Bild: Auch eine Art Bildgebung: Wie die Krebszellen bei PIPAC unter Druck gesetzt werden, veranschaulichen Dr. Urs Pabst-Giger (r.) und sein Kollege Dr. Jens Peter Hölzen mit einer eigens von diesem angefertigten Zeichnung.

Experten bringen innovative Behandlungsmethode ans UKM. „Weniger Nebenwirkungen – mehr Lebenszeit und -qualität!“

Münster (ukm/lie) – Bauchfellkrebs wird zumeist sehr spät diagnostiziert – oft erst dann, wenn eine Heilung nicht mehr möglich ist. Mit dem fortschrittlichen PIPAC-Verfahren haben die Experten im UKM (Universitätsklinikum Münster) nun jedoch eine weitere Behandlungsoption, um die Prognosen zu verbessern. „Das Ziel dieser neuen Therapie ist, bei Patienten mit fortgeschrittener Erkrankung das Tumorwachstum auszubremsen, Lebenszeit zu gewinnen und dabei die Lebensqualität zu erhalten“, sagt Dr. Urs Pabst-Giger, Oberarzt der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie am UKM.

Die Abkürzung PIPAC steht für Pressurized Intra Peritoneal Aerosol Chemotherapy. Dabei werden im Rahmen einer Bauchspiegelung Chemotherapeutika als Aerosol, also als feiner Sprühnebel, unter Druck direkt in die Bauchhöhle gegeben. So können die Tumoren gezielter erreicht und angegriffen werden. „Durch das Vernebeln verteilen sich die Chemotherapeutika sehr gut im Bereich des befallenen Gewebes. Zudem fördert der während des Eingriffs herrschende Überdruck im Bauchraum das Eindringen der Medikamente in den Tumor“, erklärt Dr. Pabst-Giger. „Somit benötigen wir mit der PIPAC-Methode lediglich ein Zehntel der Wirkstoffmenge im Vergleich zur herkömmlichen Chemotherapie.“ Daher gebe es deutlich weniger Nebenwirkungen wie Haarausfall, Müdigkeit und Erbrechen. Der Spezialist für Bauchfellkrebs (Peritonealkarzinose) ist bereits seit 2012 gemeinsam mit einem interdisziplinären Team der Ruhr-Universität Bochum maßgeblich an der Entwicklung des inzwischen auch international anerkannten Verfahrens beteiligt. Im vergangenen Jahr wechselte das gesamte Expertenteam von Bochum nach Münster, um seine Arbeit im Viszeralonkologischen Zentrum des UKM fortzusetzen.

„Wir behandeln im Zentrum die unterschiedlichsten Krebserkrankungen des Magen-Darm-Traktes“, erläutert Dr. Jens Peter Hölzen, geschäftsführender Oberarzt in der Chirurgischen Klinik (Direktor: Univ.-Prof. Dr. Andreas Pascher). „Mit PIPAC haben wir nun eine zusätzliche Behandlungsoption – quasi einen weiteren Baustein – in der Therapie von Patienten mit fortgeschrittenem Bauchfellkrebs, bei denen die herkömmlichen Chemotherapien über die Vene nicht mehr greifen oder aus anderen Gründen nicht mehr gegeben werden können.“ Neben modernster Diagnostik und Therapie ist für die optimale Behandlung vor allem auch die enge Zusammenarbeit der Kollegen aller beteiligten Fachbereiche von besonderer Bedeutung. In regelmäßig stattfindenden Tumorkonferenzen tauschen sich daher z.B. Onkologen, Radiologen, Pathologen und Chirurgen aus und besprechen, welche Therapie zu welchem Zeitpunkt am besten für einen Patienten in seiner persönlichen Situation geeignet ist. „Auch die engen Absprachen mit Ernährungstherapeuten, Psychoonkologen und Palliativmedizinern sind bei komplex verlaufenden Erkrankungen wie dieser besonders wichtig“, betont Hölzen.

Jedes Jahr erkranken deutschlandweit mehr als 20.000 Menschen neu an Bauchfellkrebs. Oft ist er die Folge anderer Erkrankungen wie Eierstock-, Magen- oder Darmkrebs. Über 2.000 PIPAC-Applikationen hat das Expertenteam rund um Dr. Pabst-Giger allein in den letzten fünf Jahren durchgeführt. Dokumentiert und ausgewertet werden alle Behandlungsergebnisse im nun ebenfalls von Münster aus geführten internationalen Studienregister unter der Leitung von Dr. Cédric Demtröder mit 52 teilnehmenden Kliniken weltweit. „Auch wenn Bauchfellkrebs bisher nur selten heilbar ist, hat sich in der Behandlung der Erkrankung viel getan“, sind sich die Mediziner einig und fassen die Vorteile des effektiven und zugleich schonenden Verfahrens zusammen: „Weniger Nebenwirkungen – mehr Lebenszeit und -qualität!“