Coronavirus: Das UKM ist vorbereitet

Coronavirus: Das UKM ist vorbereitet

Der Coronavirus stellt nach Auffassung der Mediziner am UKM (Universitätsklinikum Münster) bisher kein erhöhtes Risiko für die Bevölkerung dar. „Die Gefahr, sich mit der normalen Grippe anzustecken, sei derzeit wesentlich größer“, sagt UKM-Virologe Prof. Stephan Ludwig. Sollte es doch zu einer Verbreitung des Coronavirus kommen, ist das UKM darauf vorbereitet.

Münster (ukm/aw) – Dass das Virus 2019-nCoV weitaus weniger pathogen ist als ein saisonaler Grippevirus, ist dem Leiter des Instituts für Virologie, Prof. Stephan Ludwig, wichtig: „Ich würde dieses Thema derzeit nicht so hoch hängen. Wir müssen das vergleichen mit anderen Situationen. Beispielsweise hat die Grippewelle 2017/18 25.000 Todesopfer gefordert und wir haben derzeit vier Corona-Fälle in Deutschland. Es werden auch noch mehr Fälle dazukommen, aber es ist nicht so, dass wir Angst haben müssten, dass wir hier massiv in Kontakt mit Infizierten kommen.“

Sollte es doch zu einzelnen Fällen von Infektionen mit dem 2019-nCo-Virus kommen, ist das UKM als Klinikum der Maximalversorgung dafür gerüstet. Kommt ein Patient mit Verdacht auf eine Coronavirus-Infektion ins UKM, greift als erstes die normale Triage (Sichtung) in der UKM Notaufnahme oder – bei jungen Patienten – in der Klinik für Kinderheilkunde. „Bereits aus den Erfahrungen mit SARS und MERS heraus sind an uns spezielle Anforderungen gestellt worden, die die Isolierung der Patienten in solchen Fällen genau vorschreiben“, sagt beispielsweise der leitende Krankenhaushygieniker des UKM, Prof. Alexander Mellmann. „Im Prinzip unterscheiden sich die Strukturen, die bei uns auch für Influenza, Tuberkulose und vergleichbare Erkrankungen etabliert sind, beim Coronavirus nicht.“

In der vergangenen Woche gab es in der UKM Notaufnahme eine Patientin, die selbst den Verdacht geäußert hatte, sie könne vom Coronavirus betroffen sein. „Wir fragen bereits in der Anamnese ab, ob der Patient oder die Patientin in den vergangenen Wochen in China oder Asien war oder Kontakt zu Menschen aus dieser Region gehabt hat. Das konnten wir bei der betreffenden Frau ausschließen“, sagt Prof. Philipp Kümpers, Leiter der UKM Notaufnahme. Sollte sich aber ein begründeter Verdachtsfall vorstellen, so orientiere sich der weitere Ablauf streng an den Richtlinien, die das Robert-Koch-Institut zum Umgang mit dem Coronavirus empfiehlt. „Im Verdachtsfall machen wir eine Röntgenaufnahme und einen Schnelltest auf normale Influenza“, so Kümpers. Sollte der negativ ausfallen, es also keine Erklärung für vorliegende grippeähnliche Symptome geben, wird eine Referenzprobe ans Institut für Virologie der Charité nach Berlin geschickt. Dort werden durch den sogenannten PCR-Test derzeit Abstriche aus ganz Deutschland auf den Virus untersucht. In den nächsten Tagen wird es aber auch am UKM die Möglichkeit zu einem Nachweisverfahren geben, sodass Patienten dann direkt Gewissheit bekommen.

Das UKM hält für Infektionsfälle spezielle Isolationszimmer vor. Weitere Zimmer könnten bei größerer Ausbreitung identifiziert werden, so Krankenhaus-Hygieniker Mellmann. Für den Fall einer pandemischen Ausbreitung liegen Notfallpläne bereit.

Immunonkologie: den Krebs enttarnen mit Immuntherapie

Immunonkologie: den Krebs enttarnen mit Immuntherapie

Bild: Prof. Annalen Bleckmann, Direktorin des WTZ Netzwerkpartners Münster: „Wir haben inzwischen deutlich mehr Behandlungsoptionen.“ (Foto © UKM/Wibberg)

 

Bei den neuen Therapien (Immuntherapien) setzen Mediziner immer häufiger auf innovative Wirkstoffe, mit denen die körpereigene Abwehr für einen gezielten Angriff aufgerüstet wird.

