Darmkrebs: Immer mehr junge Menschen betroffen

Darmkrebs: Immer mehr junge Menschen betroffen

Bild: (v.l.) Priv.-Doz. Dr. Ulrich Peitz und Prof. Dr. Dr. Matthias Hoffmann leiten das Darmkrebszentrum Raphaelsklinik Münster.

Münster – Experten des Darmkrebszentrums der Raphaelsklinik, einem Krankenhaus der Alexianer, beobachten seit einiger Zeit eine beunruhigende Tendenz: „Während bei älteren Menschen dank der steigenden Nutzung der Vorsorgeangebote die Häufigkeit von Darmkrebs langsam sinkt, kommen in den letzten Jahren immer häufiger ungewöhnlich junge Patientinnen und Patienten zur Behandlung in unser Zentrum“, wie der Leiter des Darmkrebszentrums und Chefarzt der Raphaelsklinik, Prof. Dr. Dr. Matthias Hoffmann, erläutert. Mehrere Studien aus Europa und den USA bestätigen diese Entwicklung auch auf internationaler Ebene. So haben zum Beispiel Forscher der Erasmus-Universität in Rotterdam herausgefunden, dass es in den letzten 25 Jahren in Europa einen starken Zuwachs an Darmkrebserkrankungen bei jungen Erwachsenen gab. Zwischen 2004 und 2016 stiegen die Zahlen in jedem Jahr um acht Prozent.

Als Sebastian Krey vor zwei Jahren erstmals Blut im Stuhl entdeckte, dachte er an alles Mögliche, nur nicht an Darmkrebs, „Ich hatte in den letzten Jahren viel Stress, der Beruf war sehr fordernd, außerdem haben wir das Haus umgebaut, ich stand immer unter Volldampf“, wie der 35-Jährige berichtet. Oft war erst spät abends Zeit zum Essen und das kam dann meist aus der Tiefkühltruhe, „In der Zeit habe ich mich wirklich nicht sehr gesund ernährt“, bedauert Krey. Plötzlich litt der sportliche junge Mann unter ständiger Müdigkeit, die ihn schließlich zum Arzt gehen ließ. „Die Darmspiegelung hat dann gezeigt, dass ich einen Tumor habe. Ich war total überrascht, auch der Arzt hatte bei einem 35-Jährigen nicht damit gerechnet“, wie der Wettringer berichtet. „Das Problem ist, dass viele Ärztinnen und Ärzte bei jungen Patientinnen und Patienten trotz entsprechender Symptome zunächst nicht an eine Darmkrebserkrankung denken und erst in andere Richtungen therapieren. Dabei darf man bei der Behandlung keine Zeit verlieren“, stellt Hoffmann nachdrücklich fest.

Wird die Erkrankung zu spät erkannt, kommt es nicht selten zu Komplikationen wie Metastasen in der Leber, die eine Heilung deutlich erschweren. „Ich rate inzwischen in meinem Freundeskreis auch den Jüngeren, bei Symptomen wie Blut im Stuhl, Wechsel zwischen Durchfall und Verstopfung oder unklarer Leistungsschwäche zum Arzt zu gehen und gegebenenfalls eine Darmspiegelung durchführen zu lassen. Jung zu sein, scheint nicht vor schweren Krankheiten zu schützen!“, wie Krey betont. Dies gilt ganz besonders auch vor dem 50. Lebensjahr, ab dem die Vorsorgekoloskopie normalerweise empfohlen wird.

Das Darmkrebszentrum des Clemenshospitals wurde vor zehn Jahren gegründet

Das Darmkrebszentrum des Clemenshospitals wurde vor zehn Jahren gegründet

Bild: Norbert Schmitter (2.v.l.) freut sich, dass Dank der guten Zusammenarbeit zwischen Prof. Dr. Udo Sulkowski, Petra Mühlenkamp und Gerhard Haneklau (v.l.) seine Darmkrebserkrankung besiegt werden konnte.

Münster – Prof. Dr. Udo Sulkowski erinnert sich an sein Lehrbuch für Chirurgie aus dem Jahr 1982: „Dort steht, dass die Heilungschancen bei Patienten mit einem Dick- oder Enddarmkrebs bei 20 Prozent liegt. Heute liegen wir bei 80 Prozent“. Ein Grund für diesen Erfolg liegt in der Gründung von Darmkrebszentren, in denen alle Beteiligten eng zusammenarbeiten, um Reibungsverluste und Doppeluntersuchungen zu vermeiden. Das erste Darmkrebszentrum Münsters, das von der Deutschen Krebsgesellschaft zertifiziert wurde, befindet sich im Clemenshospital und heißt „Darmzentrum Portal 10 Münster“.

Ein Patient der ersten Stunde war Norbert Schmitter. 2008 wurde bei dem heute 79-Jährigen ein Mastdarmtumor entdeckt. „Bei der Darmspiegelung stellte sich heraus, dass ich bereits einen ziemlich großen Tumor habe. Das war natürlich ein Schock, aber meine Familie hat mich sehr gut gestützt“, erinnert sich Schmitter. Es folgten Chemotherapien und Bestrahlungen, um den Tumor zu verkleinern, 2009 wurde dann operiert. Wiederum ein Jahr später tauchte eine Metastase in der Lunge auf, im Jahr 2013 eine weitere, beide konnten ebenfalls erfolgreich operiert werden. „Danach traten keine weiteren Metastasen oder Tumoren auf“, freut sich Sulkowski über den Erfolg der Behandlung.
Ein wichtiger Erfolgsfaktor ist das frühzeitige Erkennen von Polypen oder Tumoren durch eine Darmspiegelung, „Die Darmspiegelung zur Vorsorge wird bei Männern bislang erst ab dem 55. Lebensjahr von den Krankenkassen bezahlt“, berichtet Gerhard Haneklau, Geschäftsführer der Praxis „Portal 10“, dem Partner des Clemenshospital im Darmzentrum, macht aber zugleich deutlich, dass sich dies wohl in nächster Zeit ändern wird und das Alter auf 50 herabgesetzt wird. Leider nutzen nicht mal drei Prozent der Berechtigten dieses Angebot, mit dem die Gefahr einer Erkrankung drastisch gesenkt werden kann, wie die Experten des Darmzentrums bedauern.

„Der Gedanke, dass man an Krebs erkranken könnte, wird von vielen Menschen einfach verdrängt. Sie meinen wohl, dass dies nur den anderen passiert“ vermutet die Koordinatorin des Zentrums, Petra Mühlenkamp. „Es gibt keinen Grund, vor einer Darmspiegelung Angst zu haben“, bekräftigt Haneklau. Oft kämen die Menschen gruppenweise zu ihm in die Praxis, um eine Spiegelung vornehmen zu lassen: „Das sind zum Beispiel Kegelmannschaften, in denen es sich herumgesprochen hat, dass die Untersuchung überhaupt nicht unangenehm ist“.