SARS-CoV-2: Bei MS schwächen manche Medikamente den Impfschutz

SARS-CoV-2: Bei MS schwächen manche Medikamente den Impfschutz

Bild: Untersuchten die Wirkung von mRNA-Impfstoffen gegen das SARS-CoV2-Virus bei MS-Patienten (v.l.nr.): Susan Trümpelmann, Dr. Catharina Groß, Prof. Luisa Klotz und Dr. Andreas Schulte-Mecklenbeck (Foto: privat)

Wenn Immunreaktion auf Abwehr stößt

Münster (mfm/sk) – Zum Ersten, zum Zweiten, zum Dritten … – bei einer Versteigerung wäre nun Schluss. Die Impfungen gegen das SARS-CoV2-Virus gehen aber für viele Menschen in die vierte Runde. Denn der Schutzeffekt des Impfstoffs hängt offenbar nicht nur vom Präparat ab, sondern auch von dem menschlichen Immunsystem, auf das es trifft. Impfstoffe auf mRNA-Basis schützen vor dem SARS-CoV-2-Virus, indem sie eine Immunreaktion auf dessen Bestandteile auslösen – viele Patienten mit Autoimmunerkrankungen erhalten jedoch Medikamente, die genau diesen gewollten Prozess hemmen. Wirkt die Impfung auch bei ihnen? Antworten auf diese Frage liefert jetzt ein Forschungsteam der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU) Münster um Dr. Catharina Groß und Prof. Dr. Luisa Klotz. Die Arbeitsgruppe nahm die häufigste chronisch-entzündlichen Erkrankung des zentralen Nervensystems in den Blick, die Multiple Sklerose (MS).
Der Regelfall nach Verabreichung eines mRNA-Impfstoffes ist, dass der Organismus Antikörper und spezialisierte T-Gedächtniszellen bildet; beide arbeiten dann für eine optimale Virusabwehr zusammen. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler untersuchten Blutproben von Patienten mit MS, die mit Interferon-beta, Natalizumab oder Ocrelizumab behandelt wurden. Dabei zeigte sich: Wer eine Interferontherapie erhält, entwickelt eine normale Impfreaktion und ist nach dem Pieks ähnlich gut vor Covid-19 geschützt wie gesunde Studienteilnehmer. Anders MS-Patienten unter Therapie mit Natalizumab oder Ocrelizumab: Bei ihnen waren unterschiedliche Komponenten der Immunantwort auf die mRNA-Impfung geringer ausgeprägt. Das könnte auf einen verringerten Schutz hindeuten.

So hatten Patienten mit Therapie mittels Natalizumab zwar normale Mengen an Antikörpern gegen das Coronavirus im Blut, allerdings erfüllten die T-Gedächtniszellen ihre Funktion nicht optimal. Eigentlich sollen die sich das SARS-CoV2-Virus nach der Impfung „merken“ und es bekämpfen, sobald der Körper infiziert wird. In der Ocrelizumab-Gruppe verhielt es sich genau anders herum: Patienten bauten kaum schützende Antikörper gegen SARS-CoV-2 auf. Aber es gibt ja noch die T-Zellen. Mit ihnen reagierte das Immunsystem einwandfrei auf das eindringende Virus. In beiden Fällen war also nur ein Partner des Tandems aus zellulärer und Antikörper-vermittelter Immunantwort geschwächt; da der jeweils andere auf die Impfung reagierte, war die Immunisierung nicht wirkungslos.

„Alle Patienten konnten ihre Immunabwehr durch die mRNA-Impfung stärken. Sie erreichten dabei allerdings nicht immer denselben Schutz wie eine gesunde Person“, resümiert Susan Trümpelmann, die die Studie maßgeblich durchgeführt hat. Letztlich bleibe aber noch offen, ob diese partielle Einschränkung der Immunantworten gegen SARS-CoV-2 das Risiko einer Covid-Infektion tatsächlich erhöht. „Auf Basis unserer Erkenntnisse können jetzt zusätzliche Sicherheitskonzepte für die Betroffenen erarbeitet werden“, empfiehlt Prof. Luisa Klotz, Oberärztin an der Klinik für Neurologie der Uniklinik Münster. Dabei spiele die vierte Impfung eine wichtige Rolle: MS-Patienten, die Natalizumab erhalten, könnten in besonderem Maß von der Auffrischungsdosis profitieren, da diese die Ausbildung von T-Gedächtniszellen unterstütze.

Bei MS-Patienten mit einer Ocrelizumab-Therapie kommt es laut dem Studienteam es auf das Timing an. Das Medikament wird üblicherweise alle sechs Monate als Infusion verabreicht. Es verringert die Zahl der B-Zellen deutlich, was wiederum den Impfschutz einschränkt. Doch die Wirkung von Ocrelizumab lässt mit der Zeit nach, sodass wieder geringe Mengen an B-Zellen zur Verfügung stehen, mit denen das Immunsystem auf die Impfung reagieren kann. Prof. Klotz: „Ist eine Immunisierung geplant, ließe sich das Intervall zwischen zwei Infusionen verlängern. Diese Zeit kann das Immunsystem nutzen, um mehr B-Zellen und damit eine virusspezifische Antikörper-Antwort auszubilden“.[Link zur Studie bei PubMed]