Angehörigengruppe: „Wie ein Rettungsring“

Angehörigengruppe: „Wie ein Rettungsring“

Bild: Ekaterina Berger (l.) und Eugenia Bozer (r.) auf der kinderneurologischen Frührehabilitation des Clemenshospitals.

Angehörigengruppe: Therapiegruppe für Angehörige von schwerstkranken Kindern und Jugendlichen im Clemenshospital

Münster – Die Schwangerschaft verlief problemlos, zu Hause liefen die letzten Vorbereitungen für das neue Familienmitglied. Doch dann gab es Komplikationen während der Geburt, das Gehirn des Babys bekam zu wenig Sauerstoff und wurde schwer geschädigt. Einen Monat später wurde der kleine Louis mit dem Krankentransport von der Klinik im Raum Düsseldorf in das münsterische Clemenshospital gebracht, dessen kinderneurologische Frührehabilitation auf die Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit schweren Hirnschäden spezialisiert ist. Doch der Schaden war so groß, dass der kleine Louis nach einem Monat den Kampf verloren hat. „Wer das nicht erlebt hat, kann nicht verstehen, was es für die Eltern bedeutet“, ist sich Louis‘ Mutter Ekaterina Berger sicher.

Seit einem dreiviertel Jahr gibt es im Clemenshospital, einer Klinik der Alexianer, eine Gruppe für Angehörige schwerkranker Patientinnen und Patienten der kinderneurologischen Frührehabilitation, deren Leiterin, die Psychologische Psychotherapeutin Eugenia Bozer, noch in der Klinik Kontakt zu den Eltern aufgenommen hat. „Erst war ich skeptisch. Ich dachte, dass in einer solchen Gruppe zu meinem eigenen Schmerz noch der Schmerz der anderen Eltern hinzukommt, aber das ist nicht so! Die Gruppe ist für mich wie ein Rettungsring.“ Bozer kennt diese anfänglichen Zweifel: „Die Hürde ist oft groß, aber man sollte solchen Hilfsangeboten immer eine Chance geben.“ Neben dem Schmerz über den Verlust des Kindes oder des alten Lebens mit einem gesunden Kind, sind es oft auch Schuldgefühle, mit denen die Menschen zu kämpfen haben. „Habe ich etwas falsch gemacht? Habe ich nicht aufgepasst? Eine weitere wichtige Aufgabe der Gruppe neben der Trauerbewältigung besteht darin, den Eltern diese Schuldgefühle zu nehmen. In der Angehörigengruppe besteht die Möglichkeit, sich offen darüber auszutauschen und dabei in der Trauerverarbeitung unterstützt zu werden.“ Ekaterina Berger ist froh, das Angebot von Eugenia Bozer angenommen zu haben: „Nach Louis‘ Tod war alles dunkel, alles war schwer. Mit jedem Treffen der Gruppe wurde es wieder heller. Ich habe noch immer zu vielen Eltern aus der Gruppe Kontakt.“

Während die Angehörigen an den Gruppensitzungen teilnehmen und nicht bei den schwerkranken Kindern sein können, kümmern sich neben der Pflege viele ehrenamtliche Helferinnen und Helfer um die kleinen Patientinnen und Patienten, „Das ist eine große Entlastung und sorgt dafür, dass sich die Angehörigen ganz auf die Gruppenstunden einlassen können“, wie Eugenia Bozer berichtet. Ermöglicht wurde die Angehörigengruppe im Clemenshospital, durch eine Spende der Schober-​Stiftung für christliche Hospizarbeit. „Das Schicksal der Familie Berger hat uns sehr berührt. Gleichzeitig ermutigt es uns, auf unserem Weg weiterzugehen“, so die Vorsitzende des Vorstands, Dr. Anna Schober. Ihr Stellvertreter, Prof. Dr. Peter Witte, ergänzt: „Im Mittelpunkt der Hospizidee stehen der sterbende Mensch und die ihm Nahestehenden. Die Sorge für die Angehörigen, die oft am Ende ihrer Kräfte sind, ist also wesentlich, kommt allen zugute.“

Angehörigengruppe gegründet

Angehörigengruppe gegründet

Bild: Während der Übergabe der Spende durch die Schober-Stiftung (v.l.): Dr. Georg Hülskamp (Chefarzt), Eugenia Bozer, Sabrina Schulz (Fundraising), Dr. Anna Schober (Vorstand Schober-Stiftung), Anne Hüffer (Kuratorium Schober-Stiftung), Dr. Otfried Debus (Chefarzt), Dr. Martina Klein (Fundraising) und Prof. Dr. Peter Witte (Vorstand Schober-Stiftung).

Münster – Um die Angehörigen schwerkranker Kinder und Jugendlicher zu unterstützen und den Austausch betroffener Familien untereinander zu fördern, wurde am Clemenshospital eine Angehörigengruppe gegründet. Ermöglicht wurde dies infolge einer Spende der Schober-Stiftung in Höhe von 7.000 Euro. Die Kinderneurologische Frührehabilitation des Clemenshospitals, eines Krankenhauses der Alexianer, kümmert sich um Kinder und Jugendliche, die zum Beispiel nach einem Verkehrs- oder Ertrinkungsunfall schwere Hirnschädigungen erlitten haben. Die damit oft verbundenen schwerwiegenden Diagnosen, die auch den drohenden Tod nicht ausschließen, bedeuten für die Angehörigen in jeder Hinsicht eine enorme Belastung. Geschwisterkinder empfinden sich manchmal in die zweite Reihe geschoben. Hier soll die Arbeit der Angehörigengruppe Hilfestellungen bieten.

Die Dipl.-Psychologin Eugenia Bozer ist für die Kinderneurologische Frührehabilitation tätig und hat das Konzept der Gruppe erstellt: „Viele Eltern kommen in der Hoffnung zu uns, dass im Krankenhaus alles wieder gut wird. Sie hatten ja oft bis vor Kurzem ein gesundes Kind, das nun plötzlich nicht mehr sprechen kann oder beatmet werden muss. Hier ist ganz viel Unterstützung notwendig, die aber zum Beispiel von den Krankenkassen kaum wahrgenommen wird“, wie Bozer berichtet. Hier setzt die Förderung durch die Schober-Stiftung an: „Das Konzept von Frau Bozer hat uns sehr überzeugt“, wie Dr. Anna Schober betont. Die erste Gruppe mit vier Familien ist bereits gestartet; das Konzept sieht vor, dass ein Einstieg weiterer Familien jederzeit möglich ist.