Münster (ukm/lie) – Rund 500.000 Menschen werden jedes Jahr in Deutschland mit der Diagnose Krebs konfrontiert. Zu den ersten Fragen zählt dann zumeist die nach den Heilungschancen. „Dank neuer Erkenntnisse aus Forschung und Klinik können wir unseren Patienten inzwischen deutlich mehr Behandlungsoptionen anbieten“, erzählt Prof. Annalen Bleckmann, Direktorin des WTZ (Westdeutsches Tumorzentrum) Netzwerkpartners Münster am UKM (Universitätsklinikum Münster). „Auch dann, wenn die Behandlungsklassiker Operation, Chemo- und Strahlentherapie allein vielleicht nicht den gewünschten Erfolg gebracht haben.“ Im Interview erklärt Prof. Bleckmann, wie die neuen Therapien funktionieren und bei welchen Tumorerkrankungen sie bisher zum Einsatz kommen.

Frau Prof. Bleckmann, wie genau wirken die neuen Immuntherapien?
In manchen Tumoren wimmelt es von Immun-, also Abwehrzellen. Doch statt wie bei anderen Krankheitserregern anzugreifen, verharren diese Zellen untätig im Gewebe und lassen den Krebs gewähren. Der Grund: Die Krebszellen machen sich eine Art eingebauten Sicherheitsmechanismus des Körpers, die sogenannten Checkpoints, zunutze. Checkpoints sind vergleichbar mit Kontrollstationen und sollen eigentlich eine zu starke Reaktion des Immunsystems verhindern. Manche Krebszellen nutzen diese molekularen Bremsen jedoch aus, tarnen sich damit und wachsen unkontrolliert. Hier setzen neue Medikamente wie die vielversprechenden „Checkpoint-Inhibitoren“ an. Sie lösen die Blockade und stimulieren das Immunsystem, das nun wieder die Tumorzellen erkennen und gezielt angreifen kann.

Was sind die Vorteile?
Wir erzielen mit den Checkpoint-Hemmern bei vielen Krebsformen sehr gute Behandlungserfolge. Und da es sich um eine völlig neue Therapieform (Immuntherapie) handelt, die die körpereigene Abwehr unterstützt, treten dabei nicht die klassischen, hinlänglich bekannten Nebenwirkungen wie bei einer Chemotherapie auf. Insgesamt ist somit die Lebensqualität der Patienten höher. Aber natürlich kann es auch bei den Immuntherapien, wie bei jeder Krebstherapie, zu Nebenwirkungen kommen. Hier ist vor allem die Schwierigkeit, ein Gleichgewicht zwischen der Stimulierung und der Hemmung des Immunsystems zu erreichen. Denn ein überaktives Abwehrsystem kann zu Autoimmunerkrankungen und in der Folge starken Entzündungsreaktionen führen. Die Immunonkologie bringt also neue Herausforderungen an die behandelnden Ärzte mit sich. Die Therapie sollte daher in spezialisierten Zentren erfolgen. Bei aller Euphorie über diese neuen Medikamente darf auch nicht unerwähnt bleiben, dass nicht jeder Patient darauf anspricht. Durchschnittlich sind es bisher 30 Prozent. Die Patienten, bei denen die Immuntherapie greift, profitieren dann aber von einer sehr lang anhaltenden Wirkung.

Für wen sind sie geeignet?
Die Immuntherapien finden inzwischen bei zahlreichen Krebsformen Anwendung. Die Idee, den Krebs mit dem körpereigenen Abwehrsystem zu besiegen, ist eigentlich schon sehr alt und stammt aus dem Ende des 19. Jahrhunderts. Aber erst seit wenigen Jahren führen die Forschungen dank eines besseren Verständnisses sowohl des Immunsystems als auch der Tumorgenetik immer häufiger zum gewünschten Erfolg. Der erste Checkpoint-Hemmer wurde 2011 für die Behandlung von schwarzem Hautkrebs zugelassen. Inzwischen gibt es mehrere unterschiedliche Wirkstoffe, die zum Beispiel gegen Lymphdrüsenkrebs oder Tumoren in der Lunge, Niere, Blase oder im Kopf-Hals-Bereich und seit Kurzem auch bei einigen Brustkrebsformen eingesetzt werden. Weitere sind in der Entwicklung.

Zu Beginn wurden die Checkpoint-Hemmer erst in fortgeschrittenen Krankheitsstadien eingesetzt. Heute finden sie bei den verschiedensten Krebsformen schon frühzeitig erfolgreich Anwendung – als alleinige Therapie oder neu auch in Kombination mit den klassischen Behandlungsformen. Neben den Checkpoint-Inhibitoren gibt es in der Immunonkologie auch noch weitere innovative Ansätze, bei denen die Immunzellen außerhalb des Körpers sozusagen für den Kampf gegen die Krebszellen aufgerüstet werden – zum Beispiel die „CAR-T-Zell-Therapie“ und auch spezielle Tumor-Impfungen. Insgesamt ist viel Bewegung in der Immuntherapie, wodurch sich die Perspektiven stetig verbessern.

 

Ein Weg der kleinen Schritte

Ein Weg der kleinen Schritte

Bild: Daniel Hagemeier (r.) informierte sich bei Chefarzt Priv.-Doz. Dr. Otfried Debus (l.) über die Kinderintensivstation und kinderneurologische Frührehabilitation des Clemenshospitals.

 

MdL Daniel Hagemeier (CDU) informiert sich auf der Kinderintensivstation des Clemenshospitals

Münster – Stationen wie diese sind eine Seltenheit, „die Kombination aus Kinderintensivstation und kinderneurologischer Frührehabilitation gibt es in dieser Art nördlich des Mains nur drei Mal“, berichtet der Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin des Clemenshospitals, Priv.-Doz. Dr. Otfried Debus, seinem Besucher aus dem nordrhein-westfälischen Landtag, Daniel Hagemeier (CDU). Als Mitglied im Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales wollte sich Hagemeier vor Ort über die Station informieren, auf der neurologisch zum Teil schwer geschädigte Kinder und Jugendliche behandelt werden. „Die kleinen Patientinnen und Patienten sind manchmal viele Wochen oder sogar Monate bei uns“, führt Debus aus, die Behandlung neurologischer Schädigungen sei oftmals ein Weg der kleinen Schritte. Die Ursachen für die schweren Hirnschädigungen können sehr unterschiedlich sein, Unfälle, Sauerstoffmangel zum Beispiel durch Ertrinken, Schlaganfälle oder Entzündungen im Gehirn gehören dazu. Die Ärzte, Pflegenden und Therapeuten auf der Spezialstation im Clemenshospital haben schon viel gesehen, berichten sie Hagemeier eindrucksvoll. Durch die räumliche Nähe von Intensivstation und Frührehabilitation kann die Therapie durch Physiotherapeuten, Ergotherapeuten oder Logopäden bereits auf der Intensivstation begonnen und in der Frührehabilitation nahtlos intensiviert werden. „Gerade die Pflegekräfte, zumeist ausgebildete Intensiv-Kinderkrankenschwestern, sind bei der aufwendigen Pflege aber auch in der Therapie auf dieser Station besonders gefordert“, stellt Dr. Otfried Debus heraus.

Prosopagnosie: Leben mit Gesichtsblindheit

Prosopagnosie: Leben mit Gesichtsblindheit

Münster (ukm/aw) – Dr. Sabine Holicki (60) bekam erst kurz vor ihrem 30. Geburtstag eine unerwartete Erklärung dafür, warum sie sich Gesichter einfach nicht merken konnte – immer wieder hatte das auch Rückwirkungen auf ihre sozialen Beziehungen. „Ich hatte bis zu diesem Moment geglaubt, ich wäre im Umgang mit meinen Mitmenschen einfach nur nicht aufmerksam genug“, stellt die Kommunikationsexpertin rückblickend fest. Bei den Recherchen zu ihrer Doktorarbeit zum Thema „Bildverarbeitung im Gehirn“ stieß sie eher zufällig darauf, dass es sich um eine anerkannte Wahrnehmungsstörung und nicht bloß um Unaufmerksamkeit handeln könnte. „Ich bin fast an die Decke geschossen – ich bin nicht schuld, mein Gehirn kann es nur nicht anders“, so die schlagartige Erkenntnis.

Gesichtsblindheit, oder die sogenannten Prosopagnosie, haben neuesten Studien zufolge rund eine von 40 Personen. „Das sind zwei bis drei Prozent der Bevölkerung“, so Prof. Ingo Kennerknecht, vom Institut für Humangenetik am UKM (Universitätsklinikum Münster). In Studien hat er nachgewiesen, dass die Prosopagnosie unterschiedlich stark ausgeprägt sein kann und fast immer genetisch vererbt wird. Auch in der Familie von Sabine Holicki ist das der Fall: ihr jüngerer Bruder ist ebenfalls betroffen. „Als wir uns als Geschäftsreisende auf dem Frankfurter Flughafen einmal zufällig auf der Rolltreppe begegnet sind, hat es bei uns beiden sehr lange gedauert, bis der Aha-Effekt eintrat. Ich kannte meinen Bruder einfach nicht im Anzug.“

Weil Holicki Gesichter nicht, wie andere, ganzheitlich speichern und schnell abrufen kann, versucht sie, ihre Kontakte möglichst mit deren persönlichen Eigenarten im Gedächtnis zu verknüpfen: Statur, Frisur, Kleidungsstil, Stimme, Gangart, Gestik oder auch auffällige Muttermale können das Erinnern zumindest unterstützen. „Schwierig wird es dagegen, wenn jemand seine Frisur oder die Haarfarbe verändert oder wir uns an einem unerwarteten Ort begegnen“, sagt Holicki. „Dadurch ist es schon zu so einigen Verwicklungen gekommen. Denn natürlich ist es für Bekannte oder Geschäftspartner irritierend, wenn jede Begegnung wie die erste ist.“

Die Prosopagnosie ist keine Erkrankung, sondern ein kognitives Störungsbild. „Am ehesten kann man das Phänomen vielleicht mit einer Wahrnehmungsstörung wie einer ausgeprägten Namensschwäche vergleichen“, sagt Kennerknecht. „Man findet sie häufiger mit ADHS oder eventuell einer Autismusspektrumstörung assoziiert. Ein Zusammenhang wird diskutiert, ist aber noch nicht verstanden. Gesichtsblindheit ist noch wenig erforscht. Heilbar ist sie nicht, es gibt jedoch effektive Kompensationsstrategien.“
Studien legen außerdem nahe, dass Prosopagnosie eventuell mit Hochbegabung korreliert: Zumindest ist Gesichtsblindheit unter Hochbegabten überdurchschnittlich häufig vertreten.

Mit den Jahren hat Holicki gelernt, mit der Gesichtsblindheit umzugehen. Sie braucht ungefähr zehn Treffen, um ein Gesicht „auswendig zu lernen“. Während Sabine Holickis Freunde natürlich über diese Besonderheit Bescheid wissen, ist es für die Beraterin und Trainerin insbesondere im Job schwieriger. „Gerade am Anfang rede ich meine Kunden nicht mit Namen an, um Verwechslungen auszuschließen. Auf gar keinen Fall weihe ich sie direkt in mein Problem ein – im Beruf schreckt das Menschen eher ab als dass es Vertrauen fördert.“

Die Wissenschaft versucht das Phänomen Prosopagnosie mit eingehenden Untersuchungen im MRT besser zu verstehen, kann aber keine Therapien anbieten, da die Ursache ja genetischer Natur ist. Die Sechzigjährige stört das nicht. „Ich bin privat und beruflich bisher gut durchs Leben gekommen. Nur weil ich einen Speicherdefekt irgendwo hinten links im Gehirn habe und bei mir die Prozesse eben anders ablaufen als bei anderen, heißt das nicht, dass ich defizitär bin.“

Factsheet Prosopagnosie

  • Hinweise auf Prosopagnosie finden sich bereits in der griechischen Antike. Das Defizit wurde erstmals 1947 vom deutschen Psychiater und Neurologen Joachim Bodamer anhand dreier Patienten mit Hirnverletzungen wissenschaftlich eingeführt. Dieser prägte auch das Kunstwort „Prosopagnosie“, das er aus den griechischen Wörtern für „Gesicht“ und „Nichterkennen“ ableitete.
  • Die erworbene Form nach Enzephalitis, Hirntrauma oder -infarkt ist aber sehr selten. Erst seit 1976 kennt man die angeborene (kongenitale) Form. Prof. Ingo Kennerknecht vom Institut für Humangenetik am UKM konnte in seinen zusammen mit anderen Wissenschaftlern seit 2001 betriebenen Studien zeigen, dass die angeborene Prosopagnosie mit einer weltweiten Prävalenz von 2 bis 3 Prozent sehr häufig ist und praktisch immer familiär auftritt.
    Kennerknecht, T. Grueter, B. Welling, S. Wentzek, J. Horst, S. Edwards, M. Grueter: First report of prevalence of non-syndromic hereditary prosopagnosia (HPA). (PDF) In: Am J Med Genet. Part A 140A. 2006, S. 1617–1622, doi:10.1002/ajmg.a.31343, PMID 16817175.
  • Mit funktionellen und bildgebenden Verfahren wie EEG (Elektroenzephalografie) und fMRT (funktionelle Magnetresonanztomographie) versucht man den neurologischen Hintergrund abzuklären. Zur Diagnostik sind diese Methoden bislang nicht geeignet. Verhaltenspsychologische Tests, wie der Cambridge Face Memory Test (CMFT), sind derzeit die diagnostische Methode der Wahl, erlauben aber nicht in jedem Fall die Diagnose.
  • Weltweit gibt es große Anstrengungen, die zugrundeliegende Genetik abzuklären – ohne bislang Gene gefunden zu haben, die mit dem Auftreten der Prosopagnosie in Verbindung gebracht werden können. Da die Prosopagnosie angeboren ist, gibt es derzeit keine ursächliche Therapie, wohl aber entwickeln Betroffene von sich aus gute Kompensationsstrategien. Weil sich Betroffene dessen oft nicht bewusst sind, wird das Phänomen im Alltag nicht thematisiert und erklärt daher, warum es praktisch nicht bekannt ist.