was alles möglich ist“, erzählt der gelernte Koch, der inzwischen ein eigenes Restaurant betreibt. Das Vertrauen in die Ärzte, in die neuen Verfahren und Technologien helfe ihm, wieder ein Stück Sicherheit zurückzugewinnen